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Blumenaus Fußball-Journal

Gefühle und Zuschreibungen und Beziehungen - es ist Frauen-WM...

Seit Freitag läuft die Weltmeisterschaft der Frauen. Und zwar durchaus wie erwartet: meist mit Favoritensiegen, guter Stimmung vor Ort in Frankreich und doch wenig medialer Beachtung, vor allem in Österreich. Was nicht nur mit der Abwesenheit des eigenen Teams zu erklären ist.

Von Martin Blumenau

Ich bin voll drin in der achten Frauen-Fußball-WM. Schuld ist mein Vorschuldkind mit seinem Pickerl-Heft. Es gibt zwar gefühlt nur etwa drei Shops, an denen ich sie für ihn besorgen kann, aber er pickt mit viel Enthusiasmus. Ihm ist übrigens egal ob es Männer oder Frauen sind, die Fußball spielen.

Demnächst in Blumenaus Fußball-Journal, das jetzt wieder regelmäßig erscheint: alles zum Mazedonien-Match. Da ist die Nachlese zum Slowenien-Länderspiel des Nationalteams, hier die Preview U21-EM-Vorschau, dort die Liga-Saison-Bilanz.

Das sind die Vorgängertexte, egal ob als #dailyblumenau auf der neuen oder der alten Website, oder im langjährigen Journal. Ein regelmäßiges Journal zu diesen Themenfeldern wird folgen.

Wenn er dazukommt, wie ich ein Spiel schaue, dann fragt er manchmal sicherheitshalber nach, wer gerade spielt (weil es manchmal, vor allem am kleinen Monitor nicht sofort ersichtlich ist), aber es macht keinen Unterschied in seiner Interessenslage. Wenn das Match pfeift und klescht und spannend ist, dann ist er dabei – solange die kindliche Aufmerksamkeitspanne halt reicht. Im Kind, dem unschuldigen Betrachter, gibt es keine Distinktions-Schere.

Ich weiß also, in welchen Ligen die meisten Chileninnen spielen, ich kenne die Keimzelle der koreanischen Hipster-Girls und die Anzahl der Weißen bei den Banyana Banyana, weil mich schnell das Co-Interesse gepackt hat. Und ich sehe auch die Spiele, bei denen schon im Vorhinein klar ist, wer warum eine auf die Mütze kriegt, mittlerweile gerne, weil da etwas über den Charakter der Favoritinnen erzählt wird, also die „Mentalität“, die dann später noch entscheidend wird, wenn es um die größere Erzählung geht.

Denn natürlich ist die Vorrunde bei einer WM mit 24 Mannschaften, von denen 16 weiterkommen, nicht sooo spannend, weil sich schon alle Teams mit echtem Welt-Niveau durchsetzen werden. Nur entscheidet diese Charakter-Sache dann eben darüber, ob sich schon im Achtelfinale zwei Favoriten batteln müssen. Der zweite der Gruppe B etwa (also Deutschland oder Spanien) kriegt da nämlich den Sieger der Gruppe F, also die USA, die Cupholderinnen. Und deswegen ist jetzt schon jede Sekunde der deutschen und spanischen Spiele aussagekräftig.

Im Übrigen glaube ich, dass ich deswegen mit den Spanierinnen, die lange hinten lagen, gegen die Südafrikanerinnen, ungerechtfertigterweise, mitgelitten und dann bei den Toren faustgeballt habe, weil ich will, dass sie gut abschneiden, weil damit das österreichische Aus in der Qualifikation leichter wird. Denn daran nage ich durchaus noch. Es sind zwar auch die Däninnen, Schweizerinnen und Belgierinnen ausgeschieden, die Gesellschaft ist also nobel – dafür sind aber die Schottinnen dabei, come on, das ist lächerlich… Die anderen Europäerinnen (neben den Erwähnten noch die niederländischen Europameisterinnen, die Alt-Champions aus Schweden und Norwegen und die aufstrebenden Teams aus England, Frankreich und Italien) sind außer Reichweite, okay.

Den Text gibt’s auch zum Anhören als Podcast.

Blumenaus Fußball-Journal 09/100619

Dass ich auch ein wenig mit den Deutschinnen mitleide, die sich gegen China lang echt schwergetan haben, hat andere Gründe. Lange Jahre war Frauenfußball ausschließlich über die deutschen Teams zugänglich, und lange waren die dortigen Damen die einzigen, die Niveau und Star-Appeal hatten: Lira Bajramaj und Celia Mbabi, die jetzt beide anders heißen, als wären sie im Zeugenschutzprogramm, die haben mich reingezogen, mit ihrer rotzigen Art am Platz und abseits davon und natürlich Kulig und Laudehr und Goeßling. Die einzige aus dieser Generation, die noch dabei ist, Alex Popp, die ist heute Kapitänin einer Mannschaft, mit der ich noch ein wenig fremdle.

Auch weil sie von Trainerin Martina Voss so eingestellt wird, wie Voss früher selbst gespielt hat: sehr einfach, sehr deutsch, im Sinn von früher, vor Klinsmann-Löw. Das große Glück beim Frauen-Fußball, nicht nur dem deutschen, ist aber, dass sie das dann nie so umsetzen, so schnörkellos und öde, wie das endzweckbedachte Männer, die schon an den nächsten Vertrag, die nächste Spielzeit, den Verein oder ihr Image denken, machen würden. Zumindest mehrheitlich. Mit einer radikalen, fast anarchischen Version dieser Spielidee sind die deutschen Damen unter Steffi Jones bei der letzten Euro dramatisch gescheitert, okay, aber meine Sympathien hatten sie. Und haben sie, hab‘ ich beim ersten Auftreten gemerkt, auch wieder bekommen.

Das sind aber alles Gefühle und Zuschreibungen und Beziehungen, die sich über lange Jahre aufbauen, und diese langen Jahre hat der Frauenfußball noch nicht, bei den Menschen und auch in den Medien, und deshalb dauert das. Und bei meinem Kind dauert es eben nicht, weil es für ihn immer schon Frauenfußball gegeben hat: Er kennt die frauenfußballlose Zeit von früher nicht, deshalb fehlt ihm dieser Vorbehalt.

Ein Vorbehalt, von dem sich wohl auch die sonst bei Fußball-Ereignissen schnell zur Tat eilenden Musikschaffenden deutscher Sprache leiten ließen. Sonst wäre da ja nicht nichts. Was die Musikantinnen von DLIA (Das Leben ist Art) hier in aller ironisch-aber-ernstgemeinten Deutlichkeit ansprechen.

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