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"Sea of Solitude": Das große Monster, in dessen Maul das Boot schwimmt.

EA / Jo-Mei

In dem Spiel „Sea of Solitude“ ergründen wir das Auf und Ab der menschlichen Seele

Das Computerspiel des Berliner Entwicklerstudios Jo-Mei ist ein ständiger Wechsel zwischen Licht und Dunkelheit, zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Hier stellen wir uns seelischen und zwischenmenschlichen Abgründen.

Von Robert Glashüttner

Es gibt wohl niemanden, der oder dem es immer gut geht. Selbstzweifel, Unsicherheiten und allgemein dunkle Stunden gehören zum Menschsein dazu, und man ist gut beraten, diese Tatsache zu akzeptieren und möglichst ehrlich und behutsam mit sich selbst zu sein.

Man nimmt sich Zeit, horcht in sich hinein und versucht herauszufinden, woran es hapert. Mit dieser Selbstsuche beschäftigt sich ein aktuelles, ungewöhnliches Computerspiel: „Sea of Solitude“, also quasi das Meer des Alleinseins. Im Unterschied zur unfreiwilligen loneliness kann solitude eine selbstgewählte Auszeit sein.

Surreale Wasserwelt

Kay, die Protagonistin im Spiel, fühlt sich isoliert, abgekanzelt von ihrem Umfeld und auch von sich selbst. Es muss sich etwas ändern. Die Frage ist nur: Wie? Bevor sie sich weiter Gedanken machen kann, wacht sie in einem kleinen Holzboot auf – weiterhin in Menschengestalt, nun aber als schwarz-zotteliges Monster mit roten Augen.

Außer auf das Boot kann sich Kay in dieser surrealen Wasserwelt auf wenig verlassen. Mal schippert sie wie im schönsten Venedig-Urlaub bei blauem Himmel durch eine pittoreske Landschaft, ein anderes Mal wird sie bei Wind und Wetter von fiesen, turmhohen Monstern beschimpft.

"Sea of Solitude": Das Monster-Mädchen vor einem Prachtbau.

EA / Jo-Mei

Erweckungserlebnisse

In „Sea of Solitude“ begegnen wir mit Kay aber nicht nur ihren inneren Dämonen, die sie verunsichern, sondern auch ihrem eigenen Fehlverhalten: Oberflächlichkeiten, Unaufmerksamkeiten und Ignoranz ihrer Familie gegenüber – vor allem in Bezug auf ihren kleinen Bruder, der in der Schule heftig gemobbt wurde. Ähnlich wie in „A Christmas Carol“ durchleben wir seine höchst schmerzhaften Erlebnisse, die durch unsere rechtzeitige Unterstützung zumindest gelindert hätten werden können.

„Sea of Solitude“ ist beim Games-Verlag EA im Rahmen der Reihe EA Originals erschienen.

Entwickelt wurde das Spiel vom Berliner Studio Jo-Mei unter der künstlerischen Leitung der Autorin und Firmengründerin Cornelia Geppert.

Die Reise in die Psyche und die Erinnerungen von Kay, ihren Familienmitgliedern sowie ihrem Freund erleben wir in einer hübschen 3D-Landschaft. In dieser traumartigen Welt sind wir zwar nicht immer, aber immer wieder auf unserem treuen, kleinen Boot unterwegs. Der Wasserspiegel sinkt und steigt: Manchmal werden die Häuser fast komplett überflutet und wir kraxeln auf den Dächern herum, dann wieder können wir ganz normal über einen Markt laufen.

Ups and Downs

„Sea of Solitude“ ist eine eindringliche Reise in das seelische Auf und Ab. Es geht um Zuneigung, Rückzug, Familie, Selbstverwirklichung, Widerstand, Kampf und Versöhnung. Und um die Tatsache, dass es immer eine gute Balance braucht zwischen Selbstliebe und Solidarität bzw. Hilfeleistung.

"Sea of Solitude": Im Meer der Seltsamkeiten.

EA / Jo-Mei

Das Spiel legt einen klaren Fokus auf Erzählung, ist aber auch spielerisch kurzweilig: Wir suchen uns zwischen bösen Monstern den richtigen Weg und saugen dunkle Energie in unseren Rucksack ein. Ein Leuchtfeuer, das wir stets herbeirufen können, hilft uns bei der Navigation und im Kampf gegen die Dunkelheit. Zwischendurch sammeln wir Flaschenpost und lassen Möwen durch die Luft fliegen. „Sea of Solitude“ ist ein außergewöhnliches Spiel, das uns rund vier Stunden lang die Schwierigkeiten, aber auch die Größen der menschlichen Psyche ergründen lässt.

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