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Schlafstelle von Obdachlosen unter einer Brücke

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mit akzent

Herr Frantisek schläft wieder unter der Brücke

Notschlafstellen für Obdachlose gibt es in Wien nur im Winter. Neben der traditionellen Maikundgebung wurde deshalb dafür demonstriert, die Notschlafstellen ganzjährig aufzumachen. Die Geschichte des Herrn Frantisek zeigt, warum das vielleicht sinnvoll wäre.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Gestern, am 30. April, war der letzte Arbeitstag der Winternotschlafstellen in Wien. Es war ein kalter und regnerischer Tag. Mehr als 1.000 Menschen müssen jetzt wieder auf der Straße schlafen. Darunter auch Herr Frantisek.

Herr Frantisek lebt seit mehr als 25 Jahren in Wien. Früher war er mal Installateur. Er ist Spezialist in zwei Sachen: im Vernichten von Rohrverstopfungen und von Vodka. Vielleicht, weil sich in seiner slowakischen Muttersprache das Wort für Wasser – „Voda“ - und Vodka sehr ähnlich anhören. Er hat immer schwarz gearbeitet, er hat keinen Anspruch auf Pension oder Sozialleistungen. Schwarz hat er braunes Wasser wieder zum Fließen gebracht. Jeder von euch, der schon mal einen verstopften Abfluss hatte, weiß, wie schwierig es ist, ihn wieder zum Laufen zu bringen. Besonders, wenn es sich dabei um einen Abwasser-Kanal mit Fäkalien handelt. Viele von euch ekeln sich sicherlich allein, wenn sie davon hören oder lesen. Herr Frantisek kam zur Adresse, stieg mutig in die Scheiße und hat den Kanal befreit.

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Danach hat er angefangen, viel zu trinken. Stellt euch vor, ihr müsstet täglich in die Scheiße steigen. Heute ist Herr Frantisek Alkoholiker. In der Winternotschlafstelle hilft er manchmal als Installateur mit. Ich habe schon mal beobachtet, wie er in Minuten einen verstopften Geschirrspüler repariert hat. Danach hat er sich brav schlafen gelegt. Herr Frantisek ist lieb und harmlos - egal ob er einen Vodka oder eine ganze Flasche getrunken hat. Vielleicht habt ihr ihn schon auf einer Parkbank gesehen.

Seit diesem Winter betrachtet die Polizei in Wien Obdachlose oft als Kriminelle. Die Regierung ist stolz, dass immer mehr Ausländer abgeschoben werden, viele werden in die Slowakei zurückgeführt. Herr Frantisek ist auch abgeschoben worden. Man schiebt ihn immer um 8 Uhr ab, um 10 ist er in Bratislava und um 12 ist er wieder in Wien. So hat Herr Frantisek die Möglichkeit, seinen Morgenvodka in Wien zu trinken, während des Abschiebens nüchtern zu werden, um sich um 12 Uhr wieder am Keplerplatz zu betrinken. Somit ist er einer der mobilsten Alkoholiker in Europa.

Das ist natürlich ein Scherz. Denn Herr Frantisek hat Epilepsie und Asthma. Stellt euch den gestrigen regnerischen Tag vor und Herr Frantisek unter einer Brücke. Die Winternotschlafstelle hat bereits zu. Was ist wohl günstiger für den Steuerzahler, eine ganzjährige Unterbringungsmöglichkeit für den Herrn Frantisek oder das wöchentliche Abschiebetheater nach Bratislava?

Heute ist der erste Mai. Neben der traditionellen Maikundgebung wurde in Wien dafür demonstriert, die Notschlafstellen ganzjährig aufzumachen. Denkt daran, dass in jedem namenlosen Obdachlosen ein Herr Frantisek stecken kann.

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