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"The Lion King" Filmstills

The Walt Disney Company (Switzerland) GmbH

Realistisch und märchenhaft zugleich: „Der König der Löwen“ feiert ein Comeback

Darf man einen Zeichentrick-Klassiker, der für Millionen Menschen ein Heiligtum der Kindheit darstellt, neu verfilmen? Ja, wenn dabei ein Animations-Meilenstein wie „The Lion King“ herauskommt.

Von Christian Fuchs

Kann man Klassiker tatsächlich neu aufrollen? Lassen sich Filme, die ganze Generationen beeinflussten, einfach modernisieren? In Hollywood stellt diese Fragen schon lange niemand mehr, Remakes gehören bekanntlich zum täglichen Geschäft. Erst recht gilt das für das Walt Disney Imperium. Der wahrscheinlich mächtigste Entertainmentkonzern des Planeten hat es in den letzten Jahren geschafft, ikonische Filmstoffe lukrativ upzudaten, von Re-Imaginings wie „The Jungle Book“ bis zu den Quasi-Sequels „Mary Poppins Returns“ oder „Christopher Robin“.

Es ist natürlich leicht, sich dem Tenor der kritischen Stimmen anzuschließen, geht es doch stets um Heiligtümer der Kindheit, die mit neuester Digitaltechnik recycled werden. Dabei lässt ein genauer Blick auf die genannten Filme viele Argumente auch wieder verstummen. Die von Disney beauftragten Regisseure und Drehbuchautoren nähern sich Figuren wie Mowgli, Winnie Puh oder Mary Poppins nicht nur voller Liebe und Respekt. Im besten Fall unterwandern die dazugehörigen Filme mit einer Extraportion Düsternis, Melancholie oder politischer Aufgeklärtheit die zuckerlsüßen Erwartungen an das Mainstream-Kinderkino.

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The Walt Disney Company (Switzerland) GmbH

Trotzdem reagierten Fans bei „The Lion King“ vorab wieder einmal besonders sensibel. Der erfolgreichste Zeichentrickfilm aller Zeiten sei einfach ein perfektes Werk, heißt es, von Publikum und Presse gefeiert, was soll man da ändern? Das Original des „König der Löwen“ aus dem Jahr 1994 spielte nicht nur Unmengen ein, der Soundtrack erhielt zwei Oscars, ein Broadway-Musical wurde ebenso mit Lob überhäuft. Phrasen wie „Hakuna Matata“ drangen in die Jugendkultur ein. Jon Favreau, der mit seinen „Iron Man“-Filmen die Marvelwelle loslöste und mit der „Dschungelbuch“-Neuauflage zum Disney-Hausregisseur wurde, wagte sich dennoch an ein Remake.

Visueller Rausch, bekannter Inhalt

Sitzt man im Kinosaal, hat die 3D-Brille auf und lässt die Bilder und Klänge auf sich einwirken, erübrigen sich aber alle Zweifel. Auch wenn der Begriff Realfilm-Remake absurd ist, weil alle Schauplätze und Tiere am Computer generiert wurden - so eine Art Animationsfilm gab es noch nicht. Und solche herumtollenden, kämpfenden, sprechenden, singenden Tiere hat man noch nie so gesehen.

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Verpackt in den visuellen Rausch ist die bekannte Geschichte, die an alte Mythen und Archetypen anknüpft. Die Story vom kleinen Löwen Simba, der die Tragik des Lebens erleiden muss, um ein echter König zu werden, greift auf Shakespeare und bewährte Sagenwelten zurück. Jon Favreau bezieht sich aber vor allem auf den Originalfilm. „The Lion King“ anno 2019 folgt fast Szene für Szene dem geliebten Disney-Epos von 1994, höchstens Gus Van Sants pingeliges „Psycho“-Remake fällt einem da als Vergleich ein. Donald Glover (ja genau, Childish Gambino schlüpft in Simbas Rolle), Beyoncé, Seth Rogen, Chiwetel Ejiofor und andere Stars zitieren großteils die Originaldialoge.

Trotzdem emanzipiert sich Jon Favreau vom legendären Vorbild. Auch wenn der alte „Lion King“ als Meilenstein des Zeichentrickkinos bejubelt wurde, die überhöhte Wirklichkeitsnähe des Remakes hat ganz eigene Qualitäten. Atemberaubend realistisch und märchenhaft zugleich wirkt das Geschehen, vor allem extrem cinematisch. Wie die Kamera zwischen den Tieren hindurch schwebt oder rast, das erinnert an allerbestes Erwachsenen-Kino.

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Traumatische Momente, philosophische Dimension

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Radio FM4

Christian Fuchs und Natalie Brunner im FM4 Filmtalk Podcast über „The Lion King“ und das Disney-Trauma beim Tod eines Film-Elternteils

Geschickt adaptiert Favreau die Simba-Saga auch in anderer Hinsicht für die Gegenwart. Die Frauenfiguren sind etwas tougher. Der Humor eine Spur derber. Die vertraute Musik von Elton John und Hans Zimmer klingt bombastischer. Vor allem forciert der Regisseur aber das Drama. Der Photorealismus lässt die erhebenden, traurigen und furchterregenden Momente noch stärker wirken. Wenn sich die Hyänen an die Löwenbabys Simba und Nala heranschleichen, gibt es keine ironische Brechung mehr, es kommt echte Horrorfilm-Stimmung auf.

Und dann ist da natürlich der berüchtigte traumatische Disney-Moment, siehe auch „Bambi“ oder „Dumbo“. Elternteile werden in den Leinwand-Epen des Maus-Imperiums selten geschont, mit Kindertränen im Kinosaal ist zu rechnen. Wer solche Schockszenen als billig manipulativ betrachtet, unterschätzt im Fall von „The Lion King“ die philosophische Dimension des Films. Wie schon das Original nimmt auch die Neuversion die Gefühle und Gedanken der kleinen und großen Besucher ganz ernst. „Der König der Löwen“ ist eine wunderschöne Parabel über Erwachsenwerden, Tod, Wiedergeburt – den Kreislauf des Lebens. In diesem Sinne: Hakuna Matata!

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