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Bernhard Eder Portraitfoto

Nadine Schachinger

Bernhard Eder macht den kompletten Reset

Als melancholischer Singer/Songwriter ist uns Bernhard Eder gut bekannt. Nun hat er mit seinem siebenten Album „Reset“ sich und seine Musik rundum erneuert. Ein mutiges Experiment, das komplett aufgeht.

Von Andreas Gstettner-Brugger

Ein brav dahin pluckernder Synthesizer eröffnet die neue Platte „Reset“ von Bernhard Eder. Die Nummer „Hell“ ist gleichzeitig auch das Herzstück dieses neuen Klangkosmos. Sie schleicht sich ganz unscheinbar heran, während Bernhard im Text die Ausgangsposition dieser Reise skizziert. Tag und Nacht arbeitend - wobei man nicht mal weiß, wofür eigentlich - findet man sich in einer dunklen Lebensphase wieder. In dieser Tiefe, die mit schweren Trompeten und harmonisch düsterem Chorgesang musikalisch umgesetzt wird, ist die einzige Option, sich zusammenzureißen und mutig einen neuen Weg zu beschreiten.

Vom Experiment zu den Aliens

Dieser von Außen doch sehr radikale Wechsel war für den oberösterreichischen Musiker ein allmählicher Prozess. Die ersten Melodien zu „Hell“ sind vor ein paar Jahren beim zwanglosen Herumexperimentieren mit einem aus den USA importierten Pocket-Synthesizer entstanden. Diese ersten Skizzen hat Bernhard für eine Theaterproduktion verwendet, bis er sie endlich zu einem richtigen Sound arrangiert hat.

Plattencover "Reset" von Bernhard Eder

Bernhard Eder/Monkey Music

Das siebente Album „Reset“ von Bernhard Eder ist bei Monkey Music erschienen.

Bernhard: „Kein Album hat bis jetzt so viel Zeit in Anspruch genommen wie dieses. Reset ist auch wirklich der passende Titel, denn ich habe viel wieder verworfen, weggeschmissen und teilweise bei Null begonnen. Vor allem meine bisherige Art, Texte zu schreiben, hat überhaupt nicht mehr zu den Klängen und dem Sound gepasst.“

Hat Bernhard Eder sich früher noch intensiv mit dem großen Popthema des gebrochenen Herzens beschäftigt, so erzählt er diesmal Geschichten losgelöst von unmittelbar persönlichen Erfahrungen. Die Single „Aliens, pixelated“, das schnellste und klanglich dichteste Stück der Platte, ruft uns die alten Spielautomaten in Erinnerung, die wir in der Schulpause mit unserem Kleingeld gefüttert haben. Wir tauschen den Alltag gegen die verpixelten Raumschiffe, in denen wir uns als einsamer Held gegen die bösen Aliens durchsetzten. Desto weiter wir im Level kommen, desto mehr baut sich dieser grandiose Song zu einem krautrockigen Elektro-Popstück auf, das uns am Schluss mit zartem, hyperschnellen Schlagzeugrhythmus und Synthie-Fanfaren aus dem Spielekosmos in die Realität ausspuckt.

Vom Weltuntergang und der Flucht nach Mexiko

Ein recht dystopisches Gefühl vermittelt die wunderschöne Elektro-Chanson-Ballade „Casiotone 601“, die Bernhard Eder zusammen mit der Schauspielerin Petra Staduan geschrieben hat.

Portraitfoto Bernhard Eder

Nadine Schachinger

Über die warmen Orgelklänge und den swingenden Beat dieses in den 80igern beliebten Synthesizers entspinnt sich eine Geschichte über einen brennend heißen Sommer, der Asphalt zum Schmelzen und den Verkehr zum Erliegen bringt. Brücken drohen einzustürzen und Flugzeuge können nicht mehr starten. Im englisch-französischen Zwiegespräch sehnen sich zwei geografisch voneinander getrennte Liebende nach einander und befürchten, sich nie mehr wiedersehen zu können.

Eine gewisse Schwere hat auch das elegische Stück „Theme For Lulu“, das komplett ohne klassischen Rhythmus auskommt. Lediglich die pulsierenden Flächen bieten einen Anhaltspunkt für das langsame Tempo. Melancholische und gleichzeitig hoffnungsvoll flirrende Melodien bilden hier die einzige Basis für eine Reise nach Mexiko, um dem Trump-Mauer-Wahnsinn der Ausgrenzung zu entgehen.

Der letzte Tanz als neuer Anfang

„Reset“ ist ein unglaublich intensives Werk, ein zur musikalischen Essenz verdichtetes Experiment. Eine Neuerfindung, die immer wieder die Wurzeln der musikalischen Sozialisation aufblitzen lässt. In seiner Konsequenz, die Gitarre nur extrem sparsam einzusetzen und vermehrt auf die Stimme und die Liebe zu elektronischen Sounds zu setzen, machen dieses siebente Album zu einem Werk, das die Zeit überdauern wird. Es fällt in gewisser Weise aus dem Rahmen einer polierten Popwelt, die auf die kurze Aufmerksamkeitsspanne der Konsument*innen setzt. Denn Bernhard Eder verlangt durch diese acht wunderschönen, perfekt produzierten Songs auch von uns einen Reset unserer Erwartungshaltungen und Hörgewohnheiten. Sich Zeit nehmen und genau hinhören zahlt sich aus, denn die Klänge erhalten durch die Reduktion genug Platz und Raum, um sich zu entfalten und die dadurch erzeugte Stimmung wirkt gleich doppelt so intensiv, wie bei dem melancholischen Abschluss-Stück „The Last Dance“

Bernhard Eder lotet mit „Reset“ aus, wie weit er als Künstler gehen kann. Auch wenn eigentlich Songs für ein neues, eher in Richtung Singer/Songwriter gehendes Album fertig geschrieben sind, hat der Sänger und Musiker Gefallen an seinem neuen Selbst gefunden. Die Befreiung von der Gitarre und den alten Strukturen werden hoffentlich wohl erst der Anfang dieser neuen Reise gewesen sein und das lässt uns mit Spannung zurück, wohin das Experimentieren den sympathischen Künstler noch führen wird.

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