FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Sinkane beim FM4 Überraschungskonzert

Christian Stipkovits

Sinkane beim FM4 Überraschungskonzert

Sinkane haben ihr nagelneues Album zum Überraschungskonzert in Wien mitgebracht, aber auch die politische Lage im Sudan thematisiert.

Von Dalia Ahmed

It’s gonna be alright

Sinkane, das ist die Band des Frontmans Ahmed Gallab beziehungsweise ist Gallab selbst synonym mit Sinkane. Aktuell ist das siebte Albumprojekt „Dépaysé“ erschienen und Sinkane ist direkter und persönlicher denn je. Der amerikanisch-sudanesische Musiker nimmt uns in den Sudan mit. Die Rhythmen, Melodien, Claps, Call-and-Response-Chöre und sogar sudanesische Ululationen wurden auf den „Dépaysé“-Tracks miteingebunden.

Im Interview erzählt Gallab, dass ihm die Mehrdimensionalität in Bezug auf Identität bei seinen Lieblingskünstler*innen immer schon gefehlt hat. Deswegen ist es ihm besonders wichtig, auf dem neuen Album vom Suchen nach der (nationalen) Zugehörigkeit zu singen. Auf „Dépaysé“ fragt er immer wieder: „Wo gehöre ich hin?“ Gallab ist in den USA aufgewachsen, der Sudan ist das Land seiner Eltern, in dem er beim Erwachsenwerden jährlich drei Monate verbracht hat.

Beim Überraschungskonzert führt Gallab vor, dass die Frage der Zugehörigkeit kein Entweder-oder ist. Er ist beides, immer und auch noch mehr. Oben im Fluc, dem kleinen, grimey und doch charmanten Cafe/Club spielen Sinkane klassischen Rock mit inbrünstigen Gitarrensoli, gejamten Reggae-Ausflügen und den erwähnten musikalischen Einflüssen aus der sudanesischen und ost-afrikanischen Musik. Dazwischen bedankt sich Gallab mal auf Arabisch im sudanessischen Dialekt bei den Sudanes*innen, die in der ersten Reihe stehen, oder wünscht dem Publikum ein gesegnetes Zuckerfest.

Inmitten all der Überraschungskonzertfreude wird es aber dann auch mal ernst. Nach gut einer Stunde möchte Gallab die neueste Sinkane-Single „Ya, Sudan“ anstimmen. Davor bittet er das Publikum, die aktuelle Lage in der sudanesischen Hauptstadt Khartoum zu ergooglen, wenn sie heimkommen nach dem Konzert. Denn der Sudan erlebt gerade stürmische Zeiten.

Seit Dezember letzten Jahres demonstriert das Volk friedlich gegen die 30-jährige islamistische Militärdiktatur. Im April erlangten die Protestierenden einen ersten Erfolg, als der Diktator Omar Al-Bashir durch den Druck eines Sit-ins vor der Militärzentrale in Khartoum von den Generälen um ihn herum abgesetzt wurde. Doch die Proteste gingen weiter, denn statt eines Rats mit einer Mehrheit von Zivilist*innen übernahm ein reiner Militärrat die Macht im Land. An dessen Spitze der Generalleutnant Abdel Fattah Burhan. An zweiter Stelle steht Mohamed Hamdan Daglo, bekannt als Hemeti.

Hemeti ist Befehlshaber der paramilitärischen „Rapid Support Forces (RSF)“, die eigentlich die rebranded Janjaweed Miliz sind, die Anfang der 2000er mit der finanziellen Unterstützung des Bashir-Regimes den Genozid im Darfur als Hauptaggressoren mitverantwortet haben. Nun erhielten die RSF am 3. Juni (dem letzten Tag des Fastenmonats Ramadan und damit einen Tag vor dem Zuckerfest) den Befehl, den Sit-in zu beenden. Die Miliz belagerte das Zentrum der Proteste, schlug, beschoss, vergewaltigte, morderte und brannte anschließend die Zelte der Protestierenden nieder.

Da zeitgleich das Internet im Land gedrosselt und teils abgedreht wurde, fügen sich Informationen über die Zahl der Opfer nur langsam zusammen. Aktuell wird von mindestens 100 Toten gesprochen. Seit Montag befindet sich der Sudan und vor allem Khartoum im Ausnahmezustand. Die RSF patrouillieren auf den Straßen und terrorisieren die Stadtbevölkerung, die sich aktuell auf einen Generalstreik vorzubereiten scheint.

Überraschungskonzert mit Sinkane

Christian Stipkovits

Soviel also zur Lage im Sudan. All diesen Stress und das Trauma bringt Gallab zum Ausdruck, als er „Ya, Sudan“ - eine Ode an das Land und seine sudanesische Familie - vermengt mit „Revolution“ von den Beatles performt. Als er die letzten Zeilen des 1968er Songs singt („Don’t you know it’s gonna be all right, all right, all right“), keimt Hoffnung auf, gefolgt vom rohesten Moment des Konzerts, wenn Gallab die Worte „Ya, Sudan“ (Oh du, Sudan) und „Tasgut Bas“ („Es muss gestürzt werden“, eine der Hauptparolen der sudanesischen Proteste) zum Sound eines distorted Classic-Rock-End-Jams abwechselnd schreit.

Der Klimax eines Konzerts, bei dem Sinkane erst zum zweiten Mal Songs aus dem neuen Album performt haben und der trotz der Aufgeladenheit der politischen Lage entspannt, feierlich und bedacht begangen wurde. Ein Beweis Gallabs, dass Mehrdimensionalität auch in Sachen Stimmung möglich ist.

Diskutiere mit!

Aktuell: