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„Freie Stücke“: Über die Bedeutung des Wortes „Ja“

Das Missy Magazin hat zu seinem 10. Geburtstag 15 Autorinnen eingeladen, um sich in Kurzgeschichten mit dem Begriff „Consent“ auseinanderzusetzen. So ist der multiperspektivische Erzählband „Freie Stücke – Geschichten über Selbstbestimmung“ entstanden.

Von Anna Katharina Laggner

Die in Berlin lebende Linzerin Anna Mayrhauser ist seit März 2018 Chefredakteurin des Missy Magazin. Zusammen mit Sonja Eismann hat sie das Buchprojekt auf die Beine gestellt. Eine beißende Satire über Liebe versus Sex versus Sprache steht darin neben einem im klassischen Präteritum erzählten Verrat. Eine distanziert-analytische Betrachtung über das Zwischenmenschliche am Arbeitsplatz steht neben einer dialoglastigen Beziehungs(ende)geschichte. Sätze wie eine Gewehrsalve neben Stillbusen-Befindlichkeit.

Anna Mayrhauser, Chefredakteurin des Missy Magazin

Patricia Bonaudo

Die in Berlin lebende Linzerin Anna Mayrhauser ist seit März 2018 Chefredakteurin des Missy Magazin.

Consent ist nicht gleich Consent

Die erzählerischen Mittel und sprachlichen Stile sind, das liegt in der Natur so einer Geschichtensammlung, sehr unterschiedlich. Anke Stelling, Nadine Kegele, Kathrin Röggla, Denice Bourbon, Rabab Haider – sämtliche Autor*innen gießen ihre Geschichten in ihre eigene Form, eh klar. Doch auch die Herangehensweisen sind so vielschichtig wie die Bedeutung des Wortes Consent, eines Themas, „das nach wie vor aktuelle feministische Debatten befeuert“, wie Anna Mayrhauser und Sonja Eismann im Vorwort von „Freie Stücke“ schreiben.

Consent habe mit Respekt, Empathie und Miteinander reden zu tun, sagt Anna Mayrhauser. Es gehe darum, „gemeinsam eine Utopie zu finden, in der sich alle Beteiligten wohlfühlen und nicht in die Selbstbestimmung von jemandem anderen eingreifen“, sagt Anna Mayrhauser. Ooft werde Konsens nur als gegenseitiges Einverständnis gelesen, was aber noch lange nicht bedeutet, dass dem Einverständnis auch eine Gleichstellung innewohnt. Eine Gleichstellung, die meint, dass das Ja von jeder Person gleich schwer wiegt. Das ist der Kern dieser Debatte.

Voraussetzung für Gleichstellung ist Selbstbestimmung, etwas, das der Feminismus seit jeher fordert, etwas, das aber auch ein Auftrag an die eigene Person ist. „Natürlich ist Selbstbestimmung eine Forderung von emanzipatorischen Bewegungen. Und wenn es, wie in diesem Buch, um diesen Begriff Consent geht, ist es nach wie vor sehr schwierig, darüber zu sprechen,“ sagt Anna Mayrhauser. Aber warum ist es so schwierig, darüber zu sprechen, dass alle an einer Beziehung beteiligten Personen mit den gesetzten Handlungen einverstanden sein müssen?

Einverständnis und Gleichstellung

Darauf gibt dieser Sammelband zumindest teilweise Antworten und deutet an, wie unzulänglich die Sprache in Bezug auf emotionale, den Körper und die Seele betreffende Zustände und Vorgänge ist. „Unvermeidbar“ schreibt Denice Bourbon (die in ihrer Geschichte einen Vergleich zwischen Steinzeitwerkzeugen und angewandter sexueller Befriedigung bringt, der das Witzigste ist, was je zum Thema Konsens geschrieben wurde), „dass wir am Ende wieder beim Sex landen“.

Buchcover Freie Stücke

Nautilus

Der multiperspektivische Erzählband „Freie Stücke – Geschichten über Selbstbestimmung“ ist im Edition Nautilus Verlag erschienen.

In diesem Zusammenhang gibt es den notorischen Vorwurf an „die Feministinnen“ (wer soll das sein?), sie seien Lustverweigerungsemanzen, die durch ihre Forderungen die Sexualität und die Erotik reglementieren, ihr den Spaß, die Freiheit, die Spontaneität nehmen wollen. Besondere Bestürzung hat in diesem Zusammenhang der in Gleichberechtigungsfragen avantgardistische schwedische Staat ausgelöst, der Konsens als Voraussetzung für Sex auch gesetzlich verankert hat. Weinstein und #metoo folgte dann die Befürchtung, gegenseitiges Einverständnis sei sowieso der Sargnagel knisternder Erotik. Dem folgte dann ein Aufschrei von Catherine Deneuve und ihresgleichen aus Frankreich. (Hier das Original auf Französisch.)

„Das ist nicht das Bild, das ich von Sexualität habe,“ sagt Anna Mayrhauser. Sexualität wäre technisch unmöglich, wenn jede einzelne Berührung ein deutliches Ja zur Voraussetzung hätte (eine Absurdität, die ebenfalls Denice Bourbon in ihrer Geschichte auf die Spitze treibt), aber: „Ich glaube, wenn man ein Bild von Sexualität hat, das darin besteht, dass es keinen Spaß macht, wenn Einverständnis herrscht, dann ist das keine lustvolle Sexualität“.

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