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Marko Arnautovic

APA/ROBERT JAEGER

Blumenaus Fußball-Journal

Was geschieht wirklich mit MA7?

Marko Arnautovic, aktuell bester ÖFB-Kicker, wechselt von England in die stinkreiche, aber spielschwächere chinesische Liga. Was bedeutet das für seine künftigen Auftritte im Nationalteam?

Von Martin Blumenau

„Wer nach China wechselt, hat die Kontrolle über seine Karriere verloren.“ Karl Fußballfeld, Philosoph.

„Ich grabe in der Salz-Mine, auf der Suche nach Kohle - Shanghaid in Shanghai.“ William McCafferty, Poet.

Gestern in Blumenaus Fußball-Journal, das jetzt wieder regelmäßig erscheint: Afrika, Next Gen zum Afrika-Cup-Viertelfinale und eine Analyse der Kämpfe um die globalen Fußball-Rechte.

Zuletzt zur Frauen-WM: Bilanz und Ausblick, alles zum Halbfinale, zwei deutsche Niederlagen im Vergleich, Vorweggenommene Finalspiele zum Viertelfinale Frankreich - USA sowie Frauen-Fußball wird wie Männer-Fußball und das ist nicht nur gut so. Davor: Zur Untrennbarkeit von Fußball und Politik. Und das war die Vorrunden-Bilanz der Frauen-WM, nach einem ersten Blick und einem zweiten auf Deutschland vs Spanien.

Zuletzt im Journal: Warum andere Sportarten den politisch besser vernetzten heimischen Fußball hassen, am aktuellen Beispiel in Linz. Und: Germanys Next Bundesliga-Coach - die heimische Liga als Versuchs-Labor. Dazu auch eine Analyse der Position der Chef-Coaches und die Bilanz der letzten Saison, alles über die systematische Analyse-Verweigerung nach der U21-EM. Die Nachlese zur Niederlage der U21 gegen Dänemark: Nachträgliche Relativierung und die Analyse des Sieges über Serbien. Davor Texte über den letzten Test vor Beginn der ersten U21-Euro an der der ÖFB teilnehmen darf. Und eine Nachlese zum Finale.

Zuletzt zur Copa America: alles zum Halbfinale Brasilien - Argentinien, eine erste Bilanz und eine Preview.

Außerdem: Vorteil Dänemark: Fußball im digitalen Zeitalter; eine Analyse der Hahnenkämpfe um die globalen Fußball-Rechte anlässlich des Afrika-Cups, eine Analyse der geschlossenen Gesellschaften im Fußball Closed Shop – am Beispiel der beginnenden UEFA-Bewerbe und des Trainingsbeginns der Liga-Meisterschaft.

Plus: Nachbetrachtung zum Mazedonien-Ausflug des ÖFB-Teams sowie Preview und Nachlese zum Slowenien-Länderspiel.


Das sind die Vorgängertexte, egal ob als #dailyblumenau auf der neuen oder der alten Website, oder im langjährigen Journal. Regelmäßiges zu diesen Themenfeldern abseits des Fußballs folgt im Herbst.

Es gibt viel Gerede zum Wechsel von MA7 nach Shanghai. Über Geld, über Shitstorms, über Respektlosigkeit und Preisverfall. Es gibt die üblichen Heckenschützen unter den Ex-Kickern-now-Kolummnisten, Pros & Cons.
Alles Boulevard.

Wirklich relevant ist exakt eine einzige Frage: Wie wirkt sich dieser Wechsel auf das ÖFB-Team aus? Die Nationalmannschaft hängt nämlich (vor allem in der letzten Zeit) allzu stark von Arnautovics Leistung ab.

Das ist per se ein Problem und hat zwei Gründe. Zum einen erreichen die drei anderen potentiellen High Performer (Alaba, Sabitzer und Lazaro) im Team selten bis kaum ihre Leistungsgrenze. Und zum anderen ist das Team unter Franco Foda nicht flexibel genug eingestellt um sich innerhalb eines Spiels neu zu organisieren. Weshalb es dann auf den „Mentalitäts“-Spieler Arnautovic ankommt. Das ist keine sinnvolle Situation, wird sich aber unter Foda, der keine Lösungen hat, nicht ändern.

Deshalb ist das Leistungs-Level von MA7 von zentraler Bedeutung für den ÖFB und die anstehende Qualifikation der Herren zu Euro 2020.

Die Qualität der englischen Premier League muss man nicht mehr erklären: Sie ist die Nummer 1 der Welt, in fast jeder Hinsicht. Und auch Mittelständler West Ham United, einer der gewichtigen Traditions-Mannschaften aus London, bietet optimale Trainings- und Umfeldbedingungen. In dieser Liga muss/kann/darf sich Arnautovic mindestens 15mal pro Saison mit den Allerbesten der Welt messen, stellt sich also den schwerstmöglichen Anforderungen.

Das war vorher in Holland, Deutschland oder Italien nicht ganz so; und weil MA7 erst in England das Level erreichte, mit dem er jetzt der de-facto-ÖFB-Captain ist, sieht jeder Wechsel weg von der Insel nach Rückschritt aus. Gehen wir aber einmal davon aus, dass der erbitterte Professionalismus, den der neue, geläuterte, als Leader auftretende Arnautovic an den Tag legt, erst dort wachsen und aufblühen konnte, und dass er diese Einstellung auch nach China mitnimmt.

Was also ist die 中超聯賽 / 中超联赛 - die Chinese Super League?

Sie besteht aus 16 Vereinen aus 11 Millionenstädten und funktioniert, ähnlich wie das gesamte chinesische Wirtschaftssystem, in einem Mix aus staatlichem Dirigismus und freiem Turbokapitalismus. Arnautovics Club gehört etwa der Firma, die den Shanghaier Hafen kontrolliert, also der Stadt und ein paar privaten Anlegern. Die jüngere Geschichte der obersten Spielklasse ist von struktureller Korruption durchzogen, gilt aber dennoch als vergleichsweise populär.

Jeder Verein darf vier Ausländer auf der Pay-Roll haben, drei davon dürfen gleichzeitig auf dem Feld stehen. Es sind vor allem Brasilianer, und zwar mehr als etwa Europäer in der Liga spielen.

Arnautovic ist der erste Österreicher in der Super League (Rubin Okotie spielte in der zweiten Liga bei Beijing Enterprises Group FC, die jetzt Beijing BSU heißen, Roland Kirchler spielte 2002 noch in der alten, total korrupten A League), aber nicht der erste Bekannte. Roger Schmidt trainiert Beijing Guoan, den Tabellenführer, Ex-Salzburg-Stürmer Alan (für den der ÖFB schon einmal die österreichische Staatsbürgerschaft angedacht hatte) beim Tabellen-Letzten Tianjin Tianhai.

Nikica Jelavic, der Ex-Rapidler, spielt bei GZ Hengfeng und Richie Sukuta-Pasu bei den Guangdong Southern Tigers, beide in der 2. Liga (League One), in der pro Verein drei Ausländer aktiv sein dürfen. Darunter sind Nicht-Chinesen verboten. Das macht insgesamt 112 Arbeitsplätze für Auslands-Profis.

Darunter sind kaum noch Altstars, die noch ein, zwei Jahre dranhängen und danach mit einer unglaublichen Preis-Leistungs-Marge wieder nach Hause gehen, sondern fast durchgehend Spieler im sogenannten besten Fußball-Alter, also zwischen 25 und 32. Und es sind echt Gute dabei: Paulinho oder Talisca, der slowakische Team-Captain Hamsik, Carrasco, der Belgier, Nigerias Ighalo, der Norweger Kamara oder Israels Zahavi, der Drei-Tore-Mann...

Wo sind die Gefahren für Arnautovic?

Das größte Problem dieser Legionäre liegt in ihrer Struktur. Sie sind so gut wie alle Angreifer, Stürmer, Flügel, offensiv-kreative Mittelfeldspieler. Die defensiven Lenker kann ich an zwei, die Innenverteidiger an einer Hand abzählen. Defensiven Außenspieler gibt es überhaupt nur einen einzigen.

Hier die interessante Einschätzung eines in China lebenden Auskenners.

Das ist dann egal, wenn die heimischen Kräfte halbwegs gut dabei sind. Das jedoch ist die größte Schwachstelle der Liga: die homegrown boys können bis dato noch so gut wie gar nichts. China verfügt über drei gute Spieler: einen Legionär bei Espanyol, einen eingebürgerten Briten und ein Stürmertalent. Und verliert Tests gegen Usbekistan.

Vor allem die Defensivspieler der Liga sind für die vergleichsweise überragenden Offensivspieler der Vereine kein ernsthafter Maßstab. Sich gegen sie durchzusetzen erfordert keinen seriösen Aufwand.
Wenn Arnautovic als linke Spitze eingesetzt wird, hat er in der gesamten Liga nur Gegenspieler auf Zweitliga-Niveau, österreichischem. Spielt er als Center hat er viermal im Halbjahr (gegen den Deutschen Bastians, den Italiener Paletta, den Ivorer Boli und den Serben Tosic) Arbeit, der Rest sind Freispiele.

Nun ist Arnautovic ein geläuterter Vater und ein seriöser Denker geworden. Die Frage ist: wenn ihm keinerlei (sportlicher) Widerstand entgegengesetzt wird - fällt er in Shanghai auf das Potential zurück, das dort locker reicht um lässig dazustehen oder kann er sich dann auf die anderen Bedingungen im ÖFB-Team umstellen? Das ist ebenso eine Frage der Physis wie eine des Kopfes. Der beim elfstündigen Flug (vor dem Marc Janko hier warnt) sogar Zeit haben wird, was zu denken.

Um lässig dazustehen, muss sich MA7 erst einmal die Startelf sichern. Und er hat drei Konkurrenten für drei Plätze. Zum einen den eleganten Drahtzieher Oscar, zum anderen den bulligen Angreifer Hulk, beide bekannt aus der brasilianischen Fußball-Nationalmannschaft von 2014. Und dann noch das Quarterback-Hirn des Shanghai International Port Group Football Club, den Uzbeken Odil Akhmedov, auf den Trainer Vitor Pereira sicher nicht verzichtet. Dazu kommt, dass der Floridsdorfer vielleicht auf sein Markenzeichen, die Nummer 7 verzichten muss, die dem bereits erwähnten, jetzt in Spanien tätigen Wu Lei, dem einzigen chinesichen Starspieler gehörte. Außerdem ist es mit der Zahl 7 in China überhaupt so eine Sache.

Die Zuversicht, die Franco Foda derzeit in die Kameras lächelt, ist also schon ein Pfeifen im Walde. Die Chance dass Arnautovic ein paar Prozente seiner Qualität einbüßt, ist deswegen so hoch, weil er auf allen Ebenen Probleme bekommen wird. Und ein paar Prozent sind im modernen Fußball schon der Unterschied zwischen dem Spielentscheider und einem weiteren High Potential, der im ÖFB-Team dann auch nur mitläuft.

Den Text gibt’s auch zum Anhören als Podcast.

Blumenaus Fußball-Journal 100719

Blumenaus Fußball-Journal geht in eine kleine Pause. Back soon!

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