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Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik von der Donauuni Krems

FM4 / Christoph Weiss

Interview

Übergangsregierung, das freie Spiel der Kräfte und ein umstrittener Verkehrsminister

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat heute die zwölf Mitglieder der Übergangsregierung angelobt. Brigitte Bierlein ist Österreichs erste Bundeskanzlerin. Stolpersteine könnten auf sie vor allem aufgrund des unberechenbaren Verhaltens des Nationalrats zukommen. Wir haben darüber mit Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik gesprochen.

Welche Aufgaben wird diese Übergangsregierung bis zur Wahl haben?

Vorrangig geht es darum, die Geschäfte zu verwalten. Es darf nicht sein, dass ein Ministerium oder das Bundeskanzleramt unbesetzt ist. Deswegen braucht es diese Übergangsregierung. Für alle Gesetze, die erlassen werden, braucht es aber den Nationalrat, und hier gilt es, Mehrheiten zu finden.

Wird es im Nationalrat also das oft beschworene „freie Spiel der Kräfte" geben?

Wir erwarten das freie Spiel der Kräfte. Es gibt kein gültiges Koalitionsabkommen, es können sich also je nach Gesetzesvorhaben Mehrheiten im Parlament bilden.

Werden die Parteien dabei in Hinblick auf die Wahl taktieren?

Natürlich. Die Ereignisse haben sich seit der Regierungskrise überschlagen, und alle sehen schon die Neuwahl aufkommen. Trotzdem haben sich die Parteien heute darauf geeinigt, dass sie keine besonders kostspieligen Wahlgeschenke machen möchten. Das war in der Vergangenheit anders: 2008 zum Beispiel ist die Koalition zerbrochen und wir hatten das freie Spiel der Kräfte – in dieser Periode wurden dann viele Wahlversprechen noch vor dem Wahltag umgesetzt, darunter z.B. das Aus für die Studiengebühren. Es waren auch sehr teure „Wahlzuckerln“ dabei.

Die SPÖ will den Nichtraucher*innen-Schutz im Nationalrat einbringen. Andere Möglichkeiten sind die CO2-Steuer, das Ende der 140er-Zone auf der Autobahn, das Ende der dritten Piste auf dem Flughafen Wien-Schwechat – viele Klimaschutz-Themen also. Ist es denn nun realistisch, dass der Nationalrat Gesetze beschließt, ohne dass diese von der Übergangsregierung vorgeschlagen werden?

Er könnte es. Bleiben wir beim Beispiel des Rauchverbots: Das ist ein Gesetz, das noch von der türkis-blauen Koalition gemacht wurde. Bisher war Usus, dass man nicht in Gesetze eingreift, die zuvor von einer aufrechten Koalition beschlossen wurden. Wenn das fällt, was möglich ist, denn die ÖVP war früher für den Nichtraucherschutz, dann kann das natürlich bedeuten, dass viele andere Gesetze auch fallen – denn wenn sich die ÖVP nicht mehr daran hält, warum soll sich die FPÖ dann daran halten? Ein Beispiel fällt mir dazu auch ein, nämlich der 12-Stunden-Tag: Da gab es ja bei Personen, die der FPÖ nahestehen, große Aufregung.

Wie kann oder muss eine Expert*innen-Regierung auf solche Initiativen aus dem Nationalrat reagieren?

Ganz unterschiedlich, je nach Vorlage. Beschlossen wird das Gesetz im Nationalrat, und hier gilt es, die Mehrheiten zu finden. Eher ist die umgekehrte Perspektive spannend, wenn wir sagen: Es gibt einen Ministerrats-Beschluss oder eine Ministerrats-Vorlage, und die kommt in den Nationalrat. Dann muss im Nationalrat eine Mehrheit gefunden waren.

Über einen der neuen Minister wird auch schon wieder diskutiert: Verkehrsminister Andreas Reichhardt war in den neunziger Jahren Teilnehmer an „Wehrsportübungen“, an denen auch HC Strache und andere Rechtsextreme teilgenommen haben. Können wir uns da bald auf einen neuen Minister oder eine neue Ministerin einstellen?

Aktuell waren die Reaktionen auf die Übergangsregierung seitens der Parteien recht zufrieden. Es sieht derzeit nicht nach einem neuen Misstrauensantrag aus. Die Personen werden aber medial und in der Öffentlichkeit durchleuchtet, man sieht sich die Lebensläufe genau an. Natürlich könnte es auch aufgrund von Gesetzesvorschlägen, die die Regierung macht, zu einem neuerlichen Misstrauensantrag kommen. Ich glaube aber nicht, dass daran derzeit Interesse besteht. Es wird vorrangig darum gehen, ein bisschen „runterzukommen“, Ruhe einkehren zu lassen, anstehende Verwaltungsakte durchzuführen – und Reformprojekte mit der neu gewählten Regierung anzugehen.

Vielen Dank für das Interview.

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