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Bar mit alkoholischen Getränken

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mit akzent

Bier, Austausch und Hotellobbygeschichten

Dass die Stimmung kippen kann, wenn das Bier aus ist, weiß wohl so mancher Barkeeper. In diesem Fall waren aber auch noch andere Faktoren ausschlaggebend dafür, dass die Situation fast eskaliert ist.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Einer meiner Freunde aus den USA arbeitet als Barkeeper in der Lobby einer großen Hotelkette in Wien. Er kann mehr als 500 unterschiedliche Drinks perfekt zubereiten. Dabei kann er lange über jeden einzelnen Cocktail reden und all seine Zutaten, Vor- und Nachteile ganz genau beschreiben. Eigentlich trinkt er gar keinen Alkohol. Für einige ist das gut, für andere schlecht.

Einmal sagte ein Kunde zu ihm: „Du bist wie einer, der entschieden hat, sich zu duschen, ohne nass zu werden!“ Mein Freund erzählt davon immer mit einem Lächeln im Gesicht und in seinem Südstaaten-Englisch. Denn er spricht kaum Deutsch. Für die Hoteleigentümer war es anscheinend wichtiger, jemanden anzustellen, der “Beefeater”, “Gordon’s” und “Bombay Sapphire” auseinander halten kann und sie nicht trinken wird wie ein polyglotter Alkoholiker. Den Hotelgästen aus der ganzen Welt war das auch recht.

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Alles ging gut - bis man im Hotel eine Versammlung einer gewissen Partei halten wollte. Viele Männer angezogen in Lederhosen und Jägerjacken stürzten sich auf die Lobbybar. Niemand wollte aber einen „Manhattan“, eine „Margarita“ und schon gar nicht einen „Sex on the Beach“. Alle wollten Bier. Alles ging gut, bis das Bier aus war.

Es wurde noch schlimmer, als mein Freund der Menge nicht gut genug auf Deutsch erklären konnte, dass neues Bier unterwegs sei. Im Fehlen vom Bier sahen die Besucher einen weiteren Beweis für „den großen Austausch“. An der Bar stand ein Ausländer und das Bier war aus! Die einheimischen Werte wurden angegriffen! Man sprach sofort darüber, dass der Barkeeper-Migrant sofort dorthin zurückfahren soll, von wo er herkommt – nach Polen, Kroatien oder - Mein Gott! - vielleicht sogar nach Tunesien.

Die Menge an der Bar wurde immer größer und unzufriedener. Im Kopf meines Freundes erschienen Bilder wie aus den Südstaaten vor einem halben Jahrhundert. Es roch nach Lynchmord. Er sah sich schon mit Erdbeersirup überzogen und mit dem Inhalt der Polster der Lobbysofas gefedert. Niemand wusste, wie das Ganze enden wird, aber das neue Bier kam, Gott sei Dank, schnell und fungierte wie ein Ventil, um Druck abzulassen. Die politischen Aktivisten in Lederhosen tranken noch zwei, drei Bier und gingen auf ihre Zimmer, während sie murmelten, dass der große Austausch ein Fakt sei und nur sie das Land retten könnten. An den Tischen blieb ein Berg Bierkrüge zurück.

Mein amerikanischer Freund spürte, wie ihm die Knie weich wurden. Und plötzlich wollte er eine „Bloody Mary“. Seine Hand griff nach der Wodkaflasche und er war fast dabei, sein Prinzip zu brechen. Im letzten Moment hielt er inne und machte sich einen alkoholfreien „Mojito“. Das Rezept ist einfach: Man braucht nur Erdbeeren, Sodawasser, Eis, Minze und Limette. Mein Freund meint, das wirkt beruhigend und hilft in der Hitze.

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