FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Manga "Meine lesbischen Erfahrungen mit Einsamkeit"

Carlsen Verlag GmbH

Einsamkeit auf Japanisch: Ein Manga von Kabi Nagata

Der Manga „Meine lesbische Erfahrung mit Einsamkeit“ beschäftigt sich auf ungeschönte Weise mit dem Alltag einer depressiven Anti-Heldin.

Von Michaela Pichler

„Tengaikodoku“ (天涯孤独) heißt im Japanischen „vollkommene Einsamkeit“ und beschreibt den Zustand in Kabi Nagatas autobiografischen Manga ziemlich genau: In „Meine lesbische Erfahrung mit Einsamkeit“ leidet die junge Protagonistin unter autoagressivem Verhalten, Depressionen und Suizidgedanken. Ihre Arme sind übersät mit Narben, vom vielen Haare Ausreisen sind kahle Stellen auf ihrer Kopfhaut zu sehen. Sie verweigert ihrem Körper Essen oder versucht mit nächtlichen Fressattacken, ihren Heißhunger und Kummer zu stillen.

Manga "Meine lesbischen Erfahrungen mit Einsamkeit"

Carlsen Verlag GmbH

Die deutsche Erstauflage von „Meine lesbische Erfahrung mit Einsamkeit“ ist im März via Carlsen Manga erschienen und wurde von Nadja Gravert-Stutterheim ins Deutsche übersetzt.

Immer wieder versucht die Ich-Erzählerin, ihrer Depression zu entkommen und zwingt sich in Alltagssituationen, die sie schließlich aber doch nicht bewältigen kann. So wechselt sie einen Aushilfsjob nach dem nächsten, geplagt von den Erwartungen ihrer Eltern – und scheitert immer wieder. Irgendwann schafft sie es nicht mehr, ihre Wohnung zu verlassen oder Anrufe zu beantworten. Die Leserin und der Leser begleiten die Protagonistin in diesen Jahren der psychischen Krankheit, bis ihr schließlich zwei ungewöhnliche Ereignisse aus der Krise helfen: Ein Treffen mit einer Sex-Arbeiterin und die Veröffentlichung ihres ersten Mangas.

Die Anti-Heldin dokumentiert in den Manga-Zeichnungen ihren einsamen Alltag und ihr lesbisches Coming-Out. Für ihr erstes Mal bucht sie eine Sex-Arbeiterin über eine App. Das Treffen in einem „Love-Hotel“ verhilft der Protagonistin zu mehr Selbstakzeptanz und zum Eingeständnis ihrer eigenen Sexualität. Als Manga-Künstlerin dokumentiert sie diesen Weg der Selbstfindung.

Virales Identifikationspotential

Kabi Nagata hat mit ihrem autobiografischen Manga „Meine lesbische Erfahrung mit Einsamkeit“ einen viralen Nerv getroffen: Die Internet-Foren sind voll von Usern, die sich mit Nagata und ihrer Coming-Out-Geschichte über Einsamkeit identifizieren. In ihrer Erzählstruktur wird der Manga wie ein innerer Monolog, der Nagatas tiefste Gedanken in Bild und Text verwandelt. Die Identität der Autorin ist bis heute allerdings anonym.

„Es war, als würde ich aus einer riesigen Höhle wieder ins Freie gelangen. Als wäre mein neues Ich erwacht.“

Der Erfolg ist aber nicht nur der Geschichte selbst geschuldet: Kabi Nagata fängt in pastelligen Rosa-Tönen, Grau und Schwarz das Gefühl von Isolation perfekt ein - in Bildern vom psychischen Abgrund, an dem die Ich-Erzählerin immer wieder steht; oder in Abbildungen der inneren Stimmen, die ihr Selbstwertgefühl fressen. Sprachlich ist die Autobiographie anfangs etwas gewöhnungsbedürftig: Durch die Übersetzung vom Japanischen ins Deutsche wirken die Dialoge und Monologe beim ersten Eindruck etwas theatralisch. In Kombination mit Nagatas Geschichte ist es aber die genau richtige Portion an Dramatik.

Manga "Meine lesbischen Erfahrungen mit Einsamkeit"

Carlsen Verlag

Diskutiere mit!

mehr Buch:

Aktuell: