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Joey Skaggs

Joey Skaggs

Joey Skaggs ist der König der Pranks

Satiriker Joey Skaggs ist sowas wie der US-amerikanische Opa von Jan Böhmermann. Seit Jahrzehnten inszeniert er aufwändige Pranks und schafft es immer wieder, diese Journalist*innen unterzujubeln. Wieso tut er das?

Von Felix Diewald

Steht da jetzt wirklich der echte Joey Skaggs vor mir im Studio? Und kann man sich da überhaupt sicher sein bei einem, der auch gerne mal ein Double zu einem Interview schickt?

Joey Skaggs, auch bekannt als Joe Bones, Joseph Bonuso, Guiseppe Scaggioli, Dr. Joseph Gregor und Reverend Anthony Joseph, hat schon viele verarscht. Besonders dreist: Das „Salomon Project" im Jahr 1996. Der Satiriker sollte damit die gesamte Juristen-Elite der USA hinters Licht führen und schließlich sogar CNN reinlegen.

Doch alles der Reihe nach.

Nur drei Monate nach dem umstrittenen Freispruch des wegen Mordes angeklagten US-amerikanischen Footballers O.J. Simpson präsentiert ein gewisser Joseph Bonuso, IT-Wissenschaftler der New York University, ein neues Computerprogramm: Es soll mithilfe künstlicher Intelligenz Fehlentscheidungen vor Gericht in Zukunft verhindern und hätte O.J. Simpson schuldig gesprochen. Der Vorschlag passt perfekt in den Zeitgeist, denn in den USA diskutiert man zu diesem Zeitpunkt immer noch über das Simpson-Urteil, viele kritisieren das System der US-Rechtsprechung. Joseph Bonusos Idee, Gerichte in Zukunft mit Software „fairer“ und ohne menschliche Fehler entscheiden zu lassen, schlägt ein wie der Richterhammer bei einem klaren Fall am Bezirksgericht. Außerdem sieht Bonuso mit seinen wirren, zu Berge stehende Haaren ein bisschen aus wie Dr. Frankenstein und damit genauso, wie du dir einen Computerwissenschaftler vorstellst.

Dutzende juristische Fachpublikationen berichten über die neue Rechts-Software; wenig später entscheidet sich der überregionale TV-Sender CNN, über das „Salomon Project“ zu berichten. Eine TV-Crew besucht das Labor des verrückten IT-Professors Bonuso in New York. Und dieser gibt dem Sender, umringt von dutzenden Assistenten in weißen Kitteln, bereitwillig ein Interview.

Eine Woche später lässt Computerwissenschaftler Joseph Bonusa aka Joey Skaggs den Prank auffliegen. Und CNN entscheidet sich, keine Stellungnahme zu dem Vorfall zu senden. Aber Skaggs hat sein Ziel erreicht: Alle diskutieren über künstliche Intelligenz und ihren Einsatz vor Gericht.

„Geben Sie ihren eigenen Fehler zu?“

Wie gehen Medien damit um, wenn sie wieder mal auf einen seiner Pranks reinfallen? „Es ist ihnen natürlich peinlich, dass ich ihre Kredibilität als investigatives Medium zerstöre.”, sagt Skaggs. „Sie wollen niemanden wissen lassen, dass sie unverantwortlich, dumm und naiv sind.” Das Spannende sei dann, wie sie auf die Verarsche reagieren: „Attackieren sie mich? Tun sie mich als unwichtig ab? Trivialisieren sie mich? Nennen sie überhaupt meinen Namen? Geben sie ihren eigenen Fehler zu?”

Über die vergangenen Jahrzehnte lässt sich Joey Skaggs immer neue Gags einfallen. Manche weniger, manche mehr erfolgreich und witzig:
Etwa ein Puff für Hunde; ein angebliches Unternehmen, das ungewollte Hunde aus Tierheimen kauft, um Instant-Suppe herzustellen; eine Sperma-Datenbank mit Rockstar-Spendern; oder einen mobilen, auf einem Fahrrad angebrachten Beichtstuhl, der, von Reverend Anthony Joseph (natürlich Skaggs selber) gelenkt, die 8th Avenue in New York auf- und abfährt.

„Es gab immer Fake News”

In einem alten Interview aus den Neunzigern erklärte Skaggs das Ziel seiner Arbeit so: „Die Menschen sollen die Medien skeptischer konsumieren.” Wie steht er heute, in Zeiten von Fake News und Skepsis was staatliche Institutionen angeht, zu dieser Aussage? „Es gab immer Fake News. Wir werden nichts daran ändern.”, sagt Skaggs. „Jeder versucht dir, etwas zu verkaufen: entweder ein Produkt, einen Service oder eine Philosophie.”

Joey Skaggs macht Guerilla-Art. Er sieht sich selbst als Performance-Artist, der sich nicht an den elitären Kunstzirkel in Galerien und Museen richtet, sondern an die breite Öffentlichkeit. Skaggs will Menschen dazu bringen, ihre eigenen Werte, ihren Glauben, genauer zu untersuchen. „Der Verrückte”, sagt er, „kommuniziert mit sich selbst, der Poet mit seiner Geliebten und der Künstler mit der ganzen Welt.” Und das größte Kommunikationsmedium seien eben Zeitungen, Fernsehen und Radio. Skaggs: „Sie sind meine Leinwand.”

Was bringt die Verarsche?

Viele - vor allem Journalist*innen - kritisieren Joey Skaggs aber auch für seine Pranks. Sie sagen, dass er mit seiner Arbeit überhaupt nichts aufzeigt, keine Botschaft vermittelt, außer, dass man halt jede und jeden reinlegen kann, wenn die Verarsche gut genug geplant ist. Das ist Joey Skaggs aber egal. Statt auf den Vorwurf einzugehen, richtet er ein „Fuck you” als Gruß an seine Kritiker*innen aus und lacht. Ein langes, kehliges „hahah“ ganz im Habitus der alten 68-er-New-Yorker-SoHo-Bourgeoisie, wie du es aus den immergleichen Woody Allen-Filmen über diese Welt kennst.

Letzte Frage an den Typen mit dem Rauschebart, der sein Leben lang hauptsächlich andere Journalist*innen verarscht hat. Wollte er selber nie einer werden? „Oh nein, das ist ein Job mit einem Boss und einer täglichen Routine. Als Künstler will ich machen können, was ich will und wann ich will.”

Joey Skaggs hält heute Abend um 18:30 Uhr einen Talk an der FH Wien im 18. Bezirk und präsentiert die Dokumentation „Art of the Prank“ über sein Leben. Der Eintritt ist frei.

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