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Provokante Böhmermann-Ausstellung: „Österreich, das ist nicht normal!“

Satiriker Jan Böhmermann hat es jetzt auf die Bildende Kunst abgesehen, seine Ausstellung „Deuscthland#ASNCHLUSS#Östereich“ feierte Premiere in Graz. Er warnt vor der schleichenden Normalisierung von Rechts-Außen und fordert von Sebastian Kurz, dem „32-jährigen Versicherungsvertreter“, dass er aufhört zu schweigen.

Von Alex Wagner

Wenn der deutsche Satiriker Jan Böhmermann in Österreich ist, dauert es nicht lang bis zum Eklat. Diese Woche hat ein Interview im Kulturmontag auf ORF2 mit Jan Böhmermann für Furore gesorgt. Geht es dem Künstler nur um Provokation? Und wie weit geht die Presse- und Kunstfreiheit? Damit haben wir uns in einem einstündigen Special in der FM4 Homebase beschäftigt:

Jan Böhmermann in einer Homebase Spezial

Freitag Abend in Graz

Hunderte stehen trotz Regen in einer Schlange vorm Künstlerhaus. Sie warten auf Einlass, und darauf, vielleicht einen Blick auf den Satiriker Jan Böhmermann zu erhaschen.

„Deuscthland#ASNCHLUSS#Östereich“ heißt die Ausstellung, die Jan Böhmermann zusammen mit seiner Firma btf, der bildundtonfabrik, in den letzten Wochen in Graz auf die Beine gestellt hat und die am Freitag Premiere feierte. Eine interaktive Ausstellung, die nicht an gezielter Provokation spart. „Mal kucken, wie das aufgenommen wird. Das Spannende ist immer das, was passiert, wenn Leute das befüllen“, meint Jan Böhmermann zuvor im Presse-Sitzkreis.

Jan Böhmermanns Ausstellung "Deuscthland#ASNCHLUSS#Östereich"

Deuscthland#ASNCHLUSS #Östereich

Jan Böhmermanns Ausstellung „Deuscthland#ASNCHLUSS#Östereich“ kann man bis 19.6. im Künstlerhaus Graz ansehen.

Gleich am Eingang wird man bei einer Passkontrolle - das erste Exponat der Ausstellung - in Österreicher*innen oder Ausländer*innen separiert. Am Boden befindet sich zudem eine kleine Klappe für Faschist*innen. Je nachdem, woher man kommt, erhält man ein grünes oder pinkes Pickerl, das man jederzeit sichtbar am Körper tragen muss. „Das Kontrollieren von Grenzen ist in Österreich ein viel größeres Thema als in Deutschland“, meint Jan Böhmermann. Handy und sämtliche elektronischen Geräte werden einem abgenommen, eigene Fotos von der Ausstellung sind nicht erlaubt - und das am Tag der internationalen Pressefreiheit. Jan Böhmermann erinnert daran, dass Innenminister Kickl Journalist*innen bei Pressegesprächen das Handy abnehme, aber „Politiker sind keine Komiker und Komiker sind keine Politiker. Aber anders als Politiker können Komiker damit kokettieren, weil sie Künstler sind und unseriös und sich einen Anzug anziehen, wenn sie wirken wollen, als wären sie was.“

Passkontrolle beim Eingang zu Jan Böhmermanns Ausstellung "Deuscthland#ASNCHLUSS#Östereich"

Markus Krottendorfer

Bei „Deuscthland#ASNCHLUSS#Östereich“ handelt es sich um eine für Österreich adaptierte Ausstellung, die Jan Böhmermann 2017 bis 2018 im Düsseldorfer NRW-Forum gezeigt hat. Etwa die Hälfte der Exponate wurden für Graz neu entwickelt - darunter das Kernstück der Schau: eine Nachstellung des Fotos, das den Vizekanzler in Tarnuniform zeigt. Die interaktive Installation heißt „Wehrsport 1989“: Vor einer Fototapete steht eine Schaufensterpuppe in Uniform, daneben baumeln zwei Bundes-Verfassungsgesetz-Bücher von der Decke. An der Wand befindet sich ein Baseballschläger mit einer Kette, die zu kurz ist, um die Schaufensterpuppe zu treffen, nur die Gesetzbücher sind in Reichweite. Man kann der Schaufensterpuppe also maximal die Verfassung um die Ohren hauen. Beim Eingang der Installation werden einem die Regeln erklärt: „Vergewissern Sie sich vor Bekämpfung des Faschisten, dass Sie sich und andere nicht körperlich gefährden. Die Bundesverfassung der Republik Österreich ist unantastbar. Der Vizekanzler darf nicht körperlich berührt werden. Bei Zuwiderhandlung oder Regelverstoß werden Sie umgehend der Ausstellungsräumlichkeiten verwiesen und erhalten lebenslanges Hausverbot.“ Ein Sicherheitsmitarbeiter steht grimmig in der Ecke.

Dieses Video, bei der Jan Böhmermann das Exponat „Wehrsport 1989“ zeigt, sorgt gerade für Aufregung im Netz.

Basis für die Ausstellung ist der digitale Raum, das Netz, in dem der wirkliche Diskurs stattfindet. Statt Glückskeksen kann man sich am „Hetzkeks-Automat“ für 1 Euro Kekse mit Hass-Tweets kaufen. In Wahlkabinen kann man sich per Knopfdruck zwischen „Lang lebe das vereinte Europa“ oder „Österreich verrecke!“, zwischen „Israel“ oder „Palästina“ entscheiden - wenn man den Knopf drückt, wird ein Foto von dir und deiner Entscheidung gemacht, das dann auf Twitter veröffentlicht wird. Soviel zum Thema geheime Wahl. „Ein creepy Gefühl, wenn das dann auf Twitter kommt. Will ich das, mit meinem Foto, mit meinem Gesicht, mit der Meinung?“, erzählt eine Besucherin. Mit dem „Fake News Roulette“ kann man seine eigene Zeitung gestalten. In einem „Rechtsfreien Raum“ kann man das verbotene Schmähgedicht gegen den türkischen Präsidenten Erdogan lesen - das sich frei zugänglich auf der Website des deutschen Bundestags befindet, mit dem Hinweis, man mache sich strafbar, wenn man es lese.

Die Grenze von Satire und ernstgemeinter Kritik verschwimmt in der Ausstellung „Deuscthland#ASNCHLUSS#Östereich“. Auch der fiktive NS-Vergnügungspark „Reichspark“ inklusive Virtual Reality-Achterbahn und „Stalingrad-Experience“ ist Teil der Ausstellung, für die Jan Böhmermann eine Mockumentary gedreht hat.

Der Reichspark in Jan Böhmermanns Ausstellung "Deuscthland#ASNCHLUSS#Östereich"

Felix Obermaier, Anne-Cathrine Mosbach

„Im Zuge des politischen Wandels in Österreich bin ich dafür, dass Kunstzwang eingeführt wird!“

Die Ausstellung thematisiert laut Böhmermann die Ambivalenz von Österreich gegenüber seiner eigenen Geschichte. Immer noch würde sich ein Teil Österreichs als Opfer des Nationalsozialismus verstehen. Bereits am Eingang der Ausstellung ist zu lesen: „östereich - nie vom faschismus geheilter blinddarm großdeutschlands“. Im Interview gibt sich Jan Böhmermann gewohnt angriffslustig: „Die Auseinandersetzung mit der politischen Wirklichkeit ist in Österreich dreimal spannender als in Deutschland. Vom Neo-Nazi zum Sportminister - solche Karrieren, das geht halt nur in einem Land, wo das Personal-Material beschränkt ist.“ Und weiter: „Der Unterschied zwischen Deutschland und Österreich ist: wir wehren uns gegen die Salonfähig-Machung von Rechtsextremen in der Gesellschaft, und in Österreich ist man nicht salonfähig, wenn man nicht akzeptiert, dass es bereits passiert ist. Man ist nicht salonfähig, wenn man nicht bereit ist, sich mit einem FPÖ-Funktionär an den Tisch zu setzen und das okay zu finden, dass es gewisse Menschen gibt, die eben nicht die vollen Menschenrechte genießen, sondern dass es Abstufungen gibt. Der Erosionsprozess ist aus deutscher Perspektive wahnsinnig weit fortgeschritten.“

Jan Böhmermann bezeichnet sich selbst als Populist, die Verkürzung sei Teil seines Jobs, aber bei ihm gehe es um Spaß und nicht um Macht. „Bei der ersten FPÖ/ÖVP-Koalition vor 10 Jahren sind sie alle auf den Hinterbeinen gestanden, national wie international, und inzwischen hat man das Gefühl als Außenstehender, es ist weitestgehend ein großes 8-Millionen-faches Achselzucken. Die politische Opposition ist nicht in der Lage, sich wirksam zu artikulieren. Es gibt natürlich viele Leute, wie gerade vor kurzem Armin Wolf, der sich dann ins Feuer schmeißt, aber der breite Widerstand ist einer allgemeinen österreichischen Gemütlichkeit gewichen“, findet Jan Böhmermann.

Der Medienwandel, die Rezeption und die Demokratisierung von Medien und Meinungen spiele Leuten in die Karten, die schnell auf Gefühlsknöpfe drücken können und dadurch ihre politischen Positionen, so wahnsinnig sie auch seien, in dieser neuen Wirklichkeit besser propellieren, als alle anderen. „Faschistische Ideologie ist keine Meinung“, so Jan Böhmermann, „von einem Massenmörder 1.500 Euro aufs Girokonto überwiesen zu bekommen, und dass das achselzuckend hingenommen wird, als ob das was Alltägliches ist - seid ihr wahnsinnig oder was?“

„Zu schweigen, wo man nicht schweigen darf, das ist für mich Sebastian Kurz“

Jan Böhmermann fordert, dass das Internet nicht den Hasskommentator*innen überlassen wird, sondern dass die Polizei das Netz stärker auf Gesetzesverstöße überprüft und dort Konsequenzen und Sanktionen setzt. Mit der Thematik, ob das Netz ein rechtsfreier Raum ist und wie schnell Meinungen hinausposaunt und vergessen werden, beschäftigt sich auch eine Installation im Keller des Künstlerhauses. Tweets von hunderten österreichischen Mandatar*innen werden dort auf einem alten Nadeldrucker ausgedruckt und dann vakuumversiegelt und so der Nachwelt erhalten. An Kritik an der aktuellen Regierung spart Jan Böhmermann nicht: „Dass quasi Strache sagen kann, er macht hier Satire, und dass das so hingenommen wird, als wäre der ‚Witzekanzler‘, der Vizekanzler, gleichzeitig auch Künstler, alleine dass es so weit gekommen ist im Diskurs, dass das ohne riesen Aufschrei hingenommen wird, ist ein echtes Problem. Der Vizekanzler hat seine Finger aus der Kunst zu lassen und die Maßstäbe, die an Kunst angelegt werden, sind gefälligst keine politischen Maßstäbe.“

Es sei nicht normal, dass ein 32-jähriger zum Bundeskanzler gewählt werde, findet Jan Böhmermann. Er bezeichnet Sebastian Kurz als „32-jährigen Versicherungsvertreter, der nichts kann“, der an „den Positionen, wo er was sagen müsste, und wo er aufstehen müsste für Dinge, die wirklich wichtig sind, nichts sagt.“ Und weiter: „Durch Erwählen zum Koalitionspartner, neben ihnen auf Pressekonferenzen zu stehen, durch Nichtssagen, wenn Sie wieder eine Grenze überschreiten, wenn sie Minderheiten mit Ungeziefer vergleichen, das als Witz zu verkaufen - oder noch schlimmer sagen, gut, das ist halt Satire. Da zu schweigen, wo man nicht schweigen darf, das ist für mich Sebastian Kurz.“

Wanderoutfit von Sebastian Kurz und Angela Merkel in Jan Böhmermanns Ausstellung "Deuscthland#ASNCHLUSS#Östereich"

Markus Krottendorfer

Eines der Exponate der Ausstellung ist Sebastian Kurz gewidmet. Es zeigt das originale Wanderoutfit des österreichischen Bundeskanzlers („so gut wie ungetragen“) und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. „Wir haben das Kanzleramt angeschrieben, um nach dem Wanderoutfit des Bundeskanzlers zu fragen. Das hat etwas gedauert, aber schlussendlich hat es funktioniert. Was interessant ist, ist dass das Outfit des österreichischen Bundeskanzlers fast drei mal so teuer ist wie das Outfit der Bundeskanzlerin. Ich weiß nicht, ob es einen Rechnungshof in Österreich gibt, aber da würde ich mir schonmal Gedanken machen“, scherzt Böhmermann.

Typisch Jan Böhmermann

Die Besucher*innen haben die Ausstellung von Jan Böhmermann mit gemischten Gefühlen wahrgenommen. Für die einen war Jan Böhmermann ein radikaler Christoph Schlingensief, für die anderen war die Ausstellung lediglich Fanservice. Wirklich auf Ablehnung sind die Exponate kaum gestoßen, höchstens auf österreichische Wurstigkeit der Marke: jo eh! Oder wie es Kollegin Maria Motter ausgedrückt hat: „Ich glaube, dass Jan Böhmermann seiner eigenen Kunst die Show stiehlt!“

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