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Sebastian Kurz fragend

APA/HERBERT NEUBAUER

Regierungskrise: Wie geht’s jetzt weiter?

Nach dem Rücktritt von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und den angekündigten Neuwahlen sind viele Fragen über die nähere Zukunft offen? Wer wird Österreich bis Herbst regieren? Was kann man sich von den angekündigten Misstrauensabstimmungen erwarten? Innenpoliltikjournalistin Eva Linsinger liefert ihre Einschätzungen.

Heute werden zwischen Bundepräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die nächsten Schritte besprochen, wie es nach dem Ende der türkis-blauen Regierung in Österreich weitergeht. Die Innenpolitikjournalistin Eva Linsinger vom Magazin profil gibt uns ihre Einschätzung, was uns in den nächsten Tagen erwarten wird.

Steve Crilley: Kanzler Sebastian Kurz trifft heute Mittag Präsident Van der Bellen. Was glauben Sie, dass sich die beiden zu sagen haben?

Eva Linsinger: Ich glaube, dass es im Wesentlichen um die Frage gehen wird: „Wie geht es jetzt weiter?“ Sebastian Kurz will zumindest den freiheitlichen Innenminister entlassen. Die anderen FPÖ-Minister haben daraufhin angekündigt, dass sie dann die Regierung verlassen werden. D.h. die große Frage ist: „Wie und mit welchen Minister will Kanzler Sebastian Kurz weiterregieren?“. Es schwebt aber auch ein Misstrauensantrag im Raum. Wird der gegen die ganze Regierung gestellt oder gegen einzelne Minister, also kurz: Welche Regierung wird Österreich ab kommender Woche haben?

Es sind mehrere Misstrauensanträge angekündigt. Hat Kanzler Kurz eine Chance, eine Abstimmung bei einem Misstrauensantrag zu überstehen?

Natürlich hat er Chancen. Normalerweise ist ein Misstrauensantrag eine Routineangelegenheit, die Opposition stellt ihn, die Regierung schmettert ihn ab. So läuft das normalerweise. Wie das diesmal abläuft, das lässt natürlich vor allem die FPÖ offen. Sie sagt, es ist möglich, dass wir einen Misstrauensantrag unterstützen, es ist aber auch möglich, dass wir ihn nicht unterstützen. Das fällt natürlich alles in dieses Tauziehen, in diese strategischen Überlegungen hinein. Auf jeden Fall kann es sein, dass erstmals in der Geschichte der zweiten Republik gegenwärtig ein Misstrauensantrag Erfolg hätte und das würde bedeuten, dass der Bundespräsident die Aufgabe hätte, jemand anderen mit der Bildung einer Regierung zu beauftragen und das können dann entweder nur Experten oder erfahrene, angesehen Politiker oder solche, die schon lange in Politpension sein - auf jeden Fall niemand, der noch Ambitionen hat, eine politische Karriere zu machen. Das alles ist eine Situation, die Österreich in der Form noch nie erlebt hat, gerade auch deswegen gibt es sehr viele Gespräche beim Bundespräsidenten und das halte ich auch für gut so, dass ein ruhiger, besonnener Mann an der Spitze des Staates jetzt die Fäden in der Hand hat.

Was kann die Opposition mit einem Misstrauensantrag gewinnen, wenn sie die Regierung stürzt? Sollte sie nicht besser abwarten, was in den nächsten Tagen und Wochen passiert?

Das ist mir jetzt fast ein bisschen zu strategisch gedacht. Wenn man sich das Video noch einmal ins Gedächtnis ruft, das berühmte Ibiza-Video, dann kann man schon zur Meinung kommen, dass sich eine Partei derart moralisch diskreditiert hat, dass sie in Quarantäne und nicht in der Regierung sitzen soll. Wenn es jetzt also Bundeskanzler Kurz nicht gelingt, die freiheitlichen Minister durch andere Personen zu ersetzen, die in der Übergangsregierung Platz nehmen, dann kann man schon sagen, dass auch er sich ein wenig „vergambelt“ hat, weil so richtig ganz souverän schien mir sein Auftreten am Samstag nicht. Da schien mir auch ein wenig zu viel Strategie im Vordergrund zu sein und zu wenig Überlegung, wie man jetzt als Staatsmann in so etwas handeln soll, was zwar keine Staatskrise ist, aber einer Staatskrise näher kommt als alles, was Österreich bis jetzt erlebt hat.

Sie haben Kanzler Kurz’s Auftreten in den letzten Tagen intensiv verfolgt. Hat sich Kurz in seinem Auftreten mit den Geschehnissen verändert oder ist er seinem Stil treu geblieben?

Sein erster Auftritt am Samstag war weniger der Auftritt eines Bundeskanzlers, sondern der eines Wahlkampfleiters. Er ist mit seiner Regierungskrise in den Wahlkampf gehüpft. Seither wirkt es ein wenig so, als würde ihm dämmern, dass er sich ein wenig überdribbelt hat. Mit dieser Reaktion der FPÖ scheint er nicht gerechnet zu haben. Wie das jetzt weitergeht ist schwierig. Da kann natürlich auch eine Regierung auf den Kopf fallen, wie sie in den letzen eineinhalb Jahren mit der Opposition umgegangen ist. Wie im normalen Leben in normalen Beziehungen gibt’s auch in der Politik die Strategie des Gebens und Nehmens - und sehr pfleglich ist die Regierung in den vergangenen eineinhalb Jahren mit der Opposition nicht umgegangen. Das scheint sich jetzt ein wenig zu rächen.

Zum Abschluss: Wie geht’s jetzt mit der FPÖ weiter?

Sie bereiten die Rolle vor, die sie am allerbesten beherrschen, nämlich die Opferrolle. Heinz-Christian Strache hat über Facebook schon angekündigt, er wird seine Unschuld beweisen. Er wird versuchen, zurückzuschlagen und sich in der Rolle des Opfers stilisieren. Das kann die FPÖ gut, darin hat sie jahrzehntelange Übung. Der Wahlkampfslogan „Jetzt erst recht!“ passt auch dazu. Das scheint alles auf die Strategie ausgelegt zu sein, diese alte, in vielen Wahlkämpfen seit Jörg Haider immer wieder variierte Nummer „Wir sind für euch, weil sie gegen ihn sind“, sich als Outsider am Rande des Establishments stehende zu positionieren und zu etablieren - ehrlicherweise, das ist im Moment die einzige Rolle, die der FPÖ nach diesem desaströsen Video übrig bleibt.

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