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Polizisten von Hinten bei der Demo gegen Identitiäre

APA/Hans Punz - Symbolbild

Wie es auf Demos zu Eskalationen kommt

Am 31. Mai 2019 hat es in Wien eine turbulente Demonstration von Klima-Aktivist*innen in Wien gegeben, bei der es zu Festnahmen und zu Verletzungen gekommen ist. Der Menschenrechtsaktivist Philipp Sonderegger hat die Demo beobachtet. Im Interview erzählt er, wie sich Gewalt auf Demos vermeiden lässt.

Von Ali Cem Deniz

Am 31. Mai gingen in Wien über zehntausend Menschen gemeinsam mit der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg auf die Straße, um ein Zeichen gegen die Klimakrise zu setzen. Die Demo verlief friedlich.

Klimaschutz: Aktivist*innen zwischen Schuleschwänzen und Vorstrafe

Wir haben mit zwei Wiener Aktivist*innen von „Fridays For Future“ und einem autonomen Aktivisten über ihre Formen des Protests gesprochen.

Eine Gruppe von rund 100 Aktivist*innen setzte sich ab und blockierte eine Straßenkreuzung vor dem Verkehrsministerium. Als die Polizei den Sitzstreik auflösen wollte, kam es zu Szenen, die viele verstört haben und eine Diskussion über Polizeigewalt ausgelöst haben. Ein fixierter Demonstrant wurde geschlagen, ein anderer wurde beinahe von einem Polizeibus überrollt. Heute fand ein erster Prozess dazu statt. Auf der Anklagebank saß aber kein Polizist, sondern ein Aktivist dem vorgeworfen wird, sich gewalttätig gegen seine Festnahme widersetzt zu haben.

Nach der Gerichtsverhandlung hat FM4 mit Philipp Sonderegger gesprochen. Er hat sowohl die Demo als auch den ersten Verhandlungstag beobachtet.

Ali Cem Deniz: Du beobachtest oft Demos und Polizeieinsätze, wieso kommt es zu solchen Eskalationen. Ist es ein strukturelles Problem, wie die betroffenen Aktivist*innen behaupten oder ist es die Ausnahme was bei der Demo am 31. Mai passiert ist?

Philipp Sonderegger ist Autor und Menschenrechtsaktivist. Er berät die Polizei in Menschenrechtsfragen und macht Workshops mit Einsatzkräften. In seinem Blog schreibt er regelmäßig über Polizei, Asyl, Zivilgesellschaft und Menschenrechte.

Philipp Sonderegger: Ich war in dem Fall auch vor ort und hab beobachten können, dass bei großer Hitze zwanzig Polizist*innen die hundert Leute weggetragen haben. Die waren in voller Montur und man hat mit freiem Auge erkennen können, dass die sichtlich schon an der Grenze waren, sowohl körperlich als psychisch. Genauso wie die Demonstrierenden, die weggetragen wurden.

Dazu kommt, dass offenbar der Verfassungsschutz die Leitung gemacht hat und der Verfassungsschutz im Gegensatz zur Polizei die Logik hat, dass er Angriffe gegen den Staat abwendet. Die Polizist*innen, die Polizei-Logik haben eine andere Aufgabe. Wenn die Polizei den Einsatz führen würde, dann würde sie darauf achten, dass die Versammlungsfreiheit gewährt ist auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Ordnung und Sicherheit aufrecht erhalten wird.

Ist das üblich, dass der Verfassungsschutz sowas macht?

Das kommt durchaus vor, aber es ist von außen sehr schwer nachzuvollziehen, in welchen Fällen das ist. Natürlich ist es wahrscheinlicher, wenn es um Gruppen geht, die von der Polizei einem extremistischen Spektrum zugeordnet werden. Wenn zum Beispiel die Identitären demonstrieren, dann ist es wahrscheinlich, dass der Verfassungsschutz jedenfalls dort eine prominente Rolle hat. Aber nach welchen Kriterien die Polizei das entscheidet, kann ich nicht sehen.

Man hätte das schon mit einer anderen personellen Aufstellung vermeiden können?

Zwei Sachen hätte man machen müssen. Erstens die WEGA einsetzen zum Wegtragen und zweitens, und das ist das viel Wichtigere, mit den Manifestant*innen reden, was sind eure Pläne. Es hat Sprecher*innen gegeben von dieser Gruppe, die auch für die Polizei ansprechbar waren und die ihrerseits versucht haben mit der Polizei Kontakt aufzunehmen.

Natürlich führt es in so einer heißen, überhitzten Situation, wo noch dazu die Polizei offenbar nicht souverän agiert und solche Fehler passieren, zu einer gegenseitigen Aufheizung und macht das Abhandeln von friedlichen Demos schwieriger. Da hat die Polizei leider einen größeren Einfluss darauf, als sie sich eingestehen möchte.

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