FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Stray Cats 2019

Stray Cats

Das Comeback der Stray Cats

Mit dem Album „40“ feiert das Rockabilly-Trio Stray Cats ein gelungenes Comeback. Eine Begegnung mit dem Schlagzeuger Slim Jim Phantom.

Von Christian Lehner

Eröffnungsdialog zwischen zwei Halbstarken

“Hey James, it’s nice …”
“Who’s James, me?”
“Yeah.”
“I thought Slim Jim is my name. James is only on my birth certificate”
“When did you get rid of your name?”
“What’s this interview about?”
“The Stray Cats”.
“Alright, here we go!”
“Hi Jim, nice to …”

Sie streunen noch immer durch die Stadt, die Stray Cats aus Long Island, New York. Und nicht nur in ihrer Musik scheint die Zeit still zu stehen. Der leibhaftige Stray Cats Schlagzeuger James McDonnel a.k.a. Slim Jim Phantom, der mir kurz vor dem Berlin-Konzert seines Rockabilly-Trios gegenübersitzt, trägt eine volle Tolle und hat kein Pfund zu viel am Leib, obwohl er schon auf die 60 zugeht. Einzig die Tinte seiner Tattoos zeigt Auflösungserscheinungen.

Wir vergleichen unsere Rock’n’Roll-Peckerl, wie das halt Buben machen, die älter geworden sind, aber doch nicht ganz erwachsen. Keine Animositäten mehr trotz holprigen Starts in das Interview, das ihr hier im Podcast nachhören könnt. Das liegt weniger an der Verbrüderungsgefahr, wie sie in Interviews mit Lieblingsmusiker*Innen immer besteht - für so etwas ist Slim Jim Phantom viel zu cool im positiven Sinn - sondern am sehr auskunftsfreudigen Gesprächspartner.

Rockabilly-Schluckauf in den 80ern

„40“ heißt das erste Stray-Cats-Album seit 25 Jahren. 1979 hatten sich Brian Setzer an der Gitarre, Lee Rocker am Standbass und Slim Jim Phantom zu einem Trio formiert, das großen Anteil am Rock’n’Roll-Hype der frühen 80er Jahre haben sollte. Doch zu ihrer Gründungszeit interessierte sich in New York niemand für Schmalztollen und Schluckauf-Rockabilly. Punk, Disco und der frühe Hip Hop rangen um die Publikumsgunst in den Clubs. „Wir mussten unsere eigene Szene erfinden, weil es einfach keine gab“, so Slim Jim im FM4-Interview.

Stray Cats in Berlin

Christian Lehner

Slim Jim Phantom beim Stray Cats Konzert in Berlin

Die Stray Cats übten in der Garage und hatten noch nicht den Durchblick. So basiert Slim Jim Phantoms Schlagzeugspiel, das er stehend absolviert, auf einem Missverständnis. Er sah auf einem Cover der Begleitband von Gene Vincent den Schlagzeuger der Blue Caps stehend vor der Snare-Drum posieren. „Ich dachte, er hat so gespielt! Wir hatten ja kaum Informationen. Es gab kein Internet. Unsere Recherchequellen waren alte Platten und Cover-Fotos.“ Jahre später gestand ihm Dickie „Be-Bop“ Harrell höchstpersönlich, dass es sich bei der Aufnahme bloß um ein Pressefoto handelte und er für gewöhnlich seine Arbeit sitzend verrichten würde.

Die kulturelle Isolation hatte auch positive Seiten. Die Stray Cats konnten einen individuellen Sound entwickeln. Obwohl sie in der Rock’n’Roll-Grundformation Kontrabass, Schlagzeug und Gitarre auftraten, beschränkten sie sich nicht auf das biedere Nachspielen der Klassiker ihrer Idole Eddie Cochran, Carl Perkins und Gene Vincent. Die Tollen waren größer als die von Elvis und die Musik anschlussfähig in Richtung Punk, Ska und New Wave.

Der Durchbruch gelang den Stray Cats aber erst 1981 im entfernten London. Das Trio bekam Wind von der aktiven Rock’n‘Roll-Szene dort und sprang über den großen Teich. In London trafen sie auf ein Wespennest von Jugendkulturen: Mods, Teds, Skins, Punks, New Romantics – alles gab es, alles bekämpfte sich. Die Stray Cats aber waren Pop – gehasst von Puristen, geliebt von vielen anderen. Sie hingen ab mit den Pretenders, Led Zeppelin pilgerten zu ihren Konzerten, die Rolling Stones wollten sie signen.

Stray Cats in Berlin

Christian Lehner

Stray Cats live in Berlin

Stray Cats in Berlin

Christian Lehner

Wie sehr die Stray Cats bloß Zaungäste der rivalisierenden Jugendkulturen waren, zeigte sich am Song „Rumble In Brighton“ über die berühmte Schlacht zwischen Mods und Rockern, die im Mai 1964 stattfand. So ist im Text von Skinheads die Rede, die angeblich den Rockern gegenüberstanden.

Das Interview mit Slim Jim Phantom von den Stray Cats gibt’s im FM4 Interviewpodcast zum Nachhören.

Am Donnerstag, 11.7. spielen die Stray Cats live in München.

„Wir staunten über die diversen Tribes und fanden das alles nur cool“, sagt Slim Jim Phantom heute, „Frei nach dem Motto: alle verrückten Frisuren gegen die Spießer.“

Nach dem großen Erfolg in den frühen 1980er Jahren mit Hits wie „Rock This Town“ (der Titel taucht in der ersten Folge der neuen Staffel von Stranger Things auf), „Runnaway Boys“ und „Stray Cats Strut“ kam, was kommen musste. Die Stray Cats zerstritten sich, gingen getrennte Wege und kamen wieder zusammen

Neues Album „40“

„40“, das neue Album, wurde live in Nashville eingespielt. Songs wie „Rock It Off“ oder „Cat Fight“ klingen erstaunlich frisch für eine Band, die Musik mit Blick in den Rückspiegel macht und noch immer von Babes und Benzinkutschen träumt. Wenn Rezensenten nun feststellen, dass die Stray Cats sich endlich aus ihrer Rockbilly-Comfort Zone begeben und anderen Stilen gegenüber geöffnet hätten, ist das irreführend, weil diese (zumindest stilistische) Offenheit - trotz krasser Tollen und Monster-Creepers - immer schon Programm war bei den streunenden Katzen aus Long Island.

Was Rock’n’Roll 2019 überhaupt noch zu bieten habe, will ich abschließend von Slim Jim Phantom wissen. „Das, was dir ursprünglich daran gefallen hat!“, antwortet der Stray-Cats-Drummer. Und weiter: „Jede Generation fühlt sich von der nächsten überrumpelt. Die Jazzer von den Rock’n’Roll-Kids, die Rock’n’Roll-Kids von den Punks, die Punks von den DJs … Wir sind für jene da, die Rock’n’Roll als Lebensinhalt betrachten.“ Miau.

mehr Musik:

Aktuell: