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Impressionen vom Stoabeatz Festival 2019

Lisa Stoettinger

Stoabeatz: Indie-Klänge zwischen Berg und See

Das Stoabeatz am Tiroler Walchsee ist ein Musikfestival für Freund*innen der Gemütlichkeit. Zwischen Kaisergebirge und Seeufer spielen alternative Bands aus der Region und darüber hinaus. Die Höhepunkte der ersten zwei Tage: Granada, Avec, Rebel Musig - und der flambierte Kaiserschmarren.

Von Florian Wörgötter

Der Name Stoabeatz stammt aus dem Dialekt des Tiroler Unterlandes und bedeutet auf hochdeutsch Beats wie Stein - eine Referenz an den Austragungsort der ersten Jahre: den Steinbruch. Damals campten die Besucher noch am Berg. Heute schlagen sie ihre Zelte am lauschigen Südufer des Walchsees auf – wegen des anfänglichen Regens in Gummistiefeln zwischen standesgemäßen Schlammlöchern.

Wer in die Region Kaiserwinkel möchte, muss vom Bahnhof Kufstein erst einmal zwanzig Minuten mit dem Bus weiterreisen. Gerade diese abgeschiedene Lage zwischen schneebedecktem Kaisergebirge und dem stillen Walchsee macht das Festival aber so reizvoll.

Way out in the Country

Das Stoabeatz übernimmt hier in der Region eine wichtige Botschafterfunktion der alternativen Musik: Überregional bekannte Indie-Acts wie Großstadtgeflüster, Granada oder Avec teilen sich die beiden Bühnen mit lokalen Bands aus Tirol und Bayern. Eine kleine Stage steht direkt am Wiesenufer des Walchsees, die Hauptbühne ein paar Meter weiter in der Rindenmulch-Arena.

Impressionen vom Stoabeatz Festival 2019

Lisa Stoettinger

Viele der Besucher von nah wie fern (Bodensee, Landshut, Stuttgart, Graz, Wien, Linz) entdecken hier neue Musik auf einem neuen Flecken auf der Landkarte. Das Zielpublikum, hauptsächlich zwischen 25 und 35, gibt sich hochsympathisch und harmoniebedürftig. Im Dorf heißt es: „Endlich ein Fest, bei dem nicht geschlägert wird“, und: „Super, dass auch was für die Jungen passiert“.

Regional heißt nicht provinziell

Man fühlt es deutlich, dass das Stoabeatz in seinen sechs Jahren als Festival natürlich gewachsen ist und sich in Walchsee seinen Fixplatz in der Festlsaison erarbeitet hat, wo vorwiegend Landwirtschaft und 65+-Tourismus dominieren. „Wir haben über die Jahre das Vertrauen der Gemeinde, der Polizei, der Anrainer und Grundbesitzer bekommen und sind alle zusammengewachsen“, sagt Veranstalter Berni Geisler, der die Bands nach seinem persönlichen Geschmack bucht. "Wir zeigen hier 20 Acts, die man so intim auf kleinen Bühnen samt Festival-Feeling vielleicht selten erleben wird“.

Der bodenständige Tiroler greift sich auf die Gänsehaut am Arm, wenn er davon erzählt, wieviel ihm das Publikum zurückgibt, wenn er über den Zeltplatz spaziert. Dass auch dieses Jahr der Regen die Aufbauarbeiten erschwert, ist ein geringes Opfer, schließlich kommt jeden Abend doch noch die Sonne raus.

Ein Hoch der Mundart

Die musikalischen Höhepunkte der ersten beiden Tage: Die Grazer Granada schrammeln ihren gut gelaunten Mundart-Indierock. Die Innsbrucker Hello Sally bestrahlen die kleine Bühne am Ufer mit sonnigem Soul. Und die Unterland-Dialekt-Reggae-Combo Rebel Musig skandiert rotzige Felix Mitterer-Attitüde auf jamaikanischen Reggae-Riddims. Welche Bedeutung ein kleines Festival wie das Stoabeatz für einen Mundart-Rap-Lyriker wie Rebel Musig-Frontmann John Dizzy hat: „Der Dialekt beschränkt dich naturgemäß auf ein Gebiet. Doch heute habe ich einem Stuttgarter eine Platte verkauft, obwohl er kein Wort unserer Texte versteht.“

Avec beim Stoabeatz Festival

Lisa Stoettinger

AVEC

Am zweiten Tag zeigen die Rosenheimer Kreuzwort, wie Seed auf bayrisch klingen würden. Die Bartrocker Midriff bringen sogar die Securities zum Nicken. Und Amadeus-Music-Award-Gewinnerin Avec bläst bittersüße Seifenblasen ins Abendrot des Zahmen Kaisers. Nach dem Konzert kommt ein Fan mit verheulten Augen zu ihr an den Merchandising-Stand und meint, sie weine seit der dritten Nummer, so sehr habe sie ihr Konzert berührt. „Unglaublich, das ist die Kraft der Musik“, sagt die gerührte Avec. „Deswegen mache ich Musik.“

Backstage im Weinfassl

Was das Festival noch auszeichnet: Der Backstage-Raum ist ein vier mal sechs Meter großes begehbares Weinfass aus Holz. Der Kaiserwinkl-Kaiserschmarren wird live vor Ort am Ufer gegrillt und flambiert. Und das Geschäft wird am nachhaltigen Öklo mit Sägespäne verrichtet. Die einen Besucher loungen im Liegestuhl oder bemalen Enten, das Wappentier des Stoabeatz. Die anderen lassen sich über den CBD-Weed-Hype aufklären. Die Aktiv-Urlauber gehen mit dem Veranstalter Berni wandern, versuchen sich beim Ukulele-Workshop oder wagen sich bei 12 Grad Seetemperatur auf ein Stand-up-Paddleboard. Laut Wasserrettung musste – zumindest dieses Jahr - noch keiner aus dem See gefischt werden.

Impressionen vom Stoabeatz Festival 2019

Lisa Stoettinger

Granada

Der Sage nach war der Walchsee einst ein Zauberwald, um den sich zwei Bauern stritten. Als ihr Streit im Wald eskalierte, verwandelte ein wildes Donnerwetter den Wald in eine Quelle, aus der der heutige Walchsee sprudelte. Offenbar übernimmt das Schlechtwetter hier die Tradition der Katharsis, denn auf jeden Regen folgt die Party.

Auf einem ruhigen Flecken Land ist in Walchsee ein Festival gewachsen, das sich wegen seiner Entspanntheit eine lange Zukunft verdient hat – und ausnahmsweise durchgehendes Badewetter.

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