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Pathologic 2

Ice Pick Lodge

Videospiel für Fortgeschrittene

Wer sagt, dass ein gutes Videospiel unbedingt Spaß machen muss? „Pathologic 2“ ist frustrierend, fies und verwirrend - und trotzdem auf verstörende Art und Weise faszinierend und höchst unterhaltsam.

Von Rainer Sigl

Der Schauplatz: eine aus der Zeit gefallene postsowjetische kleine Industriestadt mitten in einer Steppe, aus der Sandstürme, Nebelschwaden und seltsame archaische Gestalten kommen. Die Figuren: Bürger, Nomaden, Monster und Kinder. Kern der Handlung: eine tödliche Epidemie, die aus normalen Menschen im Kampf ums Überleben verzweifelte Barbaren macht.

Das Videospiel „Pathologic 2“ ist eine bizarre Mischung aus Rollenspiel, Survival-Simulation, Adventure und nicht zuletzt mysteriöser virtueller Theaterinstallation, in der wir uns von Geheimnis zu Geheimnis vorantasten. In der Gestalt eines eben erst in seine Heimatstadt zurückgekehrten jungen Arztes finden wir unseren Vater ermordet vor und werden selbst zum Verdächtigen, zum Gejagten und schließlich - vielleicht - zum Retter einer dem Untergang geweihten Stadt. Zwölf Tage lang versinken wir in ein absurdes Abenteuer, wie man es zuvor selten im Videospiel erlebt hat.

Neuerfindung eines Kultspiels

„Pathologic 2“ ist keine Fortsetzung, sondern die Neuerfindung eines Kultspiels. Wie im ersten Teil aus dem Jahr 2004 ist man auch hier aus der Ichperspektive in einer zunehmend dem Chaos verfallenden Stadt damit beschäftigt, einzelne Aufgaben zu erledigen, mit den bizarren Figuren zu reden und vor allem - zu überleben. Das ist alles andere als einfach, denn man muss nicht nur regelmäßig essen, trinken und schlafen, sondern auch darauf achten, gesund zu bleiben und es sich mit den anderen Figuren nicht zu verscherzen.

Kämpfen sollte man so weit möglich aus dem Weg gehen, doch egal, wie geschickt man sich anstellt: In den zwölf Spieltagen wird man unmöglich alle Stadtbewohner retten können - oder auch nur sein eigenes Leben.

Die Survival-Mechaniken des Spiels stehen so weit im Vordergrund, dass vor allem im weiteren Spielverlauf harte Entscheidungen gefragt sind: Die Medizin, mit der man eigentlich einen story-relevanten Charakter heilen wollte, braucht man dann unter Umständen selbst, um überhaupt am Leben zu bleiben, die unerbittlich verrinnende Zeit erlaubt nur den Besuch eines einzigen Patienten und so weiter.

Pathologic 2

Ice Pick Lodge

Stufenlos regelbare Erbarmungslosigkeit

Weil dieser gar etwas stressig geratene Überlebenskampf, der mehr und mehr die einzigartige Story des Spiels in den Hintergrund drängt, vielen Spielerinnen und Spielern doch zu heftig war, haben die Entwickler allerdings netterweise schon kurz nach Release einen stufenlos einstellbaren Schwierigkeitsgrad nachgereicht, mit dem sich zum Beispiel die Auswirkungen von Hunger, Durst, Erschöpfung oder Infektionen spürbar mildern lassen - wer das Spiel im ursprünglichen Schwierigkeitsgrad bewältigt, wie ihn die russischen Entwickler vorgesehen haben, darf sich dafür mit einem eigenen Achievement schmücken.

„Pathologic 2“, erschienen für Windows.

„Pathologic 2“ ist düster, brutal, komplex und mysteriös, gibt kaum eindeutige Antworten und stellt immer wieder vor Entscheidungen, die an die Substanz gehen. Auch Scheitern ist immer eine Option, denn was genau das Richtige ist, ist kaum auszumachen.

Diese Vielschichtigkeit macht das Spiel zu einer faszinierenden Erfahrung, wie man sie im gefälligen Medium Videospiele nicht häufig zu sehen bekommt. Dazu kommt fantastische, immer wieder überraschende Art Direction mit effektvoll eingesetzten Lichtstimmungen und ein spektakulärer, beinahe halluzinogener Soundtrack.

Ganz traditionell „Spaß“ macht „Pathologic 2“ im klassischen Sinn eigentlich nicht - faszinierend, einzigartig und auf verstörende Weise unterhaltsam ist dieses bizarre Einzelstück aber auf jeden Fall. Ein Videospiel für Fortgeschrittene.

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