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mit akzent

Hotel Europa

Todors Freund Luka ist sowohl US-Amerikaner als auch Kroate. Seine Nationalität wählt er je nach Kontext aus.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Mein Freund Luka wurde in Los Angeles geboren und ist US-amerikanischer Staatsbürger. Sein Vater hat in den 1970er Jahren Jugoslawien verlassen, um dem Kommunismus zu entkommen. Im sonnigen Kalifornien hat er einen Job als Elektriker in einem Hotel gefunden, wo viele Hollywoodstars wohnten.

Lukas Familie hat auch selbst lange in diesem Hotel in einem Zimmer im Hinterhof gewohnt. Die Freunde des kleinen Luka waren die Kinder eines mexikanischen Gepäckträgers, eines italienischen Installateurs und der Zimmermädchen aus Mali. Die Kinder lebten im Einklang im Bauch des riesigen Hotels.

Sie fuhren Rad in dem Trakt des Hotels, der gerade renoviert wurde, sie spielten Verstecken in der riesigen Waschküche und veranstalteten Tombolas mit Gegenständen, die die Hotelgäste vergessen hatten. Da die Gäste immer wieder Bücher vergaßen, lernte Luka schon mit fünf zu lesen. Und in seiner Multikultibande sprach er Spanisch, Italienisch, Kroatisch, Französisch und natürlich auch Englisch.

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Lukas Vater hat sich sehr gefreut, dass sein Sohn so schnell Sprachen lernte und stellte sich vor, wie er eines Tages zum „Maître d’hôtel“, zum Restaurantleiter aufsteigt. Währenddessen erzählte er ihm die Geschichte vom Märchenland Jugoslawien und Kroatien. In der Vorstellung des Kindes war es das gelobte Land, wo der Himmel immer blau ist und die Menschen die ganze Zeit nur tanzen und singen. Kroatien war schön, begehrt und unerreichbar. So wie „Disneyland“, aber mit Achterbahnen aus Gold und Luftburgen aus Zuckerwatte.

So wuchs Luka auf, bis sein Vater in Rente ging und sich ein Haus an der Pazifikküste und ein Boot kaufte, mit dem er die Touristen herumfuhr. Vielleicht hätte das auch Luka gemacht und in einem gefaketen Seewolfskostüm Touristen mit dem Boot rumgeführt. Aber er hat sich verliebt.

Er verliebte sich in eine Österreicherin und für die Liebe war er bereit, alle Ozeane zu überqueren. Die Liebe brachte ihn nach Wien. Die Menschen in Österreich freuen sich sehr, dass er ein Amerikaner aus Los Angeles ist, der sich entschieden hat, in Europa zu leben. Eine Art Gulliver im Lilliput-Land. Sehr idyllisch, bis zu dem Zeitpunkt, an dem er sagt, dass er Kroate ist. Dann schauen ihn alle Österreicher von oben herab an. Sie zeigen ihm ganz eindeutig, dass er Gulliver ist, aber im Land der Riesen. „In Europa bist du entweder Amerikaner oder Kroate", bekam er oft zu hören.

Neulich haben Luka und ich uns mit einem Paar aus Australien unterhalten, das auf Europareise ist. Sie haben uns gesagt, dass in Frankreich alle nur Französisch reden, in Italien nur Italienisch und in Spanien nur Spanisch. Sie hatten große Angst, dass die Menschen am Balkan nur Bulgarisch, Serbisch oder Kroatisch sprechen würden. Doch dort haben alle Englisch mit ihnen gesprochen. Niemand erwartete von ihnen, die Landessprache zu können. Sie haben sich sehr gefreut, dass wir ein Bulgare und ein Kroate sind. So sehr, dass Luka verheimlichte, dass er auch Amerikaner ist.

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