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Florian Klenk und Julia Herrnböck

Elisabeth Scharang

Julia Herrnböck & Florian Klenk im FM4 Doppelzimmer

Julia Herrnböck von der Rechercheplattform DOSSIER und Florian Klenk, Chefredakteur der Stadtzeitung FALTER, geben im FM4 Doppelzimmer Einblick in ihre Arbeit als investigative Journalist*innen. Heute von 13 bis 15 Uhr auf Radio FM4

Von Elisabeth Scharang

Was soll publik werden?

Investigativer Journalismus steht seit Jahren auf der Liste der aussterbenden Arten. Aber dann kommen immer wieder große Aufdeckungen, die klar vor Augen führen, dass unabhängige Medien als vierte Macht im Staat unerlässlich sind.

Das FM4 Doppelzimmer mit Julia Herrnböck und Florian Klenk auf Radio FM4, zu hören am Donnerstag, 20. Juni, 13 bis 15 Uhr, und anschließend für 7 Tage im FM4 Player.

Das ungekürzte Gespräch gibt es als FM4 Podcast auch zum Download .

Beispiele dafür sind die Veröffentlichung der Panama Papers, der Abhörskandal bei der NSA oder jetzt die Veröffentlichung des „Ibiza-Videos". „Wobei das Video per se nichts mit investigativem Journalismus zu tun hat,“ kommentiert Florian Klenk, Chefredakteur der Stadtzeitung FALTER, „vielmehr geht es darum, was nach den Aussagen in dem Video folgt. Unsere Arbeit liegt darin, diesen Aussagen von Strache und Gudenus nachzugehen. Was war Prahlerei und wobei könnte es um Korruption gehen.“

Florian Klenk hat Jus studiert. Dieses Fachwissen hilft ungemein, wenn es zum Beispiel um die Medienberichterstattung über den BUWOG-Prozess gegen den ehemaligen Finanzminister Grasser geht. Aber auch Klenks Artikel über Polizeigewalt sind mit seinem juristischen Hintergrundwissen unterfüttert. Was ihn antreibt? „Es geht um Veränderung. Ich schreibe und zeige auf, weil ich will, dass sich etwas verändert, dass es eine Reform gibt; zum Beispiel im Strafrecht oder wenn es um die Verhältnisse in den Gefängnissen geht.“

Julia Herrnböck arbeitet für die Rechercheplattform DOSSIER. Für ihre Doktorarbeit hat sie im letzten Jahr in Europa und den USA führende Journalist*innen und Redaktionen besucht, um eine Bestandsaufnahme des investigativen Journalismus zu machen und auch einen Blick in die Zukunft zu werfen. Wie weit sind Leser*innen bereit, für fundierte Recherche auch zu zahlen? Werden Projekte wie DOSSIER künftig eine noch wichtigere Rolle einnehmen, weil sie unabhängig und auf einzelne Themen fokussiert Journalismus bieten, der in den letzten zehn Jahren im Zuge der zunehmenden Digitalisierung der Medienlandschaft verloren zu gehen schien? Kurzum: Was ist uns unabhängiger Journalismus wert?

Elisabeth Scharang, Florian Klenk und Julia Herrnböck

Gersin Livia Paya / Radio FM4

Die Antwort darauf ist durchaus positiv. Nach der Welle, in der alles, was im Netz steht, gratis konsumiert wurde, pendelt es sich ein, dass wir für Musik-Streaming-Dienste bezahlen und auch Zeitungen im Online-Abo lesen.

In einem fast zweistündigen Gespräch für das FM4 Doppelzimmer, das ich mit Julia Herrnböck und Florian Klenk geführt habe, reden sie über ihre persönliche Motivation, im Journalismus zu arbeiten, über Message Control, Hasspostings und den richtigen Zeitpunkt, eine Geschichte zu veröffentlichen.

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Beispiele für journalistische Aufdeckungen der letzten Jahrzehnte mit nachhaltigen Auswirkungen:

Missbrauch in der Kirche

Im Jahre 2002 veröffentlichte der Boston Globe eine Artikelserie, die stichhaltig bewies, dass mehr als siebzig Geistliche in der Diözese Boston über Jahrzehnte hinweg ihre Schutzbefohlenen sexuell missbraucht hatten. Und nicht nur dies, sondern auch, dass diese Fälle von der katholischen Kirche systematisch vertuscht worden waren. Fast 600 Artikel druckte der Globe insgesamt zu diesem Thema und löste dadurch eine öffentliche Debatte in den gesamten Vereinigten Staaten aus, in deren Folge bis 2012 insgesamt 6.275 katholische Priester wegen sexueller Übergriffe auf Minderjährige angeklagt wurden. Der Spielfilm „Spotlight“ erzählt von diesem größten Missbrauchsskandal der USA, den vier Journalist*innen aufgedeckt haben.

Der Fall Groër

Es war der 26. März 1995, als die Titelgeschichte des Nachrichtenmagazins Profil für ein Beben in der katholischen Kirche sorgte. „Groër hat mich sexuell missbraucht“, stand auf der Titelseite zu lesen. Josef Hartmann, ein Ex-Zögling Groërs in dessen Zeit als Lehrer im Knabenseminar Hollabrunn, hatte berichtet, als Bub Opfer von Groërs sexuellen Übergriffen geworden zu sein.
Andreas Khol, damals Klubobmann der ÖVP, wollte die Veröffentlichung des Profil-Berichts noch im Vorfeld durch eine gerichtliche Beschlagnahmung verhindern. Doch sein Versuch scheiterte ausgerechnet an Groër selbst, der sich weigerte, den Beschlagnahme-Antrag zu unterzeichnen. Er schwieg zur Causa. Dafür meldete sich der damalige Raiffeisen-Chef Christian Konrad, einer der Eigentümervertreter des Profil, lautstark zu Wort, wie sich Josef Votzi, einer der Autoren der Geschichte, erinnert: „Wann des net hoit, fliagts alle drei.“ Die „drei“ waren die beiden Autoren der Groer-Story, Chefredakteur Votzi und Herausgeber Hubertus Czernin sowie Chefredakteur Herbert Lackner. Es hat gehalten.

Der AKH-Skandal

1980 hat der Aufdeckungsjournalist Alfred Worm die Schmiergeldaffäre rund um den Bau des AKH aufgedeckt. Der AKH-Skandal war der bislang größte Bauskandal in Österreich. Hintergrund waren die Kostenexplosion und eine damit verbundene Schmiergeldaffäre. Im September 1981 folgte der AKH-Prozess, das bis dahin größte Gerichtsverfahren in Österreichs Nachkriegsgeschichte mit 30.000 Seiten in 67 Aktenordnern, ebenso vielen Beilagenseiten, vier Sachverständigen und mehr als 100 geladenen Zeugen. Es kam zu insgesamt elf Verurteilungen.

Die Panama Papers

Mehr als 11,5 Millionen Dokumente sind der Süddeutschen Zeitung von einer anonymen Quelle zugespielt und vom Internationalen Konsortium für Investigative Journalisten ausgewertet worden. Die Veröffentlichung hat gezeigt, wer wo sein Geld in Steueroasen geparkt und damit die Staaten um Milliarden an Steuergeldern betrogen hat.

Die NSA-Affäre

Der Abhörskandal um die Geheimdienste NSA und BND. Edward Snowden, der NSA-Whistleblower, überließ sein Material renommierten Journalist*innen zur Veröffentlichung und wählte einen Weg, der Anti-Wikileaks ist. Im Juni 2013 wurden die Informationen von mehreren internationalen Medien veröffentlicht: umfangreiche Geheimdokumente, die belegen, dass die NSA und weitere Geheimdienste die weltweite Kommunikation massiv und anlasslos überwachen. Schwerpunkt des dadurch enthüllten Überwachungsprogramms „Prism“ ist die Terrorabwehr. Snowden sagte damals, er wolle nicht in einer Welt leben, in der alles aufgezeichnet werde und deshalb habe er die Dokumente weitergegeben. Um einer Anklage wegen Geheimnisverrats in den USA zu entgehen, setzte er sich, schon bevor der Skandal bekannt wird, ins Ausland ab und fand schließlich in Russland Asyl, wo er sich bis heute aufhält.

Cum-Ex

Sich vom Staat Geld auszahlen lassen, das einem nicht zusteht – so ist es über Jahre in Deutschland und anderen europäischen Ländern passiert. Die Causa läuft unter dem Titel „Cum-Ex“ und „Cum-Cum-Geschäfte“ und meint die Rückerstattung der Kapitalertragssteuer. Das Schlupfloch, das diese Betrügereien möglich gemacht hat, wurde 2012 geschlossen. Die Aufarbeitung ist noch lange nicht beendet.

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