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Japan's goalkeeper Ayaka Yamashita (R) concedes a goal during the France 2019 Women's World Cup

LOIC VENANCE / AFP / picturedesk.com

Blumenaus Fußball-Journal

Frauen-Fußball wird wie Männer-Fußball...

…und das ist nicht nur gut so. Einerseits hat das Achtelfinale der Frauen-WM das sportliche Level deutlich angehoben, andererseits wird gerade die globale Dominanz der fünf europäischen Geld-Ligen einzementiert.

Von Martin Blumenau

Es ist ein wenig so wie bei jedem Frauen-Fußball-Großereignis: die sportliche Entwicklung geht steil nach oben, die ausgeglichenen Spiele in den Achtelfinals boten physisch und taktisch das Beste, was bis dato zu sehen war. Es sind Riesenschritte, die den Attention Gap zwischen Männern und Frauen verkleinern, der in weiter Folge auch den Pay Gap erreichen wird.

Gestern in Blumenaus Fußball-Journal, das jetzt wieder regelmäßig erscheint: Zur Untrennbarkeit von Fußball und Politik mit zwei Beispielen aus dem Frauen-Fußball. Und das war die Vorrunden-Bilanz der Frauen-WM, nach einem ersten Blick und einem zweiten auf Deutschland vs Spanien. Ich empfehle das große und aussagestarke WM-Extra von ballverliebt.eu.

Zuletzt: alles über die systematische Analyse-Verweigerung nach der U21-EM. Siehe dazu auch: Nachträgliche Relativierung, die Nachlese zur Niederlage der U21 gegen Dänemark; die Analyse des Sieges über Serbien. Davor Texte über den letzten Test vor Beginn der ersten U21-Euro an der der ÖFB teilnehmen darf.

Zuletzt noch im Journal: die Analyse der Hahnenkämpfe um die globalen Fußball-Rechte anlässlich des Afrika-Cups, eine Analyse der zunehmend geschlossenen Gesellschaften im Fußball Closed Shop – am Beispiel der beginnenden UEFA-Bewerbe und des Trainingsbeginns der Liga-Meisterschaft. Dazu auch eine Analyse der Position der Chef-Coachs und die Bilanz der letzten Saison.

Außerdem: Nachbetrachtung zum Mazedonien-Ausflug des ÖFB-Teams sowie Preview und Nachlese zum Slowenien-Länderspiel. Und hier noch eine erste Bilanz( und eine Preview auf die Copa America.

Das sind die Vorgängertexte, egal ob als #dailyblumenau auf der neuen oder der alten Website, oder im langjährigen Journal. Ein regelmäßiges Journal zu diesen Themenfeldern abseits des Fußballs, folgt im Herbst.

Bloß: Der Frauenfußball ist auf dem exakt gleichen Weg in die Weltherrschaft der großen (europäischen) Player und Ligen wie der vom Kommerz dominierte Männer-Fußball. Und das - Treppenwitz - hat auch mit den (erfüllten) Forderungen zu tun, die gemeinhin gestellt werden, wenn es um die Förderung der Sportart geht.

Einfach gesprochen: eine sehr gute Entwicklung triggert eine ganz schlechte.

Es ist kein Zufall, dass sieben der acht Viertelfinalistinnen aus Europa kommen (dazu noch die dominante USA). Es ist kein Zufall, dass dieselben Ligen, Verbände und superreichen Vereine, die den Herren-Fußball beherrschen, nun auch den Frauen-Fußball unter sich aufteilen.

In den Anfangstagen seiner Professionalisierung war der Frauen-Fußball ein global verstreutes Phänomen. Innerhalb von Europa waren Deutschland sowie Schweden und Norwegen die ersten Qualitäts-Zentren. Dazu kamen die mächtige USA und das im Massensport immer assoziierte Kanada. Und dann waren da noch Brasilien, China und Australien. Dann kamen Russland oder Japan dazu; und Nordkorea, wo das Regime schnelle Propaganda-Chancen witterte.

England, Frankreich kamen erst später dazu, dann die Holländerinnen und zuletzt Spanien und nun, ganz neu Italien: gekommen, um zu bleiben.

Die Top 16 der aktuellen Weltrangliste stellten auch die Achtelfinalistinnen (mit Ausnahme der beiden Koreas, die beide drastisch abgebaut haben – dafür waren die beiden letztlich chancenlosen afrikanischen Teams dabei).
Rausgeflogen sind jetzt mit Kanada, Australien, Japan, Brasilien und China fast alle Nicht-Europäerinnen. Und das wird sich auch im Ranking auswirken: die europäischen Teams werden (gemeinsam mit den USA) alles dominieren.

Schuld an dieser massiven und kollektiven Leistungs-Steigerung sind Entwicklungen und Maßnahmen, die von allen Applaus bekommen: Die großen Vereine gründen eine Frauen-Abteilung. Englands Liga wird von Arsenal, Man City und Chelsea, die französische von Olympique Lyon, PSG, Montpellier, die spanische von Atletico, Barca und Bilbao, die italienische von Juve, Fiorentina und Milan, die niederländische von PSV, Twente und Ajax – alles Investments der reichen Klubs. Auf kurz oder lang werden alle anderen Big Player folgen.

In Deutschland, wo eine deutlich eigenständigere, gewachsene Struktur existiert, sind es neben Wolfsburg und Bayern immerhin noch Turbine Potsdam oder der FFC Frankfurt, also alteingeführte, klassische Frauen-Vereine. Nicht mehr lange: So plant etwa die SG Eintracht Frankfurt den FFC zu schlucken.

Kurz zum Sportlichen: Die Achtelfinal-Matches der Frauen-WM haben ganz stark das eingehalten, was in meiner Preview erwartet wurde: die Afrikanerinnen und Asiatinnen sind raus, die einen klarer, die anderen knapper, alle vier aber mit Ansage. In den zwei ganz offenen Duellen Schweden bzw. Norwegen gegen Kanada bzw. Australien haben sich die nachdrücklicher (man könnte auch sagen: langweiliger) spielenden Teams durchgesetzt. Die Top-Favoritinnen USA und Frankreich hatten mit ihren Gegnerinnen (den spannenden Spanierinnen, einem Gewinn in jeder Hinsicht, sowie den am letzten Anschlag fightenden Brasilianerinnen) wie erwartet viel Mühe.

Jetzt sind mit USA, Deutschland, Frankreich und England die Top 4 der Weltrangliste sowie Europameister Niederlande, und drei wenig interessante europäische Teams im Viertelfinale. Es ist fast wie bei den Herren im Vorjahr, da waren’s sechs Europäer und zwei öde Mannschaften.

In Schweden und vor allem Norwegen ist die Eigenständigkeit der Frauen-Vereine noch größer – allerdings sind diese Ligen für den Weltmarkt weniger interessant.

Es hat also die auch von Gutmeinenden gestellte Forderung nach Förderung durch Verband und Vereine dazu geführt, dass sich im Frauen-Fußball die ungesunde Markt-Konzentration, die den Männer-Fußball derzeit im Würgegriff hält, schlicht und ergreifend wiederholt. Über kurz oder lang werden auch die Transfer-Trails aus den sportlich/kommerziellen Randgebieten (Afrika/Südamerika), die dem globalen (= europäischen) Markt zusätzliche Kräfte geben, wiederholen.

Die USA als alleiniges Gegengewicht werden – wiewohl sie die aktuell weltbeste Liga NWSL stellen – zu wenig sein, vor allem wenn das Interesse in Asien zurückgeht. China und Korea sind schon seit einiger Zeit auf dem Rückzug, bei Ex-Weltmeister Japan könnte das Scheitern mit Ansage eine vergleichbare Entwicklung fördern.

In Brasilien steht die Popularität des Frauen-Fußballs auch vor einer Prüfung, was zum einen mit den absehbaren Ende der Ära Marta-Cristiane, aber auch dem gesamtgesellschaftlichen Backlash unter Bolsonaro sowie der ökonomisch wackeligen Liga zu tun hat.

Was bedeutet das alles für Österreich und seinen ebenfalls in Aufwärtsbewegung befindlichen Frauen-Fußball?

Dass die Hoffnung in Frauen-Abteilungen bei allen großen Vereinen nicht überschätzt werden soll. Ein Rapid-Frauenteam oder gar eine Salzburger Red Bull-Ladies-Variante (wird nicht passieren, weil Dosenchef Mateschitz da keinen Markt sieht, und in der Privatwirtschaft so etwas wie public value wenig zählt) bekämen zwar ordentliche Aufmerksamkeit – das Level der Spielerinnen würde sich aber, ganz wie bei den Männern – erst dann zu internationaler Qualität steigern, wenn sie den Weg in die erwähnten großen Ligen suche/finden. Wie das ja jetzt schon der Fall ist. Im aktuellen Kader sind quasi nur Legionärinnen, bis auf eine Handvoll Nachwuchs-Kräfte und St.Pölten-Kapitänin Jasmin Eder, und die ist eine Ehemalige.

Die Entwicklungen im österreichischen Frauen-Fußball waren gestern Abend auch bei FM4 Auf Laut das Thema.

Kleiner Tipp: ich würde die Sendung erst ab 21:35 anhören. Davor reden wissensbefreite Männer am Telefon von ihren Annahmen. Nachher diskutieren dann die Expertinnen und es wird interessant.

Die Nationalmannschaft kann nach ihrem Sommermärchen aufmerksamkeits- und auch sonst ökonomisch überleben. Auch andere haben davon profitiert: Liga und Cup haben erstmals Bewerb-Sponsoren.

Die Liga wird in den Medien wahrgenommen (von Krone bis Sportzeitung) und auf ORF Sport plus kompetent übertragen. Das in St.Pölten angesiedelte nationale Zentrum für Frauenfußball ist ein neu geschaffener Ausbildungsort von internationaler Qualität, den man mit dem Skigymnasium in Stams vergleichen kann.

Das aktuell größte Problem ist die überhitzte Erwartungshaltung, die dem recht langfristig angelegtem Projekt Frauenfußball dieser Tage entgegengebracht wird; das wird vor allem durch Medien, die sich im Alltag wenig mit Sport und den dahinterstehenden Strukturen beschäftigen, befeuert.

Es wird nicht der Frauen-Fußball sein, der die gesamtgesellschaftlichen Probleme (pay gap, sexistischer Blick, Aufmerksamkeits-Ökonomie im gerne skandalisierenden Medienumfeld…) löst. Er kann nur Anschauungs-Unterricht geben.

Den Text gibt’s auch zum Anhören als Podcast.

Blumenaus Fußball-Journal 260619

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