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Assange bei seiner Verhaftung

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Erich Moechel

„Five Eyes“-Spionageallianz gegen investigativen Journalismus

Journalisten des öffentlich-rechtlichen TV-Senders ABC in Australien wird ebenso wie Julian Assange in den USA „Verschwörung zum Landesverrat“ vorgeworfen, weil sie geheime Regierungsdokumente veröffentlicht hatten.

Von Erich Moechel

Die Anklage gegen Julian Assange in den USA geht über Wikileaks weit hinaus. Die Hausdurchsuchung beim öffentlich-rechtlichen TV-Sender ABC in Australien Anfang Juni hat nämlich irritierend parallele Züge. Wie Assange in den USA wird den ABC-Journalisten „Beihilfe zum Landesverrat“ vorgeworfen. Sie hatten ein Geheimdossier zitiert, das auf Kriegsverbrechen in Afghanistan durch australische Einheiten verweist. Ein Gerichtsurteil zur Frage der Legalität dieser Durchsuchung wird noch im Juni erwartet.

Zuletzt hatte US-Präsident Donald Trump der „New York Times“ nach einem Bericht über Cyberangriffe der NSA auf Russland ebenfalls Landesverrat vorgeworfen. Es ist kein Zufall, dass dieselben Vorwürfe gegen Journalisten fast gleichzeitig erhoben wurden, Regie bei diesem globalen Angriff auf den investigativen Journalismus führt nämlich die „Five Eyes“-Spionageallianz, die seit dem Kalten Krieg aus den Geheimdiensten der USA, Großbritanniens, Australiens, Kanadas und Neuseelands besteht.

ABC Headquarters

APA/AFP/Saeed KHAN

Die Zentrale der öffentlich-rechtlichen Australian Broadcasting Corporation ABC in Canberra.

Plötzlich, nach einem Jahr

Die angelsächsiche Spionageallianz ist auch über den Dächern Wiens in Form von Aufbauten über den Botschaften Englands und der USA präsent

Am selben Tag, als die Zentrale der öffentlich-rechtlichen Australian Broadcasting Corporation (ABC) acht Stunden lang durchsucht wurde, ging ein ebenso ausgedehnter Raid der australischen Bundespolizei gegen eine prominente Reporterin über die Bühne. Annika Smethurst, die für die Daily Mail Australia und weitere Blätter des größten australischen Medienkonzerns News Corp arbeitet, hatte über eine geplante Massenüberwachung australischer Bürger durch das NSA-Gegenstück ASD berichtet. Diese Berichte für die Mediengruppe des australischen Medientycoons Rupert Murdoch waren allerdings schon vor mehr als einem Jahr erschienen.

Die ABC hatte 2017 über ein geheimes Dossier zu Kriegsverbrechen in Afghanistan berichtet, die dem australischen „Special Air Service“ angelastet werden. Mit ihren Kernaufgaben „Aufklärung und Terrorismusbekämpfung“ gehört diese Spezialeinheit der Armee ebenfalls zur „Intelligence Community“, die vom Australian Signals Directorate (ASD) angeführt wird. Nach dem britischen GCHQ ist das ASD der am engsten verbündete Partnerdienst der NSA. In beiden Fällen spielten Dokumente der „Top Secret“-Klasse die tragenden Rollen und das hatte die Durchsuchungen letztlich ausgelöst.

Text

Public Domain

In der Anklageschrift wird der Vorgang der Dokumentenbeschaffung durch Assange bei Whistleblower Chelsea Manning als „Verschwörung zum Landesverrat“ bezeichnet. Die Anklage wurde vor demselben Bezirksgericht im Osten des Bundesstaats Virginia eingereicht, das vorher schon Edward Snowden in Abwesenheit verurteilt hatte.

Die Handschrift der „Five Eyes“

Den bis dato schwersten Schlag gegen die „Five Eyes“ hatten nicht ihre Gegner, sondern ein schmächtiger Programmierer namens Edward Snowden im Jahr 2013 geführt.

Der Direktor der australischen Bundespolizei hatte am Rande einer Pressekonferenz zu den Razzien bestätigt, dass die Durchsuchungen nicht wegen des Inhalts der Artikel und TV-Reportagen, sondern wegen der darin zitierten, geheimen Dokumente der australischen Behörden durchgeführt worden waren. Und so wird Polizeichef Neil Gaughan in australischen Medien dazu zitiert:

„Die Regierung Australiens, speziell Strafverfolger und Geheimdienste, sind auf die vertraulichen Informationen unserer internationalen Partner, insbesondere den ‚Five Eyes‘ angewiesen. Wenn es so aussieht, als könnten wir unsere eigenen Informationen nicht mehr schützen, ist zu befürchten, dass dieser Informationsfluss zum Erliegen kommt.“

Chefredakteur von ABC Australia, Craig McMurtrie, gibt ein Statement ab, nachdem die Polizei am Sitz des öffentlichen Senders eine Razzia durchgeführt hat.

APA/AFP/PETER PARKS

Craig McMurtie, Chefredakteur der ABC bei der Pressekonferenz im Anschluss an die Hausdurchsuchung durch die australische Bundespolizei.

Entscheidung in den letzten Junitagen

Darauf, dass es in Australien nicht nur die Interessen von Behörden und Geheimdiensten, sondern auch Pressefreiheit gibt, mussten dann der Direktor der ABC und die Führung der News Corp hinweisen. Beide haben einstweilige Verfügungen erwirkt, dass die beschlagnahmten Datenträger vorerst nicht ausgewertet werden dürfen, bis ein ordentliches Gericht über die Rechtmäßigkeit der Hausdurchsuchung entschieden hat. Eine Entscheidung steht für die letzten Junitage an.

Dass hier die beiden bedeutendsten Medienorganisationen Australiens wegen zweier inhaltlich völlig verschiedener Reportagen von 2018 ein Jahr danach am selben Tag durchsucht wurden, ist an Deutlichkeit kaum zu übertreffen. Hier wurde an den beiden größten Medienhäusern des Landes ein Exempel statuiert, mit der klaren Botschaft, dass Journalisten ihre Finger von Berichten über Staatsgeheimnisse lassen sollten.

Testgelände Australien

Das australische Gesetz zum Zugriff auf verschlüsselte Chats wurde im Dezember in einer Nacht- und Nebelaktion im Parlament verabschiedet. Es geht auf die „moderaten Vorschläge“ des britischen GCHQ vom Herbst 2018 zurück.

Auf den Tagungen der „Five Eyes“-Spionageallianz, der die USA, Großbritannien, Australien, Neuseeland und Kanada angehören, wird - wenigstens laut den offiziellen Protokollen - vor allem über technische Angelegenheiten und die „parlamentarische Kontrolle“ diskutiert. Die tatsächlichen Themen sind natürlich Strategien, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Auf dem Treffen in Australien 2018 war ein gemeinsames Vorgehen gegen verschlüsselte Chats abgesprochen worden. Whatsapp und Co sollten demselben Überwachungsregime unterworfen werden, das für die Telekoms gültig ist.

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Public Domain

Laut offiziellem Protokoll des „Five Eyes“-Plenums Anfang Oktober wurde die wichtige Rolle von „Whistleblowers“ thematisiert und sogar Bekenntnisse dafür abgelegt. Tatsächlich hatte man dort vereinbart, ein Zeichen gegen Whistleblower zu setzen und Journalisten gerichtlich dafür zu verfolgen, dass sie ihre Arbeit tun.

Im Dezember war dann Australien mit einem ersten solchen Gesetz vorgeprescht, das weltweit für Aufsehen gesorgt hatte. Australien ist nämlich seit mehr als zwei Jahrzehnten das primäre Testgelände für die Spionageallianz. „Down under“ wird seitdem immer zuerst ausgetestet, was sich die Zivilgesellschaft dort von den Geheimdiensten wie lange bieten lässt. Ziel dabei ist, einen nationalen Präzedenzfall zu schaffen, was in Australien offenbar viel einfacher ist, als dies in den anderen Staaten der Allianz vonstattengeht.

Atemberaubende Verlogenheit

Der obige Ausriss aus dem offiziellen Protokoll des „Five Eyes“-Plenums im Oktober 2018 in Canberra zeigt, dass auch der Umgang mit Whistleblowern und „unautorisierten Veröffentlichungen“ dort ein Thema war. Sein Inhalt aber widerspiegelt die atemberaubende Verlogenheit aller Protokolle aus diesen Kreisen. Vor allem, wenn man diese Behauptungen mit den tatsächlich aus dem „Five Eyes“-Treffen resultierenden Hausdurchsuchungen bei investigativen Journalisten in Australien vergleicht.

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