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Buchcover "Frühlingserwachen"

S. Fischer Verlag

Isabelle Lehn: Frühlingserwachen

„Liebes GMX, bitte frag mal für mich: Wann ist man zu alt, um sich zu jung für ein Kind zu fühlen?“ Isabelle Lehn schafft mit "Frühlingserwachen“ ein gelungenes Generationenbild, ein Abbild unserer Zeit, ein ungeschöntes und deswegen schönes Portrait einer Frau Mitte dreißig.

Von Zita Bereuter

„Ich klicke mich so durch. Die Tage ziehen an mir vorbei. Ich checke meine Mails und weiß nicht genau, wonach ich suche. Vielleicht wartet das Glück ja im Spamverdacht.“

Es ist Frühling und damit die deprimierendste Jahreszeit für die Protagonistin Isabelle Lehn. Sie ist Autorin, Mitte dreißig und nach einem erfolgreichen Debüt werkelt sie mühsam am zweiten Buch. Zu ihrer Schreibblockade kommt, dass sie depressiv und deswegen auf Tabletten ist. Zusätzlich erwartet ihre Umgebung, dass sie doch bald ein Kind kriegen sollte.

Autorin Isabelle Lehn

A. Sophron

Isabelle Lehn ist Dozentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Aus ihrem mehrfach ausgezeichneten Debüt „Binde zwei Vögel zusammen“ hat sie 2016 auch beim Wettlesen um den Ingeborg Bachmannpreis teilgenommen.

Dieses Leben ist auch dem der Autorin Isabelle Lehn „nicht ganz unähnlich“, erklärt diese im Interview. „Ich wollte über eine weibliche Figur schreiben, die sehr direkt ist, die sehr glaubwürdig und authentisch ist. Die sich mit Themen herumschlägt, die in meinem Leben eine Rolle spielen, im Leben meiner Freunde eine Rolle spielen. Die sich einfach Gedanken macht und es sich vielleicht auch irgendwie schwer macht. Die ist in einem Punkt in ihrem Leben, wo sie nicht genau weiß, wo alles mal hinführen soll. Wer sie überhaupt ist. Was sie will. Es fällt ihr schwer, Antworten darauf zu finden.“

Hilfe sucht die Protagonistin bei einem Therapeuten.

„Ich frage ihn trotzdem: Wohin soll der Abstieg führen, wenn schon das Gipfelkreuz in einer Ebene steht? Es gibt nur eine logische Antwort: ins Wasser oder unter die Erde. Jetzt lacht er nicht mehr, endlich verstehen wir uns: Ich bin nicht suizidal. Ich bin bloß gut in Metaphysik.“

So viel muss immer klar sein: autobiographisch ist das nicht.
„Alle Dialoge in diesem Buch sind erfunden. Alle Gedanken in diesem Buch sind erdacht. Der Sex in diesem Buch ist phantastisch.“

Buchcover des Buches "Frühlingserwachen"

S. Fischer Verlag

Der Roman „Frühlingserwachen“ von Isabelle Lehn ist im S. Fischer Verlag erschienen.

Beobachtungen und Alltagsmomente

Das ist voller Ironie, scharf beobachtet und schlau konstruiert. Isabelle Lehn lacht. „Das klingt so schlau. Aber irgendwie ist dieses Buch mir zugestoßen.“ Sie habe immer eines ihrer vielen Notizbücher dabei und beschreibt umgehend Beobachtungen und Alltagsmomente. Das sei fast ein asoziales Verhalten. "Man muss sich dann so rausziehen aus der Situation und sagen ‚Moment, sprich mich bitte nicht an. Ich brauch jetzt den Moment, um das zu notieren.’“

Anhand dieser kurzen Passagen hat sie den Roman aufgebaut. Die Lesenden sind so beim Erlebten der Autorin, bei ihrem Schreiben des Buches und bei den Reaktionen auf das Geschriebene. Das klingt kompliziert, ist aber äußerst unterhaltsam ohne oberflächlich zu werden.

Großartig ist auch der ehrliche Einblick in den Literaturbetrieb. Das gespannte Warten auf E-Mails oder Anrufe, Schreibblockaden, der Druck, wenn man einen Verlag hat und Stoff liefern soll, die ständigen Vergleiche mit anderen und die mühsamen Fragen bei Interviews oder Lesungen. Neid, Freude und Eifersucht reichen sich die Hände.

Isabelle Lehn schafft minimale Momentaufnahmen, die große Tragödien in sich bergen. Mit „Frühlingserwachen“ zeichnet sie ein gelungenes Generationenbild, eine Darstellung unserer Zeit, ein ungeschöntes und deswegen schönes Portrait einer Frau Mitte dreißig. „Eigentlich ist das eine ziemlich verkorkste Persönlichkeit, über die ich da geschrieben hab. Die aber kein Blatt vor den Mund nimmt und sehr selbstironisch auf ihre Krisen guckt. Und das macht sie mir dann doch sympathisch und hat großen Spaß gemacht.“

Großen Spaß hat man auch beim Lesen. Egal in welcher Jahreszeit.

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