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DAMIEN MEYER / AFP / picturedesk.com

„Passieren muss der Klimawandel von unten“

Der grüne Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi im Interview zum „Klimanotstand“, warum Symbolisches und Lokales in diesem Fall doch was bringt und dass ihm die FPÖ in Klimafragen „wurst“ ist.

Von Boris Jordan

In Tirol spielt es sich gerade ziemlich ab was Klima Politik betrifft: Soeben ist eine Verschärfung des sektoralen Fahrverbots im Inntal beschlossen worden, Elektro- und Wasserstoffautos sind in Tirol seit heute von der IGL ausgenommen und dürfen ab jetzt als einzige in Tirol 130 km/h fahren - und nun hat auch die Innsbrucker Stadtregierung beschlossen, dass man in Innsbruck den „Klimanotstand“ ausrufen wird.

Konkret heißt das, dass die Innsbrucker Stadtregierung unter dem grünen Bürgermeister Georg Willi einen Antrag einbringen wird, dass Innsbruck als erste Landeshauptstadt in Österreich den Klimawandel und seine Folgen anerkennen wird. Der einzige grünen Bürgermeister einer österreichischen Landeshauptstadt, Georg Willi, im Interview.

Der Innsbrucker Gemeinderat hat fast einstimmig beschlossen, dass der „Klimawandel und seine Folgen offiziell anerkannt werden sollen. Da stellt sich schon die Frage: Hat es da bisher Zweifel gegeben?

Die grüne Klubobfrau Renate Krammer-Stark und die übrigen Klubobleute unserer Viererkoalition haben sich mit diesem Vorschlag einer internationalen Bewegung angeschlossen, die Parlamente und Verwaltungen auffordert, diesen Klimanotstand auszurufen, und das tun wir jetzt. Wir tun dies im Wissen, dass der Klimanotstand schon existiert. Es soll helfen, alle Maßnahmen, die wir in Innsbruck zur Bekämpfung des Klimawandels setzen, schneller und effizienter zu machen. Das Wissen um den Klimanotstand ist das Eine, das Andere ist das Handeln.

Georg Willi Bürgermeister Innsbruck

GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

Georg Willi

Klimapolitik ist in Tirol nicht immer ganz einfach. Naturschutzgebiete müssen gegen die Interessen der Tourismuswirtschaft erkämpft werden, der Transitkampf mit der EU ist ein Dauerthema. Man könnte von außen den Eindruck gewinnen, dass man hier eine symbolpolitische Handlung gesetzt hat, weil die Realpolitik zu langsam geht.

Die Realpolitik geht zu langsam, das ist richtig, aber sie tut dies auch deshalb, weil wir vielfach abhängig sind von Bundes-, Landes-, und EU-rechtlichen Rahmenbedingungen. Wenn die nicht passen, können wir vor Ort zwar versuchen, das Eine oder Andere allein zu machen, aber der internationale Verkehr wird zum Beispiel in Brüssel geregelt, da haben wir regional keine Chance, andere Regeln durchzusetzen.

Bei den Bauordnungen gilt dasselbe: Hier sind wir abhängig vom Land und wir hätten auch hier gerne mehr Handlungsspielraum, unsere Stadt und unsere Häuser klimaneutraler machen zu können, die Energieversorgung zwingender auf Photovoltaik umstellen zu können. Es braucht Rahmenbedingungen, wo viele Körperschaften zusammenspielen müssen. Dieser Antrag ist ein Ruf – nicht nur an uns selber, nicht um uns Klimadiskussionen zu ersparen - endlich das zu tun, was notwendig ist und auch andere dazu zu bringen, uns hier mit den nötigen rechtlichen Rahmenbedingen zu unterstützen.

Im Innsbrucker Gemeinderat sind sich alle Fraktionen außer der FPÖ einig, dass diese Resolution verabschiedet werden soll. Man hat sich selber die Latte sehr hoch gelegt. Wenn der Beschluss durch ist, muss sich Innsbruck konkret an seine eigenen Vorgaben halten - hat man sich da mit den anderen Parteien schon auf Maßnahmen geeinigt?

Was die FPÖ macht ist mir ziemlich wurst, die haben auch gegen das Klimaabkommen von Paris gestimmt, damals im Nationalrat. Wir als Viererkoaliton haben eine ausreichende Mehrheit, um das notfalls allein auch gegen die Stimmen der Opposition durchzusetzen. Wir stehen auch vor einer Nationalratswahl. Es ist dringend notwendig, dass eine ökosoziale Steuerreform in Angriff genommen wird, etwas, das seit Jahrzehnten gepredigt wird, aber immer noch nicht gemacht wurde. Man muss aufkommensneutral fossile Energieträger höher besteuern, um mit dem Mehr an Geld Klimaschutzmaßnahmen finanzieren zu können.

Innsbruck

Christoph Derganc / CC0 / Wikimedia Commons

All das allein, in einer Region - ist das sinnvoll?

Naja, Österreich hat immer wieder Alleingänge probiert und war damit durchaus erfolgreich. Auch das „sektorale Fahrverbot“ hat Österreich letztlich allein erfolgreich durchgesetzt.

Die Landeshauptstadt verpflichtet sich mit dieser Resolution dazu, „dem Kampf gegen die Erderwärmung künftig höchste Priorität“ einzuräumen und auch zur „Optimierung der Infrastruktur im Sinne der Ökologie“. Das betrifft Maßnahmen, die die öffentliche Hand in Auftrag gibt und finanziert. Gibt es hier schon konkrete Überlegungen?

Bei größeren Wohnbauprojekten und kommunalen Bauten stellt sich immer wieder die Frage der Energieversorgung, und es war in der Vergangenheit oft ein Kampf, die umweltfreundlichen Energien durchzusetzen: Bodenwärme, Wärmetauscher, viel Photovoltaik. Immer wieder taucht das Erdgas auf, das hat in einer zukünftigen Wärmeversorgung nichts verloren. Wir müssen die gesamte Energie letztlich aus Energiequellen holen, die von der Sonne angetrieben werden, wenn wir mit solchen Energieformen arbeiten, sind wir zukunftsfit.

Man müsste auch den öffentlichen Verkehr auf Elektromobilität umstellen. Ist das leistbar?

Wir sind auch beim öffentlichen verkehr daran, hier unsere Hausaufgaben zu machen. Wir, die IVB (Innsbrucker Verkehrsbetriebe, anm.) und auch das Land Tirol haben bereits Strategien in Arbeit, die den öffentlichen Verkehr auf nicht- fossile Energiequellen umstellen sollen, entweder auf Elektrobetrieb oder auf Basis der Wasserstofftechnologie. Letztere ist bereits bei der Zillertalbahn konkret geworden, die IVB arbeitet jetzt an dem Konzept der Elektrobusse. Wir haben bereits einen massiven Ausbau der elektrisch betriebenen Straßenbahnen betrieben. Klar ist: Das ganze kostet richtig viel Geld. Wir müssen jetzt damit beginnen, damit wir rechtzeitig fertig werden. Wir als Städte erwarten uns, dass der Bund hier mitfinanziert, was Minister Hofer schon angedeutet hat.

In Kanada gibt es schon über 300 Gemeinden, die den Klimanotstand ausgerufen haben, Zürich hat das gemacht, in Österreich ist es Traiskirchen, aber auch Mödling und Wien sind im Gespräch. Erhoffen sie sich also einen breite Front von kleinen Verwaltungseinheiten, die die größeren unter Druck setzen?

Ja. Seien wir ehrlich: Die Energiewende kann man oben feierlich beschließen, so wie das Pariser Klimaabkommen – passieren muss sie unten. Wir brauchen vor Ort engagierte Bürgerinnen und Bürger, die das in die Hand nehmen und auch Kommunen und Städte, die sagen: Wir bauen den Kampf gegen den Klimawandel von unten auf. Wir verändern unser Verkehrsverhalten, wir verändern unsere Bauweisen, wir pflanzen mehr Bäume, wir machen alles grüner. Von unten kommt die große Veränderung.

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