Analyse der EU-Wahlplakate
Von Lena Raffetseder
Wahlplakate machen Parteien im öffentlichen Raum sichtbar und werden durch Social Media nicht verdrängt, sagt die Politikwissenschafterin Karin Liebhart von der Universität Wien: „Am besten funktionieren Wahlkämpfe, wenn man sie ‚crossmedia‘ führt: wenn ich eine Geschichte über verschiedene Medien erzählen kann.“ Parteien überzeugen uns mit ihren Plakaten natürlich nicht, unsere Stimme für sie abzugeben. Plakate sollen Bürgerinnen und Bürger animieren, zur Wahl zu gehen.
Zweischneidige ÖVP-Linie auch am Plakat
Zwei Dinge gehen für Liebhart aus den ÖVP-Wahlplakaten hervor: ein Wahlkampf, der in zwei Richtungen geht und ein Vorzugsstimmen-Wahlkampf der Listenzweiten Karoline Edtstadler. Der Spitzenkandidat Othmar Karas wird als Europa-Profi plakatiert, Edtstadler als „starke Frau“. „Es spiegelt ganz gut diese zweischneidige Linie wieder. Und damit kann ich Wähler, die Europa-kritisch und proeuropäisch sind ansprechen, weil ich hab für jeden was.“ Auffallend auch, dass das Feld für die Vorzugsstimme nur bei Edtstadler angekreuzt ist. Bestimmt kein Zufall, ist sich Liebhart sicher.

APA/ Roland Schlager
Roter Appell an Wählerinnen und Wähler
Die SPÖ plakatiert in der ersten Welle Fotografien: eine junge Frau mit einem Paket, zwei Frauen die sich umarmen, ein Mädchen mit Europafahne. Was sich durchzieht, sind Slogans, die Alternativen präsentieren. Karin Liebhart, Expertin für visuelle Kommunikation, findet einen Aspekt daran interessant: „Der Spitzenkandidat Andreas Schieder gibt in späteren Wellen teilweise die Antwort, aber die Antworten sollen auch die Bürger und Bürgerinnen geben. Weil die Botschaft ist ja: Europa braucht Ihre Antwort.“ Ein Aktivierungsappell also.
Die SPÖ ist in diesem Wahlkampf die einzige Partei, die ihren Spitzenkandidaten mit Menschen aus der Bevölkerung abbildet. Ein sehr häufiger Bildtypus. Ob das authentisch rüberkommt, dazu müsste man aber Wählerinnen und Wähler befragen.
Die FPÖ-Plakate nach „Ibiza“
Die FPÖ reimt wieder und auch sonst sieht die Expertin in Bildstrategie und Wahlkampfthema wenig Neues: „Man weiß, dass es bei ‚Schützen was wir lieben‘, um das Schützen vor der Migration geht, weil das ist FPÖ Thema, nicht erst seit vorgestern.“

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„Jetzt erst recht,“ hat der nun ehemalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache am Tag nach seinem Rücktritt auf seiner Facebook-Seite gepostet. Praktisch, dass dieser Slogan auf der zweiten Plakatwelle – die Spitzenkandidat Harald Vilimsky und Ex-Parteichef Strache zeigt – auch präsentiert wurde. Wenigstens hier muss man nicht spontan nachbessern.
Die Grünen warnen vor Bedrohungsszenarien
Knallige Farben, dunkel-düstere Hintergrundbilder und rhetorische Fragen: „Wer braucht schon gesundes Essen. Du?“ Die Grünen fragen direkt die Betrachterinnen und Betrachter ihrer Plakate.

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Dass die Fragen missverstanden werden könnten, glaubt Liebhart nicht: „Es gibt ja auch den Slogan ‚Zurück zu den Grünen‘ und ich denk das ist die Hauptstrategie: Die Wählerinnen und Wähler, die man verloren hat in den letzten Wahlkämpfen, zurückzuholen. Und die verstehen diese Botschaften.“ Der Spitzenkandidat Werner Kogler und die Listenzweite Sarah Wiener sind nur auf einem Plakat der Serie zu sehen. Das soll symbolisieren: hier geht es in erster Linie um Themen. Und diese Themen sind klassische grüne Anliegen.
Pinke Wortwitze
Neos spielen auf ihren Plakaten auf ironische Weise damit, dass Claudia Gamon die einzige Spitzenkandidatin ist: „So meine Herren, Europa,“ heißt es etwa. Auch Parteichefin Beate Meinl-Reisinger und Abgeordnete Irmgard Griss werden plakatiert.

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Die Politologin Liebhart findet vor allem dieses Motiv spannend: „Ich würde es so lesen: Europa braucht Gemeinsamkeit, gemeinsames Tun, gemeinsames Handeln und dieses Handeln werden die Frauen machen.“ Auch die Wortspiele sollen klar machen: wir sind anders als die anderen. Und sie zeigen: Europa kann Spaß machen, zumindest ist das eine Deutung der Expertin.
1 Europa, 1 „Wahlplakat“
Die Liste rund um Spitzenkandidat Johannes Voggenhuber plakatiert nicht. Nur in einer fiktiven Plakatpräsentation hat die Liste ein „Plakat“ präsentiert.

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Politologin Karin Liebhart ist ratlos: „Das Problem ist, dass man überhaupt in der politischen Kommunikation nicht wahnsinnig viel sieht von denen. Abgesehen von den Fernsehauftritten des Kandidaten Voggenhuber.“
Publiziert am 21.05.2019