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Die Hauptdarsteller der Serie How to Sell Drugs Online (Fast)

Lars Montag

Die Serie „How to Sell Drugs Online (Fast)“ ist Reizüberflutung pur

Jan Böhmermanns Produktionsfirma btf bringt mit „How to Sell Drugs Online (Fast)“ ihre erste fiktionale Serie auf Netflix heraus. Nerds, Drogen, Herzschmerz, Coming-of-Age, Buddy-Comedy mit Krimi-Elementen, eine wahre Story aus Deutschland. Mit dabei: Bjarne Mädel („Tatortreiniger“, „Stromberg“).

Von Alex Wagner

Einmal alles mit schnell

Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, das Team der Bildundtonfabrik wäre folgendermaßen zur Idee für ihre Serie „How to Sell Drugs Online (Fast)“ gekommen:

VICE gif

Einfach mal die Serienhits der letzten Jahre zusammenwürfeln und schauen, was dabei rauskommt! Dass Nerds lustig sein können, haben uns etwa schon „The Big Bang Theory“ oder „The IT Crowd“ gezeigt, Drogen sind in Serien immer gern gesehen, wie „Breaking Bad“, „Weeds“ oder „Narcos“ beweisen. Dazu noch ein bisserl Hacking und Darknet („Mr. Robot“), Coming-of-Age und wie schwer es ist, erwachsen zu werden („Atypical“, „Sex Education“) an einer Schule (da googelt bitte einfach selber „Highschool-Serie“). Fehlt noch eine Love-Story zum Drüberstreuen und lachen tun wir doch alle gern, oder? Zack, fertig ist „How to Sell Drugs Online (Fast)“!

Nicht ganz.

Ecstasy-Pille

Netflix / btf

Basierend auf einer wahren Geschichte

„How to Sell Drugs Online (Fast)“ handelt vom 17-jährigen Moritz Zimmermann (Maximilian Mundt) in der fiktiven westdeutschen Kleinstadt Rinseln. Er ist ein etwas schüchterner Nerd mit Hunderten Einfällen für Apps, Websites und Online Services, nicht der beste Coder auf der Welt, aber mit dem Talent, seine Start-Up-Ideen zu vermarkten. Moritz ist sich sicher: Alle Nerds wie Steve Jobs oder Jeff Bezos wurden am Anfang belächelt, bis sie schließlich die Welt verändert haben.

Er kann es kaum erwarten, bis seine Freundin Lisa Novak (Anna Lena Klenke) vom einjährigen Schüleraustausch in den USA zurückkommt. Am Flughafen angekommen will Lisa aber erstmal eine Beziehungspause einlegen. In den USA hat sie das Partyleben für sich entdeckt inklusive Partydrogen, in Rinseln ist sie auf der Suche nach sich selbst. Statt mit Moritz hängt sie jetzt immer öfter mit Dan Riffert (Damian Hardung) ab, einem sportlichen Typen mit Sixpack und Ecstasy-Pillen, gern gesehener Gast und Eyecandy auf jeder Party.

Moritz will Lisa zurückerobern und fasst einen Plan: Er muss Lisa zeigen, dass er kein fader Zipf ist, auch er sich weiterentwickelt hat und weiß, wie man Spaß im Leben hat. Statt Dan könne er doch die Partys seiner Mitschüler*innen mit MDMA versorgen und so Lisa beeindrucken. Er findet heraus, dass Dan seine Ecstasy-Pillen vom Drogendealer Buba (Bjarne Mädel) in der Reiterhalle bezieht und kauft ihm kurzerhand den ganzen Beutel ab. Zusammen mit seinem Kumpel Lenny Sander (Danilo Kamperidis) entwickelt Moritz eine Plattform, um die Drogen im Darknet zu verkaufen. Doch das führt zu allerhand Problemen.

Die beiden Hauptdarsteller von How to Sell Drugs Online (Fast) und Bjarne Mädel als Drogendealer

Netflix / btf

Moritz, Drogendealer Buba und Lenny

„How to Sell Drugs Online (Fast)“ basiert auf einer wahren Begebenheit: Von 2013 bis 2015 hat Maximilian S. eine Tonne Drogen aus seinem Kinderzimmer in Leipzig verkauft. Unter dem Namen Shiny Flakes war er einer der größten Online-Drogendealer Deutschlands. Die Polizei ist ihm aufgrund eines Fehlers auf die Schliche gekommen, Maximilian S. wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt. Was zunächst für einen großen Drogendealer-Ring gehalten wurde, stellte sich als Ein-Mann-Projekt heraus. Maximilian S. wohnte noch bei seiner Mutter, in seinem Zimmer wurden Hunderttausende Euro sichergestellt.

Griff in die Gimmick-Trickkiste

„How to Sell Drugs Online (Fast)“ ist die dritte deutsche Netflix-Serie und die erste fiktionale Serie für Jan Böhmermanns Produktionsfirma btf. Und das merkt man der Serie auch an. Die Macher*innen versuchen auf Biegen und Brechen, alles ein wenig anders, ein wenig frischer zu gestalten, und greifen dabei tief in die Gimmick-Trickkiste.

Die Serie ist verdammt schnell, bildgewaltig und mit vielen kurzen Schnitten. Immer wieder wird die Handlung von kurzweiligen Einspiel-Filmen durchbrochen, in denen zum Beispiel MDMA erklärt wird. Wer sich mit der Substanz bereits auskennt, kann via Skip-Button das Video überspringen, als ob es ein Intro auf Netflix wäre.

Jonathan Frakes erscheint im X-Faktor-Studio und erklärt uns das Darknet, immer wieder ploppen Textmessages auf, weil die Schüler*innen in Rinseln eben vorwiegend via Handy und Social Media miteinander kommunizieren. Moritz durchbricht in guter „Malcolm in the Middle“-Manier die vierte Wand und spricht wie bei einer Doku direkt in die Kamera: „Wenn man im Internet im großen Stile Drogen verkauft, sollte man eine Sache auf gar keinen Fall machen: wildfremden Menschen davon erzählen. Außer natürlich Netflix ruft an und sie sagen, sie wollen eine Serie über dein Leben machen. Badamm!“. Es folgt der typische Netflix-Start-Sound.

Der Hauptdarsteller Maximilian Mundt von How to Sell Drugs Online (Fast)

Netflix / btf

Die Serie ist bunt und spaßig, voller kreativer Ideen, selbstbewusst und selbstreferenziell. Sie wirkt aber hin und wieder so, als ob sie gezwungen anders sein will, und vernachlässigt dabei leider auch die Story: Wie genau Moritz mit seiner Drogendealerei Lisa zurückgewinnen will, ist auch am Ende der sechsteiligen ersten Staffel schleierhaft und bleibt eine Schnapsidee. Lisas Suche nach sich selbst wird authentisch gespielt, auch Lenny kann als Code-Kiddie im Rollstuhl überzeugen. Hauptdarsteller Moritz, gespielt von Maximilian Mundt, wirkt allerdings glatt und fad, bisweilen sogar etwas creepy.

Laut Drehbuchautor Stefan Titze war es für Netflix wichtig, dass man für Moritz rootet, sich mit ihm identifizieren will und ihn nicht wegen seiner Verbrechen ablehnt. Richtig gelungen ist das leider nicht. Und auch Bjarne Mädel, einer der wenigen bekannten Schauspieler in der Serie, will als Drogendealer Buba einen Typen spielen, vor dem man sich fürchten muss, wenn auch mit einem Augenzwinkern. Richtig Angst hat man vor Buba aber nie.

Die kurze erste Staffel wirkt insgesamt viel mehr wie ein Prolog, wie ein Teaser auf das, was da vielleicht noch alles kommen könnte, und schließt keine Haupthandlung wirklich ab. Hoffen wir also, dass Netflix die Serie verlängert und die Story zu Ende bringen kann, genügend Potenzial hat „How to Sell Drugs Online (Fast)“ auf jeden Fall.

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