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Bunte Pixelstadt aus "Tales of the Neon Sea"

Palm Pioneer / Zodiac Interactive

Zwei ungewöhnliche Cyberpunk-Games im Pixelstil

Die Welt steht nicht mehr lange - zumindestens nicht in den aktuellen Indiegames „VA-11 HALL-A“ und „Tales of the Neon Sea“. Die beiden pixelig-bunten Spiele huldigen beide dem dystopischen Science-Fiction-Genre Cyberpunk.

Von Robert Glashüttner

Wieso tauchen wir eigentlich immer noch so gerne in retrofuturistische Dystopien ein? Unsere Gegenwart kommt ja ohnehin von Jahr zu Jahr näher an die gruseligen Cyperpunk-Geschichten der 80er und 90er Jahre heran. Und doch lieben wir sie weiterhin, die düster-spannenden Stories von Megacorporations, Überwachungsstaaten, grellen Neonlichtern in überlaufenen Metropolen, augmentierten Menschen und allgegenwärtigen Robotern und Androiden, deren KI immer wieder zum sehr großen Problem wird. Aktuell sind zwei Indiegames am Start, die dem Cyberpunk-Stil frönen, die sogar beide recht ähnlich aussehen, aber spielerisch ziemlich unterschiedlich sind.

Im Zweifelsfall hilft ein Drink

Irgendwann in den 2070er Jahren ist die ultimative Kontrollgesellschaft nicht mehr zu stoppen. Im Game „VA-11 HALL-A“ beherrschen einige reiche Riesenkonzerne Staat und Gesellschaft, die Überwachung ist überall und die Rechte der einfachen Bürger*innen sind auf ein Minimum geschrumpft. Da hilft es oft nur, tief ins Glas zu schauen, um nicht komplett die Hoffnung zu verlieren. Hier kommen wir ins Spiel: Als junge Frau namens Jill arbeiten wir in der Metropole Glitch City in einer Bar, mixen dort Drinks und hören uns geduldig die Geschichten unserer Gäste an.

„VA-11 HALL-A“, entwickelt vom venezolanischen Studio Sukeban Games, ist im Vertrieb von Ysbryd Games in den letzten Jahren für unterschiedliche Syteme erschienen. Seit Anfang Mai 2019 gibt es das Spiel auch für PS4 und Switch.

Unser Arbeitsplatz ist kein schickes Etablissement, sondern eine Dive Bar, die schäbig aussieht und in der es nicht besonders gut riecht. Dementsprechend durchwachsen sind auch einige unserer Gäste: Da gibt es den schmierigen Möchtegern-Macker Ingram, eine Roboter-Prostituierte namens Dorothy oder den cholerischen Zeitungsherausgeber Donovan. Sie alle beschweren sich über Gott und die Welt, sind dabei aber immer auch uns gegenüber recht neugierig. So bringen wir uns als Jill stets auch mit ein und fungieren wahlweise als Schulter zum Ausweinen, verbaler Sparringpartner oder auch als eine Art Medizinfrau. Denn so schlecht kann jemand gar nicht drauf sein, dass ihr oder ihm der richtige Drink nicht wieder auf die Sprünge helfen würde!

Die Protagonistin Jill aus "VA-11 HALL-A"

Sukeban Games / Ysbryd Games

Spielerisch gibt es in „VA-11 HALL-A“ nicht viel zu tun. Die Gäste fordern mehr oder wenig spezifische Drinks ein, die wir dank unserer Mixing-Anleitung ohne großen Aufwand zubereiten können. Weil manche Wünsche vage formuliert sind und wir die Menge an Alkohol auch mal selbst bestimmen dürfen, haben wir oft etwas Spielraum. Dementsprechend, was wir wem wann servieren, ändern sich die darauffolgenden Dialoge und so entspinnen sich unterschiedliche Momente. Aber egal, was wir mixen: Die absurden und oft auch sehr amüsanten Gesprächssituationen, in die uns das Spiel bringt, machen „VA-11 HALL-A“ zu einer unkonventionellen und empfehlenswerten interaktiven Geschichte.

Der Detektiv und seine Katze

Vom gesprächigen Bartender Jill in „VA-11 HALL-A“ wechseln wir zum abgehalfterten Detektiv namens Rex in „Tales of the Neon Sea“. Gemeinsam mit seiner Roboterkatze William macht Rex sich erst mal daran, die ramponierten Augmentierungen in seinem Körper wieder zu reparieren. Danach geht es ums Lösen eines mysteriösen Mordfalls. Auch dieses Game ist in bunter 2D-Pixelgrafik dargestellt. Hier servieren wir aber keine Drinks, denn „Tales of the Neon Sea“ ist stattdessen ein klassisches Point’n’Click-Abenteuer.

„Tales of the Neon Sea“ vom chinesischen Entwicklerstudio Palm Pioneer, ist im Vertrieb von Zodiac Interactive für Windows erschienen.

Wir durchstreifen als Mensch-Katze-Duo diverse Räume, studieren die Umgebung, kombinieren Gegenstände und lösen Schalter-, Zahlen- und Logikrätsel. Von diesen Rätseln, die oft etwas sperrig sind, gibt es sehr viele im Spiel. Das führt leider dazu, dass der Look und die Story in den Hintergrund gerückt werden und das Game deshalb nur für hartgesottene Puzzle-Expert*innen zu empfehlen ist. Gemeinsam mit der recht trockenen Übersetzung ins Englische sind die vielen abstrakten Rätsel der große (Katzen-)Jammer von „Tales of the Neon Sea“, denn die Grafik ist eine Pracht und die unkonventionellen Protagonisten hätten mit ein bisschen mehr Humor für ein bleibendes Spielerlebnis gesorgt.

Roboterkatzen im Wohnzimmer in "Tales of the Neon Sea"

Palm Pioneer / Zodiac Interactive

Wenn die Welt schon durch die Abschaffung der Demokratie, revoltierenden Robotern und einem zusammenstürzenden Klima untergehen muss, dann sind mir Philosophieren und Trinken im Zweifelsfall lieber als verknotete Hirnwindungen. Prost!

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