FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Megan Rapinoe

APA/AFP/FRANCK FIFE

Blumenaus Fußball-Journal

Zur Untrennbarkeit von Fußball und Politik

US-Captain Rapinoe verweigert die Hymne, Mariahilferinnen stoppen den Vatikan und Neymar liked Bolsonaro: Drei brandaktuelle Beispiele zeigen wie Politik und Fußball einander tagtäglich beeinflussen.

Von Martin Blumenau

Die Kamera gleitet über die inbrünstig singenden Gesichter… whose broad stripes and bright stars … ganz langsam von rechts nach links… that our flag was still there … Zwischenstopp beim Coaching Team, auch Jill Ellis bewegt die Lippen… that star-spangled banner yet wave … um dann nach Torfrau Naeher bei Captain Meg Rapinoe zu landen… the land of the free … und die singt nicht mit, schluckt merklich und beißt die Zähne zusammen … and the home of the brave.

Das war die Vorrunden-Bilanz der Frauen-WM, nach einem ersten Blick und einem zweiten auf Deutschland vs Spanien. Ich empfehle das große und aussagestarke WM-Extra von ballverliebt.eu.

Es ist Rapinoes Kaepernick-Moment: Sie protestiert. Gegen ihre Regierung, gegen Trump. Rapinoe nennt ihn sexist, misogynistic, small-minded, racist und auch, ganz im Stil von Trump selber „not a good person“.

Rapinoe hatte sich als erste Fußballerin dem aufsehenerregenden Protest des Footballers Colin Kaepernick gegen den strukturellen Rassismus der US-amerikanischen Regierung und die vor allem Schwarzen gegenüber gezeigte Polizei-Brutalität (der sich in simplen Knien während des Abspielens der Hymne äußert und zu massiven Zerwürfnissen innerhalb des US-Mainstreams geführt hatte) angeschlossen. Sie nannte es ihr awakening.

Fußball und Politik, das ist ja nicht das erstemal Thema hier, sondern bereits ein Klassiker.

Trump ist nicht erfreut, aber solange die Fußball-Frauen erfolgreich sind, kuscht er: „I love watching women’s soccer. They’re really talented”. Er kartet auch nur ein wenig nach, auf die Frage nach dem Pay Gap weicht er auf die Macht der Märkte und der Ökonomie aus. Kaepernick hatte er noch weggemobbt, nachdem seine Lobbyisten Druck auf die Besitzer der NFL-Teams gemacht hatte ist der Aktivist jetzt Persona-Non-grata und „nur noch“ Hero bei Nike. Im Fall von Rapinoe hält der US-Präsident vergleichsweise still.

Vielleicht nur solange Rapinoes Team siegreich bleibt. Das Achtelfinale gegen Spanien, ein wildes Monster von einem Match, hat es gestern überstanden, nach heftiger Gegenwehr, mit zwei Elfertoren von, ja: Megan Rapinoe, die nicht nur Captain, sondern als linker Flügel auch Antreiberin und steter Unruheherd ihres Teams war. Im ausverkauften Viertelfinale (Tickets werden mit Fantasiepreisen gehandelt) kommt jetzt der Gastgeber Frankreich, der die brasilianischen Altstars nach einem weiteren epischen, mühe- und würdevollen Achtelfinale nach Hause schickte, auf die favorisierten US-Damen zu.

Rapinoes Protestaktion wird wohl erst im Finale, wenn dann wohl die ganze Welt zuschaut, seine volle Wucht entfalten. Vielleicht spekuliert Trump damit, dass sich die Sache von selbst erledigt.

Maria hilft gegen den Vatikan

Die Aktion fand zwar in Wien-Simmering statt, Ausgangspunkt war aber das Frauenteam des FC Mariahilf, also meines Heimatbezirks. Anlässlich eines Jubiläums hatte der FCM das ganz neu zusammengestellte Frauen-Team des Vatikan eingeladen, durchaus ein PR-Coup, den der Kirchenstaat freudig annahm.

Gestern in Blumenaus Fußball-Journal, das jetzt wieder regelmäßig erscheint: alles über die systematische Analyse-verweigerung nach der U21-EM. Siehe dazu auch: Nachträgliche Relativierung, die Nachlese zur Niederlage der U21 gegen Dänemark; die Analyse des Sieges über Serbien. Davor Texte über den letzten Test vor Beginn der ersten U21-Euro an der der ÖFB teilnehmen darf.

Zuletzt noch im Journal: die Analyse der Hahnenkämpfe um die globalen Fußball-Rechte anlässlich des Afrika-Cups, eine Analyse der zunehmend geschlossenen Gesellschaften im Fußball Closed Shop – am Beispiel der beginnenden UEFA-Bewerbe und des Trainingsbeginns der Liga-Meisterschaft. Dazu auch eine Analyse der Position der Chef-Coachs und die Bilanz der letzten Saison.

Außerdem: Nachbetrachtung zum Mazedonien-Ausflug des ÖFB-Teams sowie Preview und Nachlese zum Slowenien-Länderspiel.

Das sind die Vorgängertexte, egal ob als #dailyblumenau auf der neuen oder der alten Website, oder im langjährigen Journal. Ein regelmäßiges Journal zu diesen Themenfeldern abseits des Fußballs, folgt im Herbst.

Es hatte auch niemand damit gerechnet, dass just im brav-katholischen Österreich, wo auch Kanzlersegnungen angesagt sind, und just von einem Stadtteil, der die Marienanbetung im Namen trägt, Missbilligung der vatikanischen Politik, also der Positionierung der katholischen Kirche, zu erwarten waren.

Nach gemeinsamem Gottesdienst vor da wohl noch unverdächtig in Europride-Regenbogenfarben gehaltener Symbolbildern, waren es dann drei Spielerinnen, die eine (dezenten) Körperprotest im Femen-Stil anbrachten und in weiterer Folge nach sich aufschaukelnden Kommunikationsirrläufen den Delegationsleiter des Frauen-Teams Vatikan, den päpstlichen Nuntius, dazu veranlassten das Team Vatikan noch vor Beginn des Spiels zurückzuziehen.

Und so haben drei Bäuche mit aufgemalten Eierstöcken und drei Rücken mit Parolen wie my body, my rule und ein selbstgemalten Protest-Tuch in zumindest einmal alle deutschsprachigen Medien geschafft, wiewohl die drei Protestantinnen (pun intended) mit ihrer Protestaktion gar keinen Abbruch im Sinn gehabt.

Weitgehend unhinterfragt blieb, dass der Nuntius, also der Botschafter der Kirche in Österreich, der Befehlshaber des Abtritts war. In der Welt des Fußballs existiert nämlich eine strikte Trennung zwischen Staat und Verband, ein Einmischungs-Verbot, das von der FIFA auch streng gehandhabt wird. Der Vatikan ist nun kein FIFA-Mitglied, und die hier sichtbar gewordenen Strukturen erzählen auch, warum das auch in näherer Zukunft so bleiben wird.

Und erst im Nachlauf, als auch im Vatikan klar wurde, dass auch bei Frauenthemen wieder einmal Männer die Befehle gegeben hatten, durften sich die Vatikan-Frauen dann selber äußern

Wer kuschelt mit Brasiliens autoritärem Präsidenten?

Dass sich Staatsmacht und Fußball gerne arrangieren und einander zum Popularitätsgewinn nutzen, ist – siehe Özils Hochzeit mit Erdogan - kein exotisches Phänomen.

Das war die Preview zur in Brasilien stattfindenden Copa America, hier ein Text zu den TV-Übertragungen.

Trotzdem ist Brasilien da traditionell anders, losgelöster, schriller. Vor allem seit der Rechtsaußen-Populist Jair Bolsonaro die öffentliche Debatte dominiert. Schon im Wahlkampf hatten sich Altstars wie Rivaldo oder Ronaldinho für den jetzigen Präsidenten stark gemacht. Vor allem der früher oft angeduselte Ronaldinho, der nichts ohne seinen Bruder/Manager Roberto Assis (der lange in der Schweiz gespielt hat) unternimmt, liebäugelt gern mit starken Männern (hier auch mit Ehrenmord-Fan und Schwulen-Hasser Kadyrov). Ex-Teamspieler Felipe Melo hat Bolsonaro im Vorjahr ein Tor gewidmet, der damalige Kandidat zeigt sich in so vielen populären Vereins-Trikots wie möglich, um Stimmen zu fangen.

Auch die aktuelle Mannschaft ist dicht dran. Lucas Moura von Tottenham agitierte auf Twitter, wurde aber vom Verein gebremst. Der FC Barcelona stellte seinen Botschafter-Deal mit Ronaldinho ruhend.

Wer wie Superstar Neymar aber keine Autoritäten anerkennen muss, kann liken wen er mag und tut es auch. Die Gegenstimmen sind wenige und vorsichtig. Dani Alves, aktuell Kapitän der Seleção, schrieb, er hoffe der Präsident würde „Menschen wie Menschen behandeln, unabhängig von ihrer Sexualität, ihrer sozialen Position oder anderem.“

Und Juninho Pernambuco, der einst beste Freistoßschütze der Welt und Team-Kollege von Ronaldinho, steht wohl als einziger der Branche klar gegen Bolsonaro, ganz in der Tradition des großen Arztes, Künstlers, Aktivisten und Weltklasse-Fußballspielers Socrates, der wie kein Zweiter das Zusammenspiel von Politik und Sport gelebt hat.

Den Text gibt’s auch zum Anhören als Podcast.

Blumenaus Fußball-Journal 250619

Die Vorrunde der Copa America in Brasilien ist seit heute Nacht vorbei. Alle südamerikanischen Groß-Mächte, allen Voran die gut aufspielenden Gastgeber, aber auch die strauchelnden Argentinier, haben es ins Viertelfinale geschafft.

Ab Donnerstag laufen die Viertelfinals: Brasilien spielt gegen die schwachen Paraguayos, das erstarkte Venezuela bekommt Argentinien, Gruppensieger Uruguay hat Peru zum Gegner und Gruppensieger Kolumbien hat das schwerste Los, nämlich Titelverteidiger Chile. Die beiden Großen, Brasilien und Argentinien treffen wohl bereits im Halbfinale aufeinander.

Auffälligster Mann beim in Abwesenheit von Neymar von Philippe Coutinho gut geführten brasilianischen Team ist Everton, der ungezügelte und unberechenbare Außenspieler von Gremio Porto Alegre, wo auch das Viertelfinale stattfinden wird.

Aktuell: