FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Flugzeug

Paris Airshow

Erich Moechel

Konflikt um die F-35-Jets überschattet Pariser Airshow

Der Streit Türkei versus USA dreht sich weniger um Kampfjets und Raketen, sondern um die vollständige Dominanz des Pentagon über die Cloudsysteme, die auch die F-35 der Partnerstaaten kontrollieren. Eine strategische Analyse.

Von Erich Moechel

Vor der Pariser Airshow, die am Montag startet, ist der Konflikt zwischen den USA und der Türkei um die Lieferung von F-35-Kampfjets eskaliert. Am Donnerstag hatte die Türkei den Kauf von russischen S-400-Luftabwehrsysteme abgeschlossen. Gestritten wird weniger um die Raketen oder Kampfjets selbst, sondern um deren Kontrolle durch Cloud-Systeme, die in die militärischen Kommunikationssysteme Russlands bzw. der USA integriert sind.

Russland behauptet, die vernetzen S-400-Raktenabwehrsysteme für die Türkei von der eigenen Infrastruktur völlig abtrennen zu können. Die USA hatten das für die Exportversionen der F-35 nie vorgesehen, sämtliche Daten gehen direkt in eine Cloud der US Airforce. Die NATO-Staaten drängen nun darauf, ihre Flotten zumindest in Teilen selbst zu kontrollieren. Bei der Airshow 2017 in Le Bourget hatte die F-35 ihren öffentlichen Jungfernflug absolviert.

Flugzeug

Paris Airshow

Wie auch das Coverfoto stammt dieses Bild aus einer Promostrecke der Paris Airshow in Le Bourget , die am Montag startet und erst am nächsten Sonntag zu Ende geht.

Von der Dominanz durch Daten

Heuer sind diese angeblichen Superjets nicht in Paris präsent, die Bilanz der ersten Tranche an ausgesuchte Partnerstaaten sieht nämlich ernüchternd aus. Nach mehr als zehn Jahren Entwicklungszeit ist die Software immer noch voller Fehler, wie US-Fachmagazine berichten. Tief im System sind aber auch jetzt noch viele Abläufe und Routinen der US-Airforce standardmäßig einprogrammiert. Den alliierten Luftstreitkräften fallen solche versteckten Abläufe erst dann auf, wenn es Probleme gibt. Dann schaltet die Steuerungssoftware auf eine Fallback-Routine um, die gänzlich anders ablaufen kann, als die europäischen Piloten trainiert haben.

Gänzlich unzufrieden sind die Europäer mit der vollständigen Abhängigkeit von den Cloud-Systemen der US-Airforce. Diese Rechenzentren kontrollieren prinzipiell alle Flotten der F-35, ob die nun unter der US-Kokarde fliegen, oder britische, japanische oder italienische Hoheitszeichen tragen. Eine Separation dieser Daten war in der Architektur dieser militärischen Cloud von Anfang an nicht vorgesehen, ganz zu schweigen von irgendwie gearteten (Teil)-Autonomien für die Daten aus den Partnerstaaten.

F-35

Lockheed Martin / flickr.com

Diese Aufnahmen stammen nicht aus einem Servicehangar, wo die gelandeten Maschinen gewartet werden, sondern aus der Kontrollstation des ALIS-Systems von Lockheed Martin. Die Fehlerdiagnostik für die F-35 läuft über die Datenlinks nahe an Echtzeit. Angeblich können die Ingenieure von dort bis zu einem gewissen Grad direkt in die Elektronik eingreifen, über welchem Kontinent auch immer F-35-Jets gerade Manover fliegen.

Das fliegende Datenmonster

Wohl um die seit der Wahl Donald Trumps zunehmend nervösen Alliierten ruhigzustellen, wurde vor einem Jahr damit begonnen, wenigstens Teile dieser Datenmengen von den US-Systemen zu separieren. Informationstechnisch gesehen ist die F-35 nämlich ein fliegendes Datenmonster, dessen Sensorsysteme alle nur denkbaren Parameter jedes Flugs aufsaugen. Für den operativen Flugbetrieb werden diese Daten an Bord verarbeitet, alle relevanten Metadaten der F-35 aus Japan, Großbritannien, oder Holland landen jedoch in der Cloud der US-Airforce.

Damit verfügt das Pentagon über genaue Statusinformationen jeder einzelnen Maschine weltweit und das hart an Echtzeit. Dazu kommen auch noch die Daten aus anderen militärischen Systemen, die etwa in den Partnerstaaten mit der F-35 kommunizieren. Damit sind die USA schneller und umfassender über den Status der europäischen F-35 informiert, als deren europäischen Eigentümer. Darüber hatten sich die Europäer bereits seit 2013 beschwert, erst 2015 war das Pentagon bereits gewesen, dies als zu schnell zu behebenden Mangel zu akzeptieren. Dann geschah drei Jahre lang nichts.

92N6A radar for S-400

vitaly kuzmin / CC BY-SA 4.0

Links eine der sechs Abschussbatterien, die eine Radarstation (Mitte) des S-400-Systems steuern kann. By vitaly kuzmin, CC BY-SA 4.0, commons.wikimedia.org

„Sovereign Data Management“

Der schwelende Konflikt mit der Türkei um die S-400-Abwehrsysteme brachte im Sommer 2018 dann die Wende, das Pentagon verkündete den Start des „Sovereign Data Management“-Programm. Dieser 26 Millionen schwere Auftrag, die Daten der Partnerstaaten im „autonomen Logistikinformationssystems“ (ALIS) der F-35-Cloud mit Batterien von Firewalls zu separieren soll in der ersten Tranche bereits 2020 fertig sein. Dass dieser Zeitplan wirklich realistisch ist, steht sehr in Frage, denn die US-Seite hat es hier gar nicht eilig.

Die derzeitige Konfiguration der ALIS-Cloud liefert den USA nämlich ein minutenaktuelles Statusbild der alliierten F-35-Flotten samt der Konfiguration aller Bodenradars im gesamten Einsatzgebiet. Dazu kommen Datensätze über Art und Qualität der internen Kommunikationslinks etwa der italienischen Luftstreitkräfte. Kurzum: die US-Airforce erhält ein genaueres Lagebild der gesamten Maschinenkommunikationen rund um die exportierten F-35, als ihre Aliierten. Bezahlen werden das Programm die NATO- bzw. SEATO-Partner.

Aktuell: