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Buchcover von Robert Prosses "Gemma Habibi"

Simon Welebil / Radio FM4

Robert Prossers „Gemma Habibi“ boxt sich aus der Komfortzone

Boxen ist mehr als pure Brutalität, das zeigt Robert Prossers neuer und dritter Roman „Gemma Habibi“. Der Tiroler Autor verarbeitet darin seine Leidenschaft für den Kampfsport und seine Reisen nach Syrien und Ghana.

Von Ambra Schuster

Lorenz, der Protagonist in „Gemma Habibi“ ist Anthropologiestudent in Wien. Von der Abenteuerlust getrieben, reist er 2011 in den Semesterferien als Backpacker nach Syrien. Dort lernt er die Fotografin Elena, in die er sich ein wenig verliebt, und den kurdischen Boxer Zain, genannt Z, kennen und beobachtet die Anfänge des Arabischen Frühlings. Zurück in Wien beginnt Lorenz selbst in einem Boxclub zu trainieren und verfällt dem Sport. Er will ins österreichische Nationalteam. Jahre später, im Sommer 2015, ein Anruf: Z ist am Telefon, er sei in Wien, geflüchtet aus Syrien. Dort tobt mittlerweile der Krieg. Lorenz gerät in ein Spannungsfeld zwischen dem eigenen Training für die Staatsmeisterschaft in Kärnten und den Refugees-Welcome-Demos.

Robert Prosser

Simon Welebil / Radio FM4

Robert Prosser ist 1983 in Apbach/Tirol geboren. Er studierte Komparatistik- und Kultur- und Sozialantropologie. Mit seinem letzten Roman „Phantome“ gelang ihm der Durchbruch im deutschsprachigen Raum. Seine Passion für das Boxen entdeckte er, während er 2011 in Manchester seine Diplomarbeit schrieb und einen Ausgleich suchte. Heute lebt Prosser in Wien und Tirol. Gemma Habibi ist das fünfte Buch und der dritte Roman des Schriftstellers.

Der Boxclub als gesellschaftlicher Brennpunkt

Grenzerfahrungen, Dämonenaustreibungen und der finale Kampf: Robert Prosser schlägt in „Gemma Habibi“ eine Achse von Syrien nach Ghana und weiter in den Boxring. Der Kampfsport wird zur Metapher für das Ausbrechen aus der Komfortzone und das Überwinden der eigenen Angst. „Man macht sehr elementare Erfahrungen und muss lernen mit diesem Gefühl zu arbeiten, die Angst als Motor zu nutzen. Das heißt, man muss auch sehr intelligent agieren. Diese Art von Ehrlichkeit und direkter Konfrontation habe ich noch in keiner anderen Sportart gesehen“, sagt Robert Posser, der selbst Hobby-Boxer ist.

Der Leser, die Leserin taucht ein in ein Milieu aus Schweiß, Schlägen und Schmerz, eine Szenerie, für die Prosser lange nach der richtigen Sprache gesucht habe. Der Box-Gym wird zum zentralen Schauplatz, nicht ohne Zufall: „Es geht in ‚Gemma Habibi‘ auch um Migration, um Flüchtlinge, um die Menschen, die gerade aus dem arabischen Raum nach Österreich gekommen sind. Die Kampfsportszene bildet dafür einen sehr guten Rahmen. Sie ist für viele ein Anknüpfungspunkt. Da funktioniert auch die Integration wahnsinnig gut. Ein Boxclub steht allen offen, es ist egal welche Nationalität du hast und wo du herkommst. Man kann jederzeit mal reinschauen und mitmachen, das ist sehr egalitär.“

„Ein Boxclub steht allen offen, es ist egal welche Nation du hast und wo du herkommst.“

Im Boxclub werden im Kleinen Problematiken wie Aufstiegsträume, Schmerz und Niederlagen verhandelt. „Es geht bei allen Charakteren darum, die Vorstellung von einem guten Leben umzusetzen, sich nicht geschlagen zu geben. Es geht um das unbezwingbare Ich“, so Prosser.

Eine Momentaufnahme der Jetztzeit

Große Teile des Romans beruhen auf den Erfahrungen, die Robert Prosser in Syrien und Ghana selbst gemacht hat. Die vielen Zeit- und Ortsprüngen in „Gemma Habibi“ setzen sich zu einem wortgewaltigen Mosaik der Zeit zwischen 2011 und 2015 zusammen. Szenen, die sich im Roman am Wiener Westbahnhof oder bei Refugees-Welcome-Demos abspielen, könnten genau so passiert sein. „Ich wollte etwas Gegenwärtiges schreiben“, meint Prosser. Er versteht „Gemma Habibi“ als einen durch und durch politischen Roman:

„Gemma Habibi“ ist am 26. Juli im Ullstein Verlag erschienen. Am 15. August liest Robert Prosser bei den O-Tönen im Wiener Museumsquartiert aus dem Roman.

„Ich habe probiert, die damalige Gegenwart abzubilden. Diese Situation gerade im Herbst 2015 in Österreich, mit dieser Welle an Solidarität die es damals gab. Um zu zeigen, dass es in der jüngeren Österreichischen Geschichte diesen Moment gab, der mir schon sehr unvergesslich in Erinnerung ist. Dieses Gefühl von Gemeinsamkeit, die großen Demonstrationen, die Hilfe am Westbahnhof und Hauptbahnhof. Ich glaube, das in Erinnerung zu rufen als Gegenposition zur jetzigen politischen Ausrichtung ist eine Möglichkeit, wie Literatur politisch aktiv sein kann.“

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