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Prozess gegen den Klimaaktivisten Paul

Radio FM4 / Ali Cem Deniz

Prozessauftakt gegen Klima-Aktivist

In Wiener Landesgericht begann heute der Prozess gegen einen Klima-Aktivisten, der sich gewalttätig gegen seine Festnahme gewehrt haben soll. Er streitet ab und behauptet, dass er Opfer von Polizeigewalt wurde.

Von Ali Cem Deniz

Vor dem Wiener Landesgericht haben sich Mitglieder der Gruppe „System Change Not Climate Change“ versammelt, um sich mit dem wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt angeklagten Aktivisten zu solidarisieren. Das große Interesse der Medien nutzen sie, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. So auch der Angeklagte.

Prozess gegen den Klimaaktivisten Paul

Radio FM4 / Ali Cem Deniz

Klimaschutz: Aktivist*innen zwischen Schuleschwänzen und Vorstrafe

Wir haben mit zwei Wiener Aktivist*innen von „Fridays For Future“ und einem autonomen Aktivisten über ihre Formen des Protests gesprochen.

Es sei die Dringlichkeit der Klimakrise gewesen, die ihn dazu bewogen habe, am 31. Mai eine Autokreuzung vor dem Verkehrsministerium in Wien zu blockieren, sagt er zu Beginn der Verhandlung. Er nennt sich Paul und will seinen echten Namen geheim halten.

Die Handyvideos, die an diesem Tag entstanden sind, haben viele verstört und eine Diskussion über Polizeigewalt ausgelöst. Auf Bildern war zu sehen, wie Demonstrierende geschlagen wurden, einer wäre fast von einem Polizeiwagen überrollt worden.

Gewalt im Kessel

Über das, was zu Beginn der Blockade passiert ist, sind sich Paul und die beiden Polizeibeamten, die ihn festgenommen haben und heute als Zeugen aussagen, weitgehend einig. Die Polizei löste den Sitzstreik mit rund hundert Beteiligten auf. Paul ließ sich von den Einsatzkräften wegtragen. In der sogenannten Wagenburg, einer Art Kessel mit Polizei-Bussen, wurden Identitäten festgestellt. Dabei wurde Paul aufgefordert seinen Rucksack herzugeben. Als er der Aufforderung nicht nachgekommen ist, kam es zur Eskalation.

Prozess gegen den Klimaaktivisten Paul

Radio FM4 / Ali Cem Deniz

Am Ende seiner Festnahme hatte Paul eine Rissquetschwunde an der Stirn, seine Arme wurden mit Handschellen fixiert und die Träger seines Rucksacks waren durchgeschnitten. „Beim Versuch meinen Rucksack auszuziehen, hat die Polizei meinen Kopf auf den Boden gehauen und sich auf mich gesetzt und auf mich eingeschlagen, wie andere und auch die Polizei bestätigt“, sagt der Angeklagte.

Widersprüchliche Schilderungen

Die beteiligten Polizisten räumen ein, dass sie den Aktivisten geschlagen und fixiert haben. Der Körpereinsatz sei aber notwendig gewesen, weil sich der Aktivist mit Tritten und Schlägen gegen die Abnahme seines Rucksacks gewehrt haben soll.

Gegenüber dem Richter gibt Paul zu, dass er sich passiv widersetzt hat. Als er gesehen habe, wie ein anderer auf dem Bauch liegender Demonstrant nahezu von einem Polizeibus überrollt wurde, habe das seine Kooperationsbereitschaft eingeschränkt.

Als der Richter den Polizisten und die Polizistin, die bei der Amtshandlung dabei waren, befragt, kommen die ersten Widersprüche auf. Der erste Beamte berichtet, dass Paul wild und unkoordiniert um sich geschlagen habe. Er können aber nicht genau sagen, ob der Demonstrant absichtlich auf die Beamten eingeschlagen habe. Seine Kollegin hingegen will gezielte Tritte gegen die Polizei wahrgenommen haben. Sie war bei der Festnahme für die Fixierung der Beine verantwortlich.

Prozess gegen den Klimaaktivisten Paul

Radio FM4 / Ali Cem Deniz

Der angeklagte Klima-Aktivist Paul stellt sich mit seinem Anwalt den Medien.

Der dritte Polizist

Während der Verhandlung füllt sich der Saal immer mehr. Der Richter ist sichtlich verärgert über die vielen Interessierten, die ständig die Tür aufmachen. Die Sitzplätze sind voll. Inzwischen stehen rund 20 Zuschauer*innen, unter ihnen ist auch Politiker Peter Pilz (Liste JETZT).

Die Grammatikfehler und widersprüchlichen Formulierungen, die der Richter im Polizeibericht entdeckt, erheitern das Publikum. Laut Polizeiprotokoll soll Paul zuerst fixiert worden sein und habe erst danach um sich geschlagen. Auch auf mehrfache Nachfrage des Richters, der Staatsanwältin und des Verteidigers können die beiden Beamt*innen nicht erklären, wie das alles zusammenpasst.

Außerdem ist im Bericht die Rede von zahlreichen Zeugen, die die Szene beobachtet haben sollen. Wieso die Polizei keine Namen erfasst hat, bleibt auch im Prozess unklar.

Ein dritter Polizist, der bei der Festnahme dabei war und Licht in die Sache bringen könnte, fehlt heute. Er ist im Urlaub. Der Beamte spielt nicht nur in diesem Fall eine zentrale Rolle. Gegen ihn gibt es derzeit ein Verfahren. Er wurde auf derselben Demo dabei gefilmt, wie er einen am Boden liegenden Demonstranten mehrmals geschlagen hat.

Die Vertagung

Die Aussagen von Paul und den zwei Polizist*innen reichen nicht aus, um die Ereignisse vom 31. Mai zu rekonstruieren. Ein Urteil kann der Richter heute nicht fällen. Obwohl er den Prozess so schnell wie möglich abschließen möchte, besteht der Angeklagte auf einen Verhandlungstermin im Oktober. Bis dahin wollen sein Anwalt und er Zeugen und Filmmaterial aufstellen, die seine Unschuld beweisen sollen.

Am 7. Oktober soll die nächste Verhandlung stattfinden. Dann wird auch der dritte Polizist anwesend sein und vielleicht wird dann deutlicher, wieso es zu den Eskalationen bei der Auflösung der Sitzblockade gekommen ist.

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