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Amtsübergabe nach der Wahl in Griechenland

APA/AFP/ANGELOS TZORTZINIS

Das Comeback der Konservativen in Griechenland

Das Zweiparteisystem in Griechenland wird gestärkt. Die Neonazis fliegen aus dem Parlament.

Von Chrissi Wilkens

Nachdem die Wahlurnen am gestrigen Sonntag geschlossen hatten, schien es für kurze Zeit so, als ob die konservative Partei Nea Dimokratia mit einem zweistelligen Vorsprung die linksgerichtete Regierungspartei SYRIZA zerschlagen würde. Die Exit Polls zeigten einen Vorsprung von bis zu 12 Prozent, der sich am Abend mit dem offiziellen Ergebnis auf 8 Prozent reduzierte.

Die Konservativen haben mit 39,8 Prozent die absolute Mehrheit erreicht. SYRIZA kam auf den zweiten Platz mit 31,5 Prozent. Der Vorsitzende von SYRIZA Alexis Tsipras wurde zwar für seine gebrochenen Versprechen während seiner Amtszeit abgestraft, aber nicht in dem Maße wie erwartet. An dritter Stelle kam die Partei Kinima Allagis (KiNal) (deutsch: Bewegung der Veränderung) mit 8,1 Prozent, die aus der einst mächtigen sozialistischen Partei PASOK entstanden ist und darauf gehofft hatte, einen großen Teil der enttäuschten SYRIZA Anhänger für sich zu gewinnen, was aber nicht der Fall war. An vierter Stelle folgte die Kommunistische Partei mit 5,3 Prozent. Den Einzug ins Parlament konnte auch die rechtspopulistische Elliniki Lysi (Griechische Lösung) mit 3,7 Prozent schaffen sowie die Partei des früheren Finanzministers Yanis Varoufakis MeRA25 mit 3,4 Prozent.

Wahllokal in Athen

Chrissi Wilkens / radio fm4

Die Neonazis von Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte), deren Führung gerade vor Gericht steht, sind mit 2,9 knapp an der Drei-Prozent-Hürde gescheitert und haben den Einzug ins Parlament verpasst. Bei den Europawahlen Ende Mai hatte sie noch 4,8 Prozent erreicht. Innerhalb weniger Wochen haben sie somit etwa 110.000 Wähler*innen verloren. “Im Vergleich zu den Wahlen im September 2015 hat sie sogar 60 Prozent ihrer WählerInnen verloren“, betont Politikprofessorin Vasiliki Georgiadou von der Panteion Universität in Athen. Viele ihrer Anhänger haben sich entschieden, andere Parteien zu wählen oder sind gar nicht zu den Urnen gegangen. “Chrysi Avgi hat sich aufgelöst. Es war eine strukturelle Niederlage. Es ist nicht richtig zu behaupten, dass Chrysi Avgi in Nea Demokratia oder in einer anderen Partei verborgen ist”, so Georgiadou.

Zweiparteisystem gestärkt

Durch diese Wahlen hat sich das Zweiparteisystem in Griechenland verstärkt, erklärt die Politikprofessorin weiter. “Nea Dimokratia hat mit fast 40 Prozent einen sehr hohen Wert, einen hohen Wert für eine Oppositionspartei hat auch SYRIZA mit 31 Prozent erzielt, insbesondere wenn man bedenkt, dass diese Partei im Jahr 2009 nur 4,5 Prozent hatte und die Prognosen für die gestrige Wahlen etwa mit 3,5- 4 Prozent weniger gerechnet haben.

Der Psychiater Savvas Savvopoulos erklärt das Wahlverhalten der Griech*innen und die Tatsache, dass eine Partei, die zu einem großen Teil für die Krise verantwortlich ist, wieder an die Macht kommt, wie folgt: “ Den Griech*innen gefällt es, zwischen weiß und schwarz, zwischen dem Guten und dem Bösen zu unterscheiden. Ich denke, es lag irgendwo an der Schwierigkeit, die Niederlage zu akzeptieren, den Verlust einer Situation, und deshalb entwickelten sich Angst, Wut, Rache und Paranoia, dass die Europäer*innen schuld sind oder jemand anderer. Und das früheste Symptom hier ist Verwirrung. Dann kann man das Gute vom Bösen nicht unterscheiden. Durch das Zweiparteisystem kann man die Sache zumindest zuordnen: Ich werde für Mitsotakis stimmen und es versuchen und falls es nicht klappt, werde ich wieder Tsipras wählen”, erklärt er.

Die neue Regierung von Kyriakos Mitsotakis will so schnell wie möglich ihr Programm umsetzen. Unter anderem will der neue Premierminister das Wirtschaftswachstum durch ausländische Investitionen erzielen, sowie Steuerentlastungen umsetzen. Mitsotakis wurde bereits heute Mittag von Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos vereidigt.

Mitsotakis in seiner ersten Ansprache nach der gewonnenen Wahl

AP/Thanassis Stavrakis

Mitsotakis bei seiner ersten Ansprache nach der gewonnenen Wahl.

Widerstand erwartet

Es ist das erste Mal seit 2009, dass eine Partei in Griechenland allein regieren kann. Erwartet wird jedoch, dass Alexis Tsipras Widerstand gegen das Programm von Nea Dimokratia halten wird. SYRIZA Sprecherin Efi Achtsioglou sagte bereits vor den Wahlen, dass das Programm von Nea Dimokratia nichts Anderes als eine „Bekräftigung der Austerität“ sei und die Rückkehr zu den Spar- und Reformprogrammen bedeute. Kritik kam auch von der Vorsitzenden der sozialistischen KinAL Fofi Gennimata: Alles werde künftig der Zügellosigkeit der Märkte überlassen.

Heftige Reaktionen werden auch aus anderen Teilen der Gesellschaft erwartet, unter anderem zu geplanten Privatisierungen, der Abschaffung des Hochschul-Asyls oder der Verschärfung der Flüchtlingspolitik. Der 51-jährige Harvard-Absolvent Mitsotakis, der aus einer der mächtigsten Politikerdynastien stammt, wird es nicht leicht haben.

Wahllokal in Athen

Chrissi Wilkens / radio fm4

Beobachter sehen die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten der neuen Regierung skeptisch. Das Land bleibt hochverschuldet und muss bis 2060 Primärüberschüsse erzielen. Und der Rückhalt in der Gesellschaft ist trotz des Wahlerfolgs nicht gesichert. Ein großer Teil der Bürger*innen hat - wie von den Meinungsforschern vorausgesagt - den Parteien den Rücken zugekehrt. Die Wahlenthaltung lag bei über 42 Prozent. Das ist der zweitgrößte Wert nach dem Fall der Militärjunta im Jahr 1974.

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