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Yusra Mardini beim Gespräch mit Elisabeth Scharang

Elisabeth Scharang

doppelzimmer

Die unglaubliche Geschichte der syrischen Schwimmerin Yusra Mardini

Im FM4 Doppelzimmer ein Gespräch mit Yusra Mardini, die 2015 im Alter von 17 Jahren mit ihrer Schwester die lebensgefährliche Flucht von Damaskus nach Berlin unternommen hat und ein Jahr später ihren großen Traum wahrmachte: Als Schwimmerin bei der Olympiade teilzunehmen.

Von Elisabeth Scharang

Das FM4 Doppelzimmmer mit Yusra Mardini läuft am Donnerstag, 30.5.2019, von 13.00 bis 15.00 auf FM4.

Danach gibt es das Gespräch mit Elisabeth Scharang noch 7 Tage zum Nachhören in unserem Player, sowie als FM4 Podcast.

Ich fliege nach Hamburg, um Yusra Mardini zu treffen, wo sie seit ein paar Monaten lebt, um sich für die Olympiade in Tokio 2020 vorzubereiten. Vor einem Jahr habe ich das erste Mal über Yusra in einer deutschen Zeitung gelesen, eigentlich ging es damals mehr um ihre Schwester Sara, die in Griechenland festgenommen und inhaftiert wurde, weil man ihr Menschenhandel vorgeworfen hat. In den internationalen Medien hat die Geschichte der beiden Schwestern Mardini bereits 2016 große Aufmerksamkeit erlangt. Als klar war, dass Yusra für das Refugee Team bei der Olympiade in Rio antreten wird, ist die Geschichte ihrer Flucht von Syrien nach Berlin durch alle Medien gegangen. Warum sie in Österreich nur am Rande vorkam, weiß ich nicht. Jedenfalls habe ich zu recherchieren begonnen, nachdem ich die Nachricht von Saras Verhaftung las.

Eine junge Syrerin überlebt knapp die Überfahrt von der Türkei nach Griechenland in einem überfüllten Schlauchboot, in dem sie sich gemeinsam mit ihrer Schwester Yusra ins Wasser lässt und das Boot mit einem defekten Motor dreieinhalb Stunden im offenen Meer stabilisiert und vor dem Kentern rettet. Sie schafft es nach Berlin, sie geht schließlich wieder zurück nach Lesbos, um als Übersetzerin für NGOs zu helfen und landet schließlich mit dem Vorwurf des Menschenhandels im Gefängnis. Bei genauem Nachlesen haben sich offenbar die Beweise der Behörden in Grenzen gehalten. Sara durfte gegen eine Kaution von 5.000,- Euro und viel Unterstützung internationaler NGOs Ende letzten Jahres nach Deutschland zurück, studiert seither in Berlin und wartet auf den Prozess.

Yusra Mardini beim Gespräch mit Elisabeth Scharang

Elisabeth Scharang

Bei Saras jüngerer Schwester Yusra lief es ganz anders. Sie hat recht schnell, nachdem die Schwestern nach ihrer Flucht vor dem Bürgerkrieg in Berlin gelandet sind, Kontakt zum Schwimmverein Spandau bekommen und dort ein neues zu Hause gefunden.Und sie hat ihre ganze Energie ihrem großen Ziel gewidmet: Als Schwimmerin bei der Olympiade teilzunehmen. Yusra und Sara wurden seit sie ganz klein sind von ihrem Vater trainiert, dessen Job als Schwimmtrainer das Leben der ganzen Familie bestimmt hat. Während Sara irgendwann andere Interessen entwickelt hat und wegen großer Schulterschmerzen das Schwimmen schließlich aufgegeben musste, ist Yusra auch während des Krieges noch zum Training gegangen. Bis zu dem Tag, als eine Bombe durch das Dach der Schwimmhalle in Damaskus krachte und im Becken liegenblieb. Wäre sie explodiert, dann wäre Yusra heute nicht mehr am Leben.

„Weißt du, nach vier Jahren Krieg konnte ich nicht mehr. Ich habe mich jeden Tag gefragt: Wozu lebe ich eigentlich? Wozu lerne ich? Es ist so schwer, wenn du gar nichts machen kannst. Du sitzt da und wartest nur, ob du am nächsten Tag noch lebst. Außerdem wollte ich schwimmen. Seit meinem vierten Lebensjahr war es mein Ziel, als Schwimmerin bei der Olympiade zu schwimmen. Ich habe so hart dafür trainiert – auch noch während des Krieges. Aber irgendwann fiel eine Bombe in die Schwimmhalle und auch das war vorbei. Dann haben meine Schwester Sara und ich beschlossen, die Flucht nach Europa anzutreten. Wir wussten, dass es sehr gefährlich ist. Aber in Syrien auf den Tod zu warten, war keine Option. Auch meine Eltern haben das verstanden und haben uns gehen lassen.“

Yusra Mardini beim Gespräch mit Elisabeth Scharang

Elisabeth Scharang

Zwischen Bomben und Party

2018 erschien das Buch „Butterfly – Das Mädchen, das ein Flüchtlingsboot rettete und Olympia-Schwimmerin wurde“. Darin beschreibt Yusra Mardini sehr eindrucksvoll über den schleichenden Beginn des syrischen Bürgerkrieges und ihr Leben in Damaskus als Teenager und Schülerin zwischen Party und Bomben, zwischen dem Alltag aus Schwimmtraining und amerikanischer Popmusik und dem Trauma, Woche für Woche Freund*innen zu verlieren, die durch Bombensplitter getötet wurden.

„Am Anfang hatten alle Angst und sind zu Hause geblieben, haben ihre Geschäfte nicht mehr geöffnet. Aber nach zwei Jahren war klar, dass dieser Krieg nicht so bald endet und wir Teenager sind fast verrückt geworden zu Hause. Unsere Eltern hatten auch kein Argument mehr, uns zu halten, weil zu viele Menschen zu Hause in ihren Betten von Bomben getroffen wurden und gestorben sind. Also sind wir hinaus und sind ausgegangen, haben Musik gehört, getanzt."

Die gefährliche Überfahrt

2015 reisen Sara und Yusra über Istanbul aus Syrien aus und müssen sich in der Türkei wie viele Hundertausende andere Flüchtlinge auch in die Hände von Schleppern begeben. Das überfüllte Schlauchboot, in dem die beiden Schwestern schließlich sitzen und das Kurs auf die griechische Insel Lesbos nimmt, bleibt mitten auf offener See stehen. Der Motor springt nicht mehr an. Die beiden Schwestern lassen sich ins Wasser und stabilisieren das Boot über drei Stunden in den Wellen und retten es so vor dem Kentern. Trotz Handyanrufen an die türkische und die griechische Küstenwache ist den über 20 Menschen mit Kleinkindern an Bord niemand zu Hilfe gekommen. Nach dreieinhalb Stunden springt der Motor wieder an. Völlig erschöpft schafft es die Gruppe an das griechische Festland.

Identität: FLÜCHTLING

Yusra will über die Erlebnisse der traumatischen Überfahrt nicht mehr sprechen, sie hat die Geschichte bereits so viele Male Journalisten aus der ganzen Welt erzählt, die sie bei der Olympiade mit Interviewanfragen bestürmt haben. „Sie wollen immer nur hören, wie ich mich im offenen Meer gefühlt habe, ob ich Angst hatte, zu sterben. Ich möchte lieber erzählen, wie ich heute lebe. Und auch was es bedeutet, wenn du nichts mehr bist außer ein FLÜCHTLING. Wenn das deine Identität wird. Ich habe mir sehr schwer getan damit. Ich möchte für das gesehen und anerkannt werden, was ich bin und was ich leiste: Ich bin eine Schwimmerin. Und deshalb habe ich das Mandat als UN Botschafterin angenommen: weil ich eine Stimme sein möchte für die Millionen Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten.“

Yusra Mardini beim Gespräch mit Elisabeth Scharang

Elisabeth Scharang

Stephen Daldry verfilmt Yusras Geschichte

In dem zweistündigen Gespräch mit Yusra Mardini in ihrem neuen Zuhause in Hamburg erzählt die junge Schwimmerin von der überwältigenden Begrüßung 2015 am Westbahnhof in Wien durch die vielen freiwilligen Helfer*innen, die sich damals für die Refugees Welcome-Bewegung eingesetzt haben. Sie erinnert sich an den ersten Kontakt zu jungen Berliner*innen, die sie im Schwimmverein Spandau kennengelernt hat und die ihre neuen Freund*innen wurden, und sie erzählt über die Verfilmung ihrer Geschichte von Starregisseur Stephen Daldry, der für „Billy Elliot“ und „Der Vorleser“ für Oscars nominiert war.

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