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Portraitfoto MOTSA

© Julian Mullan

Artist of the Week

MOTSA pendelt mit seinem Debüt zwischen Schock und Hoffnung

Der österreichische Produzent MOTSA hat mit seinem detailverliebten Elektropop-Debüt ein Themen- und Soundmosaik unserer Zeit geschaffen und ist unser Artist Of The Week.

Von Andreas Gstettner-Brugger

„I’m scared. everybody is scared. What most of us don’t realize: All things we are scared of are created by ourselves.“

Damit beginnt das Video zur Single „No Fear“ von MOTSA. Der Protagonist (grandios gespielt von Abde Maziane) rennt zu den deepen Beats und der dunklen Synthie-Atmosphäre durch eine unwirkliche, futuristische Landschaft. Verfolgt von seinen Gegnern versteckt er sich in Häuserruinen, versucht sie entlang eines roten Flusses abzuhängen und steht am Ende seiner Angst gegenüber.

Es ist ein dystopisches Bild, das Musiker Valerio Dittrich mit Regisseur Rupert Höller entworfen hat. Gedreht in Süd-West-Spanien, in einem aufgelassenen Minengebiet mit einem hochtoxischen Fluss, thematisiert es die Zerstörung der Natur durch den Menschen. Es geht um den Kampf Mensch versus Technologie, den wir durch die immer schneller werdende Entwicklung und die immer größere Macht der digitalen, virtuellen Welt zu verlieren drohen. Ein geniales Stück, gesungen von David Österle von den Hearts Hearts, mit dem MOTSA schon öfter zusammengearbeitet hat. Doch bis es zu diesem einzigartigen Song des Debüts „Perspectives“ kommen konnte, ist Valerio Dittrich einen langen Weg gegangen.

Von der Verzweiflung zur Inspiration

Wir kennen den österreichischen Produzenten Valerio Dittrich alias MOTSA von vielen seinen zurückgelehnten Elektroniknummern wie „Sleepless Nights“, das einem mit seiner markanten Synthie-Melodie nicht mehr aus dem Kopf geht, auch wenn der Track schon sechs Jahre alt ist. Nachdem er auf Fatboy Slims Label Southern Fried Recrods veröffentlicht hat, gründete der in Schottland aufgewachsene Musiker sein eigenes Label Petricolour, benannt nach seiner EP, die vor drei Jahren erschienen ist.

Albumcover MOTSA "Perspectives"

MOTSA/Petricoloour

Der nächste Schritt, das Debütalbum, war mit einer verzweifelten Suche nach einem neuen Studio verbunden. Eine zufällige und wundervolle Gelegenheit hat dann den notwendigen kreativen Prozess wieder ins Fließen gebracht und zu der berührenden und hoffnungsvollen Single „Salvation“ geführt.

Valerio: „In dem Song geht es um Rettung und Heilung im Allgemeinen. Für mich persönlich steht der Track für das Ende der Studiosuche. Denn ich war schon ziemlich verzweifelt und hatte noch dazu persöhnliche Probleme. Und dann hat mir Anja Plaschg alias Soap&Skin angeboten, ihr Studio zu übernehmen. Und ‚Salvation‘ war dann wirklich die erste Nummer die ich dort geschrieben habe. Es war der 26. September 2017, da kann ich mich ganz genau daran erinnern.“

Es ist eines der absoluten Highlights der Platte, „Perspectives“, mit seinem melancholischen Unterton und den sehnsuchtsvollen Melodien. Wieder ist es die Stimme von David Österle, die uns in den detailverliebten Soundkosmos entführt.

Das Soundmosaik der Konflikte

Überhaupt versteht es Valerio Dittrich perfekt, die Leichtigkeit seiner Beats, die wundervollen Harmoniebögen und das luftige Arrangement der Schwere der Themen der Platte gegenüberzustellen. Denn die Single „Rolling Back“, gesungen von der amerikanischen Sängerin Madeline Kenny, ist trotz der upliftig beats ein düsteres Stück.

MOTSA live:

Valerio: „Als ich gesehen habe, dass mit Donald Trump ein wirklich Wahnsinniger zum Präsidenten der Vereinigten Staten geworden ist, hat mich das in einen Schockzustand versetzt. Es war ein Gefühl der Schwerelosigkeit. Dieser lange, verhallte und bisschen angezerrte Bass des Songs stellt das für mich perfekt da. Ich hatte auch Bilder des Weltraums im Kopf, des ohne Halt Umherzuschwirrens. Dazu habe ich dann noch das Sample von Kirchenglocken integriert, die ich bei meinem Vater in Moskau aufgenommen habe.“

Das generelle Überthema der Platte „Perspectives“ ist, dass wir alle unterschiedlichen Perspektiven auf die Welt und das Leben haben. Dadurch ergeben sich auch laufend Konflikte, die zu eingefahrenen Situationen und verhärteten Fronten führen. Eine Lösung, diese Zustände zu ändern und aufzubrechen, hat Valerio Dittrich freilich nicht parat. Aber Tracks wie das pumpende, dahin groovende Stück „Revolution“ und die geniale Nummer „Reset“ mit der Stimme von Sophie Lindinger von Leyya beschäftigen sich mit der Idee eines globalen shifts, eines umwälzenden, weitreichenden Paradigmenwechsels.

Portraitfoto MOTSA

© Julian Mullan

Musikalisch bricht der österreichische Produzent die kühle Distanziertheit von elektronischen Sounds durch seine Fieldrecordings auf. So werden Klänge seiner Reisen rund um die Welt in kurzen Samples zu harmonischen Schichten transformiert, die MOTSA in seine Tracks verwebt. Seien es die besagten Kirchenglocken in Moskau, der Kokosnussverkäufer und spielende Kinder an einem Strand von Ibiza in dem Stück „Pontinatx“ oder der Donner und das Gewitter in Mexiko. Auch MOTSAs eigene Stimme wird zu einem atmosphärischen Instrument. Das alles erzeugt mit der detailverliebten und geschmackvollen Produktion eine unglaubliche Wärme und lässt auch ein Gefühl der Hoffnung entstehen, dass Veränderung und eine positive Entwicklung möglich sind. So flirrt und knistert es in dem magischen Schlussstück „Hope Dies Last“, das einmal mehr deutlich macht, wie MOTSA mit Klängen und Instrumenten eine Geschichte erzählen kann, die tief emotional berührt. So ist „Perspectives“ großes und vor allem zeitloses Soundkino und zugleich ein Beispiel für außergewöhnliche, musikalische Handwerkskunst.

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