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Soak

Rough Trade / Ellius Grace

Soak kämpft am neuen Album „Grim Town“ mit der düsteren Stadt

Die junge nordirische Songschreiberin Soak begeisterte vor vier Jahren mit ihrem Debütalbum. Einiges ist seither passiert im Leben von Soak. Ihr neues Album „Grim Town“ erzählt davon.

Von Eva Umbauer

Soak heißt eigentlich Bridie Monds-Watson, kommt aus der nordirischen Stadt Londonderry bzw Derry, je nachdem, ob man „Unionist“ ist, also als BewohnerIn von Nordirland Großbritannien nahesteht, oder ob man lieber hätte, dass Nordirland zur Republik Irland gehören würde.

Und da wären wir schon beim Brexit, den Bridie aka Soak für komplett daneben hält. Sie verfolgt die Sache aufmerksam, aber mittlerweile fehlen ihr bei diesem Thema schon etwas die Worte. Dass in Nordirland die Gewalt zwischen KatholikInnen und ProtestantInnen wieder aufflammen könnte, hofft sie nicht, aber eine harte Grenze, so Soak, wäre für viele Menschen dort schlicht und einfach schlimm. Soak wünscht sich, dass sie das bei einer neuerlichen Brexit-Abstimmung korrigieren können.

Albumcover Soak "Grim Town"

Rough Trade Records

„Grim Town“ von Soak ist bei Rough Trade erschienen.

FM4 erreicht Soak am Telefon in Manchester, wo Bridie Monds-Watson seit zwei Jahren lebt, in einer WG mit FreundInnen. Von Nordirland ist es nicht weit über das Meer herüber nach Manchester im Nordwesten von England. Ein halbes Stündchen mit dem Flugzeug, oder einfach eine Fähre nehmen, obwohl, einmal war ein derartiger Sturm, sodass Soak auf der Fähre glaubte, ihr letztes Stündlein hätte geschlagen.

Der eigene Kopf als Grim Town

Angst ist etwas was Soak gut kennt. Angst und Depressionen. Mit ihrem neuen Album hat sie einen Weg heraus gefunden. Im Albumtitel „Grim Town“ geht es dann auch nicht um einen geografischen Ort, wie etwa (London)Derry, sondern um einen „mental place“. Ihr Kopf, ihre Seele ist diese „grim town“, eine düstere Stadt also.

Soak mag Städte, große und kleinere. Sie mag London, wo sie ihr neues Album eingespielt hat, aber auch das kleinere Manchester. Die große Stadt steht für Soak für das Leben und für Freiheit, aber dennoch hat sie weiterhin auch noch freundliche Gefühle für das Dorf und die Kleinstadt.

Der tanzbare, fast schon heitere Song „Knock Me Off My Feet“ ist eine Art Liebesbrief von Soak an das Leben in der Kleinstadt. Es geht um ihre Hass-Liebe zum Ort ihres Aufwachsens, der einerseits schön war, andererseits aber auch nicht alles gewesen sein konnte.

In den vier Jahren nach dem Erscheinen ihres Debütalbums, mit dem sie international Anklang fand, sogar als Indie-Folk-Wunderkind firmierte und etwa auch beim Blue Bird Festival in Wien spielte, hat Soak eine Pause gemacht, zum Nachdenken. Sie hat Dige getan, die alle Menschen in ihrem Alter tun. Dabei sind Songideen entstanden, bis der Kopf schließlich davon überquoll. Es war Zeit zum Schreiben und Komponieren. Alles musste raus, es war kathartisch, also reinigend und erlösend.

Katharsis

Mit dem Song „Get Set Go Kid“ - er beginnt als Country-Folk Stück und endet in einer herrlichen Piano- und Saxofon-Kakophonie, also laut, wild und geräuschig - erleben wir, wie sich Bridie Monds-Watson eine große Portion Optimismus verabreicht, sich am Schopf packt und aus der Dunkelheit zieht.

Und auch wenn sich Soak am Albumcover fast ein wenig in „Sack und Asche“ zeigt, mit Oversize-Sakko und Hose, so hat sie mit dem neuen Album, trotz des Titels „Grim Town“, auch einen gewissen Glamour gefunden, und das steht ihr gut. Ihr androgynes Äußeres leuchtet etwa in dem einen oder anderen Foto zu ihrem neuen Album, und auch die Seele traut sich langsam zu strahlen.

Bridie Monds-Watson schreibt Songs und tritt auf seit sie dreizehn Jahre alt war. Bei ihrem Debutalbum „Before We Forgot How To Dream“ war sie also schon fast so etwas wie eine Veteranin.

Ein Leben lang Lehrling

Mit ihrem neuen Album spricht die mittlerweile 22 Jahre alte Künstlerin - vorallem textlich - junge Menschen an. Aber auch ältere MusikliebhaberInnen haben Freude an den neuen Songs von Soak, schließlich bleibt man ja gewissermaßen ein Leben lang ein „trainee“, also jemand Lernender.

„Let’s be honest, I’m a work in progress.“ Soak - „Life Trainee“

Der Song „Life Trainee“ handelt vom Lernen, zu leben, und wie das geht, erwachsen zu sein. Soak war gerade 18 und „erwachsen“, aber was war das nun genau? Sie stand weiterhin vor Fragen über Fragen. Es geht um den Druck, der auf vielen jungen Menschen lastet, wohin es im Leben denn genau gehen soll. „The whole idea of that song is trying to find your path and trying to work out what your purpose is.“

Auf ihrem ersten Album erlebten wir Soak als Rohdiamant, eine junge Songschreiberin mit Folkgitarre, die aus ihrem Leben erzählt. Auch jetzt erzählt uns Soak wieder von sich, aber sie nimmt sich diesmal als Malerin ihrer Songs eine größere Farbpalette vor. So hat Soak bei den neuen Songs auch etwa keine Angst vor Pop, auch wenn die Songs inhaltlich meist „heavy“ sind.

„I tried to not limit myself. In terms of genre I was just trying to kind of do what I wanted to do. Nothing sounded more boring to me than making my first album again. I tried to cover a whole spectrum - genre-wise, and I tried to cover a whole spectrum of emotion.“

Am gängigen Electropop-Sound wollte Soak aber nicht allzusehr anstreifen, trotz schimmernder Synths und schwungvoller Grooves in ihren neuen Songs. Sie experimentierte vielmehr etwa mit ungewöhnlichen Songstrukturen, und dazu gibt es etwa noch lebhafte Arrangements und das eine oder andere hymnische Element, wie etwa beim Song „Deja Vu“.

So düster klingt diese „grim town“ von Soak, diese „tour de force“ von einem Album dann also gar nicht. Aus Schmerz wurde vielfach Freude, und Soak kann sogar über Manches lachen - Hoffnung und Humor sind schließlich zwei wichtige Dinge für sie.

Im melancholischen Song „YBFTBYT“ geht es darum, dass allzu viel Party-Machen dann doch nicht gut ist. Zu fertig zum Zähneputzen. Der Songtitel steht für „you’ve been forgiven for not brushing your teeth“.

„Crying Your Eyes Out“ ist eine Piano-Ballade mit Streichern, in „Missed Calls“ geht es wieder um unerwiderte Liebe, „I Was Blue, Technicolour Too“ ist 80er Jahre Indie-Pop vom Feinsten und das pianodominierte, aber auch mit einer zart gezupften Gitarre aufwartende Stück „Fall Asleep, Backseat“ handelt vom Moment, als die Etern von Bridie Monds-Watson beschlossen, sich scheiden zu lassen.

Outsider-Pop

Und weil wir die neue Platte von Soak ganz genau hören, hören wir auch das Intro und das Outro, gesprochen von einer Männerstimme, die niemand anderem gehört als dem Großvater von Soak. Er ist eine Art Schaffner im Zug und lässt uns gleich zu Beginn dieser sehr persönlichen (Konzept-Album)Reise Folgendes wissen:

„Please note this train is for the following categories of passenger only: recipients of universal credit or minimum wage, the lonely, the disenfranchised, the disillusioned, the lost, the grieving. Those who are unmedicated and who have salaries or pension plans should vacate the carriage immediately.“

Soak wendet sich mit ihrem neuen Album also (wieder) an alle möglichen AußenseiterInnen. Ach was, alle dürfen Soak hören und lieben. Sind wir doch alle gewissermaßen immer wieder Underdogs im Leben. Welcome back, Soak! Jetzt warten wir nur noch auf ein Konzert hierzulande, schließlich ist das Live-Spielen der Lieblingsteil von Soak im Musikerinnenleben.

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