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Bachmannpreis 2017

ORF/Johannes Puch

Literatur ist mein Sport: Morgen beginnt das Lesen um den Bachmannpreis!

Ab Donnerstag lesen vierzehn AutorInnen um den Ingeborg-Bachmann-Preis bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur. Mit dabei: Sarah Wipauer und Lukas Meschik, die bereits beim FM4-Kurzgeschichtenwettbewerb Wortlaut begeisterten.

Von Maria Motter

Juniende, Lesezeit! Los geht es Mittwochabend mit der „Rede zur Literatur“, und die hält dieses Jahr einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren der Gegenwart: Clemens J. Setz wird uns Einblick in seine Auffassung von Poetik gewähren. Dabei ist dieser Mann ein Phänomen für sich: 3280 Seiten Literatur – Romane, Gedichtbände, Kurzgeschichten und ein ausgiebiges F&Q, erstellt anhand eines aufwändigen Verfahrens, das sind bislang die Veröffentlichungen von Clemens J. Setz. Seine Übersetzungen von Werken anderer Autoren nicht bedacht.

Trifft man ihn, kippt man von einer Erzählung in die nächste: tolle Alltagsbeobachtung! Und man vergisst, dass er sich für die Zeit Enthauptungsvideos des sogenannten Islamischen Staates angesehen hat. Denn Clemens Setz kann auch hervorragend zuhören. Für die Süddeutsche Zeitung hat er ASMR erklärt und in einer Folge der „Normalen Show“ von Stefanie Sargnagel und Orlinder Krinkel gleich selbst als Sprecher das wohlige Kribbeln ausgelöst und bei TOP FM4 eine ASMR-Einlage gestaltet. Ginge es nach ihm, würden Gedichte vor allem nur noch auf Twitter erscheinen, frei und für alle zu lesen. Erst gestern hat der gebürtige Grazer auch sein erstes Gemälde via Twitteraccount hergezeigt – Bachmannwettbewerb-Jurymitglied Klaus Kastberger tat Kaufinteresse kund.

Clemens Setz

Suhrkamp/Max Zerrahn

Clemens Setz

Denn das Wettlesen um den Bachmannpreis über 25.000 Euro, gestiftet von der Stadt Klagenfurt, hat traditionell eine Jury. LiteraturwissenschafterInnen und KritikerInnen nominieren KandidatInnen. Maximal vierzehn KandidatInnen dürfen antreten. Und vierzehn sind es auch, die sich Jury und Publikum stellen werden.

Das sind die Kandidatinnen für den Bachmannpreis 2019

Sarah Wipauer, Lukas Meschik, Julia Jost, Birgit Birnbacher, Leander Fischer und Ines Birkhan aus Österreich. Silvia Tschui, Tom Kummer und Andrea Gerster aus der Schweiz sowie Katharina Schultens, Ronya Othmann, Daniel Heitzler, Yannic Han Biao Federer und Martin Beyer aus Deutschland.

Sarah Wipauer und Lukas Meschik begeisterten bereits beim FM4-Literaturwettbewerb Wortlaut.

Die Lesungen beginnen am Donnerstagvormittag und gehen bis Samstagnachmittag. Wer wann liest, das entscheidet das Los am Mittwochabend bei der Eröffnung.

Manche der Lesenden sind noch unbeschriebene Blätter. Die Tage der deutschsprachigen Literatur sind ein Ort, an dem Verlage AutorInnen finden. Dass es von einem Teilnehmer gar nur einen Satz online zu finden gäbe und dieser ein banaler Tweet sei, erregte einige Gemüter. Dabei bedeutet das schlicht, dass dieses Jahr für Überraschungen gut sein könnte.

Bachmannpreis 2019 AutorInnen Überblick

TddL

Die ungeschriebenen Gesetze des Literaturbetriebs sehen vor, dass ein- bis spätestens eineinhalb Jahre nach der Teilnahme an den #tddl eine Veröffentlichung erfolgt. Lukas Meschik kann sich schon jetzt zurücklehnen: Sein neues Buch erscheint am 15. Juli und heißt schlicht „Vaterbuch“.

Meschik ist Musiker und Autor. Mit achtzehn Jahren wurde er unter die Top 10 des FM4 Wortlaut 2006 gewählt. Inzwischen hat er vier Romane geschrieben. Die Synposis zu seinem „Vaterbuch“ lautet so: „Im Alter von einundsiebzig Jahren stirbt der Vater zweier erwachsener Söhne ganz plötzlich nachts in seiner Küche. Jetzt herrscht Ausnahmezustand, und es gibt einiges zu tun: Ein Begräbnis ist zu organisieren, Wohnung und Garage sind auszuräumen. Fundstücke erzählen der Familie bisher Unbekanntes über den Toten.“

Beim FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb Wortlaut hat auch Sarah Wipauer mitgemacht. 2010 war ihr Text „Leben“ unter den besten zehn. Auf Twitter hat sie ihr Pseudonym Standseilbahn erst kürzlich aufgelöst. Auf dem Kurznachrichtendienst nimmt sie ihre Follower*innen auch mit auf ihre zahlreichen Ausflüge an ungewöhnliche, nur auf den ersten Blick unspektakuläre Orte.

Im Grazer Literaturhaus las Sarah Wipauer, die Sinologie und Vergleichende Literaturwissenschaften studiert hat, vor wenigen Monaten einen Text mit dem Titel „Warum sich viele Eltern für eine Maus entscheiden“ - wunderbar und komisch, passend für die Literatur-Late-Night-Show „Roboter mit Senf“. Auch für Klagenfurt ist Sarah Wipauer top vorbereitet und sicherheitshalber hat sie einen Stapel Bücher eingepackt.

Der Bekannteste in der diesjährigen KandidatInnen-Runde ist Tom Kummer. „Ein Bad Boy“ sei er gewesen, sagt er in der Dokumentation „Bad Boy Kummer“, in der Markus Peichl, ehemaliger „Tempo“-Chefredakteur und Galerist, klare Worte findet. Der Autoritätsgläubigkeit mancher deutscher Medien wollte man eine subjektive journalistische Sichtweise entgegensetzen. „Aber natürlich musste das, was man beschrieben hat, auch tatsächlich stattgefunden haben. Man konnte es nicht einfach erfinden. Das ist der Punkt, wo Tom etwas falsch gemacht hat.“

Der Schweizer Tom Kummer schrieb in den 1990er Jahren Interviews mit Stars wie Courtney Love und Mike Tyson – allein, die Texte stellten sich später als erfunden bis gefälscht heraus. Wer jetzt an den Fall Relotius denkt: Tom Kummer bezeichnete sein Vorgehen als „Borderline-Journalismus“, 2007 schrieb er über seine Beweggründe in „Blow up“ (Blumenbar). Jetzt erklärt er in seinem Autorenvideo, das jede/r AutorIn für Klagenfurt in Eigenregie liefern muss: „Literatur ist meine Sauerstoffmaschine“.

Zita Bereuter und Feridun Zaimoglu

Maria Motter

3sat überträgt die Eröffnung, alle Lesungen und die Preisverleihung live im Fernsehen und im Stream. FM4-Literaturressortleiterin Zita Bereuter - hier zu sehen auf einem Bild mit Feridun Zaimoglu - und Christian Ankowitsch moderieren.

Performance ist nicht alles, aber doch recht viel. „Ich glaube tatsächlich, Gedichte können alles“, erklärte Katharina Schultens vor einigen Jahren in einem Interview. Gedichte könnten politisch viel wirksamer sein als Essays, weil sie direkter wirken könnten und zwar im Vortrag, der durchaus etwas von theatralischer Performance hat. Für ihre Gedichte wurde die deutsche Kulturwissenschaftlerin und Autorin mehrfach ausgezeichnet. Jetzt schreibt sie an ihrem ersten Roman, und höchstwahrscheinlich hören wir einen Auszug daraus in Klagenfurt.

Biografische Eckdaten und herausgerissene Details sind das Eine. Das andere sind vier Tage, in denen es um nichts anderes außer um Literatur und das Sprechen über Literatur geht. Denn das fehlt an vielen der übrigen Tage des Jahres sehr, wie es Juli Zeh kürzlich so gut gesagt hat. „Ich habe das gelesen, du hast das gelesen und jetzt reden wir einfach mal darüber: Ist das geil? Ist das nicht geil, warum? Und wir fragen uns nicht die ganze Zeit, ‚Ist das politisch oder gesellschaftlich wirksam?‘. Sondern wir reden über unsere Leseerfahrung.“

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