Die Abtreibungsdebatte in den USA reicht nach Europa
Der legale Schwangerschaftsabbruch gilt als Meilenstein für die Selbstbestimmung der Frau. Während Island bereits 1935 als erstes europäisches Land die Abtreibung bis zur zwölften Woche unter bestimmten gesundheitlichen Umständen legalisierte, haben andere EU-Länder erst nach und nach die Abtreibungsgesetze gelockert.
Heute ist in den meisten EU-Ländern der Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Voraussetzungen legal. In den USA hingegen diskutieren mehrere Bundesstaaten über eine Verschärfung der Abtreibungsgesetze. Alabama verbietet Abtreibungen auch nach einer Vergewaltigung, die Gouverneurin muss den Gesetzesantrag noch unterschreiben. Eine Abtreibung wäre dann nur noch möglich, wenn das Leben der Mutter durch die Schwangerschaft akut gefährdet ist. Ärzte, die trotzdem Abtreibungen vornehmen, drohen in Alabama künftig Gefängnisstrafen zwischen zehn und 99 Jahren. In anderen US-Bundesstaaten sind die Verschärfungen, die sogenannten „heartbeat bills“ bereits in Kraft.
Die Abtreibungsdebatte in den USA schwappt jetzt auch nach Europa über. In Malta und San Marino sind Abtreibungen verboten, in Italien will zum Beispiel die rechtspopulistische Lega die Gesetze verschärfen.
Sehen wir uns die die aktuelle Gesetzeslage in ausgewählten europäischen Ländern an.
APA/AFP/Andrew Caballero-Reynolds
Nordirland
mit harten Abtreibungsbestimmungen
Hier gilt ein striktes Abtreibungsverbot. Nur wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist oder ihre Gesundheit ernsthaft geschädigt werden könnte, darf eine Schwangerschaft abgebrochen werden.
Italien
hat strenge Bestimmungen
Seit 40 Jahren dürfen Italienerinnen in den ersten 90 Tagen ihrer Schwangerschaft abbrechen. Voraussetzung dafür ist ein Beratungsgespräch und eine Woche Bedenkzeit. Es ist ein Zertifikat von einer autorisierten Agentur, einem öffentlichen Beratungszentrum oder einem Wahlarzt der Frau nötig, bevor man eine Abtreibung vornehmen kann. Das Gesetz erlaubt Mediziner*innen außerdem, eine Abtreibung aus Gewissensgründen abzulehnen. Und davon machen in Italien immer mehr Gynäkolog*innen und Anästhesist*innen Gebrauch.
Polen
hat strenge Bestimmungen
2016 gingen zehntausende polnische Frauen in schwarzer Kleidung auf die Straßen, um gegen die Pläne der Regierung zu demonstrieren, die Schwangerschaftsabbrüche verbieten wollte.
Schwangerschaftsabbruch ist in Polen nur unter folgenden Bedingungen erlaubt: Wenn die Schwangerschaft das Leben der Mutter gefährdet oder ernsthaft ihre Gesundheit aufs Spiel setzt. Oder wenn schwere und unheilbare Schäden am Fötus vorliegen. Eine Abtreibung ist auch dann legal, wenn eine sexuelle Straftat wie eine Vergewaltigung vorliegt, die allerdings von einem Staatsanwalt bestätigt werden muss. Ärzt*innen, die Abbrüche außerhalb der genannten Gründe vornehmen, drohen bis zu zwei Jahren Haft.
Österreich
hat mittelstrenge Bestimmungen
In Österreich ist ein Schwangerschaftsabbruch nicht legal, es gibt aber Ausnahmen. Seit 1975 können Frauen hierzulande unter bestimmten Bedingungen straffrei abtreiben, zum Beispiel wenn die Abtreibung in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten durchgeführt wird. Bis kurz vor der Geburt sind jedoch auch Spätabtreibungen erlaubt, wenn Gefahr für Leben und Gesundheit der Mutter besteht oder das Kind mit schweren Behinderungen auf die Welt kommen könnte. Vor kurzem wollten Petitionen die Spätabtreibungen neu regeln.
Deutschland
ähnlich wie in Österreich geregelt
Im Nachbarland Deutschland ist der Abbruch wie bei uns grundsätzlich rechtswidrig, unter bestimmten Bedingungen aber nicht strafbar. So kann die Schwangere beispielsweise den Abbruch binnen 12 Wochen verlangen, nachdem sie an einer sogenannten Schwangerschaftskonfliktberatung teilgenommen hat und sich drei Tage Bedenkzeit genommen hat. Auch bei einer Vergewaltigung oder Gefahr für die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren ist eine Abtreibung möglich. Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche hat 2018 gegenüber dem Vorjahr um 0,2 Prozent abgenommen, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Vor kurzem wurde der §219a, das sogenannte ärztliche „Werbeverbot“ für Schwangerschaftsabbrüche, etwas gelockert. Ärzte, die auf die Möglichkeit einer Abtreibung hinweisen wollen, dürfen informieren, dass sie den Eingriff vornehmen. Für weitergehende Informationen müssen sie jedoch auf Behörden, Beratungsstellen und Ärztekammern verweisen.
Belgien
die Vorreiter der Entkriminalisierung
Mit dem Gesetz vom 15. August 2018 wurde die Abtreibung entkriminalisiert. Die belgische Regierung hat die Regelung zum Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Der Abbruch ist bis zur 12. Woche nach der Empfängnis erlaubt. Es gilt keine Einschränkung bei „erheblichem Risiko“ für die Gesundheit der Frau oder „extrem schwerer und unheilbarer Krankheit“ des Fötus.
Wer entscheidet über meinen Bauch?
Eine Petition will Verschärfungen bei Abtreibungen, speziell bei Spätabtreibungen nach dem 3. Monat, durchsetzen.
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Obwohl die Pille ein wirksames Verhütungsmittel ist, gibt es immer mehr Frauen, die skeptisch gegenüber Hormonen sind und die Pille ablehnen. Als Alternative werden oft weniger wirksame Verhütungsmittel verwendet.
Von wegen sexuelle Befreiung - die Pille auf dem Prüfstand
Die Pille und andere hormonelle Verhütungsmittel sind die häufigste Verhütungsmethode in Österreich. Viele Frauen berichten von gravierenden Nebenwirkungen, allerdings wird das in der Öffentlichkeit kaum diskutiert.
Frankreich
hat in Europa eines der liberalsten Gesetze für Abtreibung
In Frankreich dürfen Schwangerschaften bei bestimmten Vorraussetzungen abgebrochen werden. Falls die Frau sich entscheidet, dass sie sich aufgrund ihrer Schwangerschaft in einer Notlage befindet, ist der Abbruch bis zur 14. Woche legal. Dafür muss zwar ein Arzt oder eine Ärztin konsultiert werden, die Kosten dafür werden aber von der Krankenkasse übernommen, was in anderen EU-Ländern meist nicht der Fall ist. Und seit einiger Zeit können medikamentöse Abbrüche auch in gynäkologischen Praxen und von Hebammen durchgeführt werden.
Großbritannien
England, Wales und Schottland
Der Schwangerschaftsabbruch ist bis zur 24. Woche legal, falls die Fortsetzung der Schwangerschaft ein größeres Risiko darstellt als die Beendigung, sowohl was die körperliche als auch seelische Gesundheit der schwangeren Frau oder ihrer bereits vorhandenen Kinder betrifft.
Finnland
zählt zu den liberaleren Ländern
Bis zur 12. Woche dürfen auf Wunsch Abbrüche in Spitälern durchgeführt werden, wenn die Fortsetzung der Schwangerschaft oder die Geburt das Leben oder die Gesundheit der Frau aufgrund einer Krankheit, einem Gebrechen oder einer Schwäche gefährdet.
Island
Vorreiterland in der Entkriminalisierung von Abtreibungen
Island hat eines der liberalsten Gesetze und erlaubt den Schwangerschaftsabbruch bis zur 22. Schwangerschaftswoche - ohne dass die Frau die Zustimmung eines medizinischen Ausschusses, Beratung oder Bedenkzeit braucht. Bei einer medizinischen Indikation wie einer schweren Fehlbildung kann die Frist sogar verlängert werden.
APA/AFP
Mein Bauch gehört... mir?
FM4 Auf Laut diskutiert mit Euch zum Thema Schwangerschaftsabbruch.
Frauen- und Menschenrechtsorganisationen weltweit sind durch die geplanten Gesetzverschärfungen in den USA alarmiert: Verbote stoppen keine Abtreibungen, sondern drängen Frauen höchstwahrscheinlich zu illegalen Eingriffen, sind die Kritiker*innen überzeugt. In einer WHO-Studie aus dem Jahr 2017 wurde ermittelt, dass weltweit pro Jahr rund 50.000 Frauen an den Folgen von illegalen Eingriffen sterben.
Wir diskutieren heute in FM4 Auf Laut mit der Gynäkologin Dr. Baraba Maier sowie mit der Frauenrechts-Aktivistin Lena Jäger - und mit Euch.
Hast du schon einmal eine Schwangerschaft abgebrochen – oder dich dagegen entschieden? Was ist deine Meinung zum Thema Abtreibung?
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Publiziert am 04.06.2019