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Bildschirmfoto aus "Fantastic Fetus"

Thomas Feichtmeir, Team Fantastic Fetus

Strengere Abtreibungsgesetze: Ein Game regt zur Diskussion an

Das aktivistische Computerspiel „Fantastic Fetus“ will auf die strengen Abtreibungsgesetze in Polen und darüber hinaus aufmerksam machen. Wir haben mit der Gamedesignerin Aleksandra Jarosz gesprochen.

Von Robert Glashüttner

Eine Woche ist es nun her, dass im US-Bundesstaat Alabama ein neues Gesetz beschlossen worden ist, das Abtreibung illegal macht. Die einzigen Ausnahmen davon sind, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist oder der Fötus eine unheilbare Krankheit hat. Das neue Gesetz ist hochumstritten, sogar dem erzkonservativen US-Präsidenten Trump geht es zu weit.

Debatte um Spätabtreibungen: Wer entscheidet über meinen Bauch?

Auch in Österreich ist die Abtreibungsdebatte neu entfacht. Die Initiative #fairändern setzt sich darin für eine Verschärfung der aktuellen Bestimmungen ein, wogegen sich die Initiative #keinenmillimeter wehrt und es als Angriff auf die Fristenlösung deutet. Mehr dazu hier.

Auch in einigen europäischen Ländern gibt es strenge Abtreibungsgesetze. Besonders heftig ist es in Polen, wo der Schwangerschaftsabbruch seit 1993 mit wenigen Ausnahmen verboten ist. 2016 hätte das Gesetz nochmal verschärft werden sollen, doch eine starke Bürgerbewegung namens Czarny Protest (Schwarzer Protest) konnte das gerade noch verhindern. Wäre das nicht gelungen, wäre es nun nicht möglich, eine Schwangerschaft selbst dann abzubrechen, wenn bereits klar ist, dass der Fötus eine schwere, unheilbare Krankheit hat.

Durch die Schwangerschaft führen

Ein aktuelles österreichisch-polnisches Game beschäftigt sich mit diesem gesellschaftspolitisch stark umkämpften Thema. In „Fantastic Fetus“, gestaltet von der Gamedesignerin Aleksandra Jarosz und entwickelt von einem dreiköpfigen Team österreichischer Indiegames-Entwickler, füttern, hegen und pflegen wir unsere Spielfigur durch eine Schwangerschaft.

Die Grafik ist fröhlich und knuffig, und das ganze Spiel strahlt zunächst eine positiv-lockere Stimmung aus. Ein Kind zu bekommen ist ja prinzipiell auch eine fantastische Sache. Doch nach 10-20 Minuten, nachdem wir uns durch die neun Monate geklickt haben, erfolgt nach der virtuellen Geburt der Schock.

Schwer krank seit Geburt, nicht lebensfähig

„People start the game thinking that this will be some funny, crazy game. In the end, it is a little shock therapy - a soft punch, I would say. Some players react really heavily. One guy was super excited and in the end he was almost crying because he wanted to be happy and wanted his baby back. But I think after that experience he started to think about it.“ - Gamedesignerin Aleksandra Jarosz

„Fantastic Fetus“ ist frei im Browser spielbar.

Darüber nachdenken, was ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen für die betroffenen Frauen bedeutet, das ist die Kernbotschaft, die „Fantastic Fetus“ mit dem düster-schockierenden Ende jeder Partie zum Ausdruck bringen möchte. Stimmt, das ist eine Holzhammermethode, doch manchmal schafft man nur so Aufmerksamkeit und bringt Menschen – in dem Fall vor allem Männer – dazu, sich mit einem relevanten Thema auseinanderzusetzen. Im Intro stellt das Spiel auch klar, dass es hier darum geht, die weibliche Perspektive zu durchleben, obwohl diese selbstverständlich stark simplifiziert und mit Videospiel-typischen Elementen stilisiert ist.

Hoher gesellschaftlicher Druck

Beim Thema Schwangerschaftsabbruch geht es nicht nur um die juristische Frage, ob Abtreibungen in einem Land gesetzlich erlaubt sind, bzw. unter welchen Umständen. Mindestens ebenso wichtig ist das jeweilige gesellschaftliche Klima. In Polen, so Aleksandra Jarosz, würden Frauen im EU-Vergleich besonders stark unter Druck stehen. Wer dort eine Schwangerschaft abtreiben möchte und genug Geld hat, fährt dafür so gut wie immer ins Ausland.

Aleksandra Jarosz

Aleksandra Jarosz

Aleksandra Janosz

„With ‚Fantastic Fetus‘, we don’t want to provoke people, we want to provoke discussion. Even if we don’t have these very strict laws just yet, we have a lot of problems connected with that topic in Poland. Abortion is still heavily debated in many countries. Women are afraid to be judged and to be excluded from the community. Sometimes doctors refuse to help or just send them elsewhere. It’s really not that easy.“

Stark umstrittene Debatte

„Fantastic Fetus“ ist ein kontroversielles Spiel, und das soll es auch sein. Das Entwicklerteam, allen voran Aleksandra Jarosz, stellt sich on- und offline der Diskussion mit den Spielerinnen und Spielern, sofern diese nicht aggressiv auf sie losgehen. Darauf zu hoffen, nicht selbst zur Zielscheibe zu werden, wenn man so ein Spiel bzw. politisches Statement in die öffentliche Debatte einbringt, wäre jedoch naiv, so die Designerin im FM4-Interview.

Bildschirmfoto aus "Fantastic Fetus"

Thomas Feichtmeir, Team Fantastic Fetus

Auch in Österreich ist vor ein paar Wochen wieder über die gesetzlichen Regelungen zu Schwangerschaftsabbrüchen diskutiert worden. Die Kampagne #fairändern regt an, die sogenannte eugenische Indikation abzuschaffen, nach der es - zumindest theoretisch - straffrei möglich ist, ein schwerbehindertes Ungeborenes bis einen Tag vor der Geburt abzutreiben. In der Praxis wird dieser Eingriff äußerst selten in Erwägung gezogen, und selbst dann weigern sich Ärzt*innen mitunter, so eine Operation durchzuführen. Die Reaktion auf diesen Vorstoß war kurz danach die Kampagne #keinenmillimeter, die darauf pocht, dass die Fristenlösung nicht verwässert werden darf und Frauen und ihre Entscheidungen nicht zum Spielball gesellschaftspolitischer Befindlichkeiten werden dürfen.

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