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Srdjan Grahovac (Rapid) während dem Europa-League-Play-off Rückspiel der tipico Bundesliga-Begegnung zwischen SK Puntigamer Sturm Graz und SK Rapid Wien am Sonntag, 02. Juni 2019, in Graz

APA/ERWIN SCHERIAU

Blumenaus Fußball-Journal

Der letzte Eindruck - eine Saisonbilanz

Die Fußball-Bundesliga-Saison, die erste nach einer weitgehenden Reform, ist geschlagen. Der Versuch einer Einordnung jenseits von Parteibrillen.

Von Martin Blumenau

Der letzte Eindruck zählt, der letzte Eindruck bleibt.
Und der war schlimm, wirklich schlimm, ganz schlimm.

Der letzte Eindruck waren die Partien von Not gegen Elend, von Rapid gegen Sturm, im neu installierten Europa-Playoff der heimischen Bundesliga. Mannschaften, denen von ihren Fans das Vertrauen, ja die Liebe entzogen wurde, sportliche Führungen mit lösungsfernen Leichenbitter-Mienen und ein Spielniveau, das deutlich unter dem der Relegation für die zweite deutsche Liga (Ingolstadt vs Wiesbaden) anzusiedeln war.

Für Leseschwache gibt’s den Text auch zum Nachhören:

Blumenaus Fußball-Journal 050619

Morgen in Blumenaus Fußball-Journal, das jetzt wieder regelmäßig erscheint: Alles über die erste U21-EM Österreichs. Übermorgen: die Preview auf das Slowenien-Länderspiel des Nationalteams.

Hier die Preview-Texte zur Saison 2018/19: 1) Medien und Message Control, 2) doppelbödige Moral und 3) Systeme und Sichtbarkeit.

Und das sind die Vorgängertexte, egal ob als daily blumenau auf der neuen oder der alten Website, oder im langjährigen Journal. Ein regelmäßiges Journal zu diesen Themenfeldern wird folgen.

Der letzte Eindruck zählt, und er erzählt die Geschichte der ersten Bundesliga-Saison nach der großen Reform: Ein ordentlicher Zuschauer-Rückgang, Ärger über Ungerechtigkeiten (Stichwort: Punktehalbierung), hoher Trainer-Verschleiß, eine asymmetrische Winterpause, eine in die sportliche Bedeutungslosigkeit zurückgefallene 2. Leistungsstufe und die große, kollektive und selbstverschuldete Krise der drei Traditionsvereine Rapid, Austria und Sturm.

Der letzte Eindruck zählt und bleibt.
Was für ein Blödsinn. Was für eine Phrase, fast so dumm wie das Geraune über die „Mentalität“, dieses Modewort der Rat- und Ideenlosen.
Der letzte Eindruck von Champions und Euro-League war auch nicht der beste (beide Finalspiele eigentlich eine Enttäuschung) und trotzdem wird die Saison in rauschhafter Erinnerung bleiben. Sie hat sich durch ihre Dramatik, ihrer Verve und ihre Qualität selbst ein Denkmal gesetzt, eine Benchmark für die nächsten Jahre gebaut.

Der letzte Eindruck bleibt nur dann als Synonym für eine ganze Saison stehen, wenn das Positive das Negative nicht überlagern kann.

Und es gab einiges Positives.
Ein Salzburg unter Rose und mit Schlager, Dabbur, Lainer, Ulmer, Juno und Co, das sich aus vielen kleinen Krisen und Miseren immer wieder rausspielen konnte, weil es den punch hatte. Ein LASK unter Glasner mit Schlager, Wiesinger, Goiginger, Victor und Co, der sich über einen gut gearbeiteten Aufbau eine Souveränität angeeignet hatte, an der die Gegner abperlen mussten. Ein WAC unter Ilzer mit Liendl, Ritzmaier und Co, der aus geringen Möglichkeiten ein Optimum herausholte. Und auch ein Hartberg unter Schopp, das sich dem eigentlich Unvermeidlichen beharrlich widersetzen konnte. Rose und Glasner werden (ebenso wie Canadi) erfolgreich exportiert, Ilzer intern befördert.

Gegen die vielen, allzu öffentlich zelebrierten Denk- und Handlungs-Fehler bei vor allem Rapid, Austria und Sturm, aber auch Innsbruck, Admira, Mattersburg oder Altach hatten diese Erfreulichkeiten aber keine Chance, sich definitionsmächtig durchzusetzen. Auch weil die Positiv-Beispiele nicht die Zuschauer-Bringer sind, was zuvorderst an schwach entwickelter Fan-Kultur oder provinziellen Halb-Stadien liegt. Und ohne (euphorisierbare) Zuschauer vor Ort überträgt sich auch zu wenig Stimmung auf den weiteren Zuschauerkreis via Medien. Und dann wird vorrangig genörgelt und gejammert, anstatt den Fußball, das Spiel selbst zu feiern. Gejammert über Leistungen, Schiedsrichter und den Modus.

Und wenn dann die Vereins- wie die Liga-Vertreter in ihren Bilanzierungen ausschließlich den sturen Blick durch die eigene Brille öffentlich machen, wirken sie so lahm und gestrig wie die politischen Parteien, vor allem in Zeiten des erweiterten Blicks einer Experten-Regierung. Und dann entlarven sich die Leberwürste halt schnell als solche.

Über den neuen Modus lässt sich trefflich streiten, leichte Adaptionen scheinen sinnvoll. Aber: am Modus liegt’s nicht. Die negative Grundstimmung ist feld-, kabinen- und hinterzimmer-gemacht, sie wurde von Spielern, Trainerteams und Präsidien verursacht. Letztere bestellen sportlich Verantwortliche nach banalen Casting-TV-Kriterien, die schwächsten Glieder geben dann überlegungsarme oder überfordernde Vorgaben und die Akteure selber haben nur in den seltensten Fällen den Willen (und auch das Können) sich aus der heimischen Genügsamkeit zu lösen und sich in bessere Ligen zu empfehlen.

Und auch wenn all das nicht für Salzburg und wenig für den LASK oder auch Wolfsberg/Hartberg gilt, wo man die Hausaufgaben (was will ich spielen? Wie und mit wem setze ich das um?) gemacht hat: So lange sich die Mehrzahl der fünf größeren finanzkräftigen und medienwirksamen Vereine nicht konsolidieren kann, dreht sich die Spirale weiter nach unten. Daran sollten die teilweise drastischen Abstrafungen der Fangruppen keinen Zweifel aufkommen lassen.

Da kann sich die Liga sich noch so viele neue Modi und künstliche Spannungselemente überlegen; da würden auch Live-Spiel im Free-TV oder ein guter Champions League-Auftritt der Salzburger nichts ändern. Der Weg zu einem positiv besetzten Storytelling, das die Liga-Verantwortlichen bereits herausgehört haben wollen, ist noch ein weiter.

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