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Eins Szene aus dem belastenden "Ibiza - Videos" in der Causa Strache , das dem Spiegel und der Süddeutschen Zeitung zugespielt wurde, aufgenommen am Samstag, 18. Mai 2019

APA/SPIEGEL/SÜDDEUTSCHE ZEITUNG/HARALD SCHNEIDER

Geheimdienstexperte schließt westliche Dienste hinter #Ibizagate aus

Der Geheimdienstexperte Leo Martin gibt seine Einschätzungen zu den veröffentlichten Videos aus Ibiza und den Spekulationen über die Hintergründe.

Von Paul Pant

Leo Martin, Geheimagent, Trainer und Bestsellerautor („Ich krieg dich!“). Was er über sich Preis gibt in der Öffentlichkeit: Er hat Kriminalistik studiert, nach einer Polizei-Ausbildung hat er ein Jahrzehnt als Operateur beim deutschen Verfassungsschutz gearbeitet, mit dem Auftrag Informantinnen und Informanten aus der organisierten Kriminalität anzuwerben, so genannte V-Männer, also Vertrauensmänner.

Das ist alles Geschichte. Jetzt ist Leo Martin wohl der schillerndste Ex-Agent der deutschen Medienwelt. Da Leo Martin gerade wegen Vortragstätigkeiten in Wien ist, haben wir ihn gebeten, uns seine Einschätzungen zum aktuellen Ibiza-Skandal und die Verschwörungstheorien dahinter, über Geheimdienste und „honey traps“ zu geben.

Leo Martin

Leo Martin

Leo Martin ist übrigens ein Pseudonym, auch eingetragen in seinem Reisepass. Seinen echten Namen versucht der 42-Jährige geheim zu halten. Ein Interview mit der Süddeutsche Zeitung trägt den Titel „Ich bin die Bildzeitung unter den Ex-Agenten“. Nach der Agenten-Karriere ist Leo Martin nämlich aus dem Schatten ins Rampenlicht getreten und hat eine steile Medienkarriere im deutschen Privatfernsehen gemacht. In seinen Büchern vermittelt er niederschwellig und sehr erfolgreich sein Geheimdienst-Know-How. Er sagt über sich selbst: „er lebt ganz gut davon unterschätzt zu werden“.

Paul Pant: Was war Ihr erster Eindruck, als Sie das Video gesehen haben, das den ehemaligen österreichischen Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) bei der Anbahnung von zweifelhaften Geschäften mit einer vermeintlichen russischen Oligarchin zeigt?

Leo Martin: Mein erster Eindruck war: Jetzt wird’s gleich rundgehen in Österreich, und es wird wahrscheinlich nicht nur zwei Tage oder zwei Wochen Thema sein, sondern mal ein Quartal. Das ist natürlich dramatisch. Dramatisch sind zwei Dinge: Das, was das Video zu Tage gefördert hat, eine scheinbar käufliche Politik, die bereit ist an extreme Grenzen zu gehen - wenn man es überhaupt noch Grenzen nennen möchte. Was aber auch genauso dramatisch ist, ist die Art und Weise wie eine Falle gestellt worden ist. Der Schutz der Wohnung, der Privatsphäre ist ein Rechtsgut, auf das ich vertrauen muss, wenn ich Freiheiten, Demokratie, unsere Werte hier im westlichen Sinn leben möchte. Die Gesellschaft, in der es keine Privatsphäre mehr gibt, die funktioniert nicht, und darum sind es Rechtsgüter, die zurecht hoch aufgehängt sind, und nicht einmal wir als Agenten können hier vogelwild rumoperieren und heimlich in Wohnungen und Privaträume hineinhören und dort filmen. Es sind hohe rechtliche Hürden, da brauch ich einen Richtervorbehalt oder die parlamentarische Kontrollkommission und zwar zurecht.

Das heißt ein Geheimdienst, ein Nachrichtendienst würde kaum so vorgehen und das Material auch noch an die Öffentlichkeit spielen?

Geheimdienste würden so vorgehen, aber innerhalber enger gesetzlicher Grenzen. D.h. westliche Geheimdienste, die operieren ja nicht vogelwild im rechtsfreien Raum umher, sondern es gibt einen gesetzlichen Auftrag und es ist ganz klar, was wir dürfen und was nicht. Weder in Österreich noch in Deutschland ist beispielsweise die Wirtschaftsspionage erlaubt, auch dürfen die Geheimdienste nicht instrumentalisiert werden, um politische Entscheider entweder in den Vordergrund zu rücken oder sie in den Hintergrund zu drängen. Es geht um die Abwehr von Linksextremismus, Rechtsextremismus, „Ausländerterrorismus"(Anmerkung der Redaktion: mit dem Begriff ist der vom deutschen Verfassungsschutz verwendete Ausländerextremismus gemeint) und der organisierten Kriminalität in vielen Fällen, nicht mehr und nicht weniger.

Können Sie sich vorstellen, wie in vielen Foren vermutet wird, dass ein europäischer Geheimdienst so etwas über Strohmänner in Auftrag gibt, dass irgendein Interesse dahinter stehen könnte?

Dass ein westlicher Geheimdienst hinter dieser Operation steht, das halte ich für absolut unwahrscheinlich. Ich persönlich halte es für ausgeschlossen. Es kann nicht sein, dass ein Land in unserer Wertegesellschaft, in der wir hier alle leben, im Westen, ein anderes Land auf diese Weise angreift.

Bei anderen Geheimdiensten, die diese Werte nicht teilen, z.B. die russischen Geheimdienste, da wäre eine Operation in diesem Ausmaß, in dieser Zielrichtung rein theoretisch denkbar, aber auch hier haben die letzten Jahre gezeigt, dass die eher auf Social Media setzen und online das Land für sich gewinnen. Und die würden auch eher die liberalen Kräfte anschießen und versuchen klein zu halten, und nicht wie hier die extrem Konservativen mit Nähe zum rechten Rand.

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Das ganze Interview als Podcast gibt es hier.

Eine der Spuren zum Video, der viele Medien nachgehen, ist eine Münchner und Wiener Detektei. Man spricht von 600.000 Euro, die für dieses Video verwendet worden seien. Ist das für Sie plausibel?

Allein, wenn ich das Videomaterial sehe, sehe ich da keine 600.000 Euro-Produktion. Ich sehe da eine 25-30.000 Euro-Produktion. Ich sehe eine Kamera, eine Perspektive. Wir wissen aktuell nicht, was das außen rum passiert ist. Wenn da Kosten von 600.000 Euro entstanden sein sollten - und das sind nur Mutmaßungen -, dann hätte hier jemand ordentlich verdient. Also um so eine Falle zu stellen, sind keine größeren Kosten notwendig. Was du brauchst ist ein Grundwissen zum Thema Legendenbildung, d.h. die Geschichte, die erzählt wird zum Anlocken muss so stimmig, so plausibel sein, dass sie mindestens einer ersten, im Optimalfall sogar einer zweiten Überprüfung standhält.

Bei den Geheimdiensten gibt es dafür eine Devise, die lautet: Die beste Legende ist diese, die am dichtesten an der Wahrheit ist, weil da Lügen weniger aufplatzen, es mir leichter gelingt, sie glaubhaft zu leben. D.h. es wird eine real existierende Konstruktion als Vorlage verwendet worden sein und man hat links oder rechts mit zusätzlichen Informationen angedockt, um ein Bild zu erzeugen, das den Herrn Strache dann hat stolpern lassen.

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