Fluid Gender im Doppelzimmer mit Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl
Wenn man die Bildhauerateliers gegenüber des Praterstadions nicht kennt, dann wird man den Weg hierher auch nie finden. Es ist einer diese unglaublichen Orte, die Wien so besonders machen.
Das FM4 Doppelzimmer mit Ashley Hans Scheirl und Jakob Lena Knebl gibt als Podcast oder im FM4 Player zum Anhören.
In einem Park mit riesigen alten Bäumen stehen einander mit viel Abstand die beiden geschichtsträchtigen Gebäude gegenüber, die 1873 als Pavillons für die Weltausstellung gebaut und zwei Jahre später von Kaiser Franz Joseph der Kunst gewidmet wurden. Oder besser gesagt: den Künstlern. Tatsächlich waren es lange Zeit vor allem renommierte Männer wie Bruno Gironcoli, Alfred Hrdlicka oder Josef Pillhofer, die hier in Miete auf Lebenszeit gewerkt haben. Seit ein paar Jahren werden die Ateliers nur mehr auf Zeit vom Bund vergeben, „um den Ort lebendiger zu gestalten“, hieß es seitens der Stadt.

Elisabeth Scharang
Vergeblich suchen wir nach einem offenen Hauseingang und bleiben schließlich ratlos auf der einzigen Straße durch das Gelände stehen. Sich hier zu verlaufen, scheint grotesk. Aber es hilft nichts. Ashley Hans Scheirl wird angerufen und holt uns ab. Der Weg zum Atelier führt uns hinter das Haus und über einen Holzsteg durch einen Garten in einen sieben? acht? zehn? Meter hohen Raum. Ein Künstler*innenparadies. Ohne Zweifel.
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Hans hat zu seinem 40er begonnen, Testosteron zu nehmen. Das war in den 90er-Jahren in London, wo er, damals eine sie, in die Lesbenszene hinein gewachsen ist und schließlich beschlossen hat, umzusetzen, was schon lange Thema war: die Geschlechtsidentität zu ändern und den Namen Hans anzunehmen, ohne sich aber als Mann zu definieren, weil die Rolle als Frau für sie/ihn immer schon unpassend schien. Wie jetzt? Identität ändern, ohne sich zu ändern?

Elisabeth Scharang
In der Vorbereitung des Gesprächs mit den beiden Künstler*innen Ashley Hans Scheirl und Jakob Lena Knebl habe ich die Möglichkeiten der Trans-Identität gedanklich in alle Richtungen ausgelotet.
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Es gibt also neben transsexuell und intersexuell auch noch die Wege, die nicht von A nach B gehen. Bietet eine Trans-Identität Möglichkeiten, die unterschiedlichen Anteile, die jede und jeder von uns in sich hat und die in unterschiedlichen Phasen der eigenen Biografie unterschiedlich präsent sind, auszuloten und auch zu leben? Und was spielen Namen dabei für eine Rolle? Brauchen wir nicht für unterschiedliche Lebensphasen oder Lebensfelder auch unterschiedliche Namen? Ich stelle mir vor, wie ich künftig als Eric Scharang in Erscheinung trete, wenn es um meine filmische Arbeit geht, während ich im Radio lieber eine Elisabeth sein möchte. Und ich probiere aus, wie meine engsten Freund*innen reagieren. Die Akzeptanz ist so groß.

Elisabeth Scharang
Hans lebt seit einiger Zeit als Ashley. Das sei jetzt stimmiger, sagt sie. Für Jakob Lena Knebl war die Auseinandersetzung mit Trans-Identitäten immer eine performative. Ihr geht es um die künstlerische Auseinandersetzung und hat weniger mit dem Alltag zu tun; den lebt sie als Lena.
FM4 Doppelzimmer mit Ashley Hans Scheirl und Jakob Lena Knebl
In einem zweistündigen Gespräch führen wir eine Kontroverse über gendergerechte Sprache, diskutieren über neue Allianzen, die Lena innerhalb der Gesellschaft schließen möchte, und ich erfahre, warum Testosteronspritzen die Stimme verändern - zu hören am Pfingstmontag von 13 bis 15 Uhr.
Publiziert am 10.06.2019