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Dollarnoten und Facebook-Schriftzug, bei dem das K am Ende abgerutscht ist

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Erich Moechel

US-„Rekordstrafe“ für Facebook war nur ein Auftakt

Zwei weitere Verfahren gegen Facebook stehen bevor, in denen es nicht um Datenschutzdelikte, sondern um die marktbeherrschende Stellung des Konzerns geht. Erst diese Verfahren könnten für Facebook wirklich gefährlich werden.

Von Erich Moechel

Die von der US-Börsenaufsicht (FTC) gegen Facebook verhängte Strafe wegen der Datendeals mit Cambridge Analytica ist mit fünf Milliarden Dollar zwar rekordverdächtig, trotzdem wird das Urteil in den USA heftig kritisiert. Damit wird von Mark Zuckerberg abwärts nämlich die gesamte Geschäftsführung haftungsfrei gestellt, vor allem aber enthält das Urteil keine Auflagen, um der wachsenden Übermacht des Datenhandelskonzerns entgegenzutreten.

Branchenkenner wie der ehemalige Sicherheitschef von Facebook, Alex Stamos, oder Ashkan Soltani, der ehemalige FTC-Technikchef, reagierten nachgerade verblüfft. „Das ist ja fantastisch - für Facebook“, schrieb Stamos auf Twitter, Soltani entfuhr gar ein Kraftausdruck. Der Tenor beider: Unglaublich, dass Facebook so davongekommen ist. Zwei weitere US-Verfahren werden allerdings schon vorbereitet, die sich um die marktbeherrschende Stellung von Facebook drehen.

Screenshots aus Dokumenten und Nachrichten

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Ashkan Soltani war nicht nur Technikchef der FTC und kurzfristig auch Berater im Weißen Haus, sondern auch als Technik-Mastermind in Investigativteams des Wall Street Journal und der Washington Post tätig.

Zwei neue Verfahren von FTC und Justizministerium

Das Facebook-Urteil war ursprünglich schon für März erwartet worden, Auflagen bis hin zur Zerschlagung standen damals noch im Raum

Dass bei der FTC eine neues Verfahren unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten anhängig ist, wurde von Facebook nach der Urteilsverkündung selbst bekanntgegeben. Davor wurde aus dem Justizministerium bereits ventiliert, dass mögliche Verfahren gegen die „Großen Fünf“ gerade geprüft würden. Das Einzige, was die Internetgiganten wirklich zu fürchten haben, ist, wegen Missbrauchs ihrer marktbeherrschenden Positionen verurteilt zu werden. Das nämlich kann von der erzwungenen Abtrennung einzelner Geschäftsbereiche bis zur Zerschlagung gehen, wie sich in der Vergangenheit mehrfach gezeigt hat.

Auflagen in diese Richtung waren bereits für das aktuelle Urteil erwartet worden. Dieses nach dem Auffliegen des Skandals 2018 eingeleitete Verfahren der FTC drehte sich aber nur um die Weitergabe persönlicher Daten von ahnungslosen Nutzern an Drittvermarkter, um Zugriffsmöglichkeiten Dritter auf Profile von „Freundeskreisen“ und „Freundesfreundeskreisen“. Der Skandal um den massiven Missbrauch von Facebook-Profilen durch die mittlerweile insolvente Cambridge Analytica wurde durch die Facebook-Policy, Drittfirmen weitgehenden Zugriff auf Benutzerdaten einzuräumen, ja erst ermöglicht. Cambridge Analytica agierte im Auftrag des US-Milliardärs Robert Mercer, der sattsam bekannte Demagoge Steven Bannon führte während des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 dabei die Regie.

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Alex Stamos hatte vor seiner Rolle als Sicherheitschef von Facebook denselben Job bei Yahoo innegehabt. In beiden Fällen verließ er diese Firmen, nachdem dort schwere Datenschutzverstöße seitens der Unternehmungsführung bekanntgeworden waren. Stamos ist nun Professor für internationale Sicherheit und Zusammenarbeit an der Universität Stanford.

Schwaches Datenschutzrecht, schwaches Urteil

Auch in Europa steht eine neue Rechnung an und zwar für den Diebstahl von 30 Millionen Datensätzen Ende September. Wird Fahrlässigkeit festgestellt, dann wird es für Facebook richtig teuer.

Wenn man den Urteilstext sozusagen mit europäischen Augen liest, dann wird hier ziemlich schnell der Umstand manifest, in welch fragmentiertem Zustand und wie unzulänglich die US-Rechtsprechung in puncto Datenschutz insgesamt ist. Starken Schutz genießen nur das privateste Umfeld, Haus und Familie durch den vierten Verfassungszusatz (Amendment IV) und wenn das Recht auf freie Meinungsäußerung (Amendment I) durch Datenmissbrauch beschränkt wird. Dazu kommen Teile des Konsumentenschutzgesetzes sowie ein Sammelsurium von Landesgesetzen, die einander in Teilen widersprechen. Ein bundesweiteѕ US-Datenschutzgesetz gibt es bekanntlich nicht.

Dementsprechend fragmentiert sieht auch das Urteil aus, das nur einen Teil der in diesem Zeitraum angefallenen Datendeals und Sicherheitslücken sanktioniert. Offensichtlich wurden nur jene Fälle herangezogen, bei denen die Verfahrensrichter auch Chancen sahen, sie durch bestehende Rechtsvorschriften und Präzedenzfälle ausreichend gegen ein mögliches Revisionsverfahren durch Facebook abzusichern. Dass es unter den Richtern über das Strafausmaß unterschiedliche Meinungen gab, zeigt der mit drei gegen zwei Stimmen gefällte Urteilsspruch.

Kurzsichtige Auflagen

Facebook wiederum hatte auf eine Revision sofort verzichtet, nachdem im Raum stehende Auflagen der FTC dann doch nicht in das Urteil aufgenommen worden waren. Dazu wurde Facebook und das gesamte Management noch in einer ganzen Reihen von Datenvorfällen, die der FTC gemeldet worden waren, pauschal haftungsfrei gestellt. Die Auflagen der FTC zur künftigen Beschränkung der Datenweitergabe an Dritte fand Alex Stamos ebenso lachhaft wie kurzsichtig. Facebook habe das global zweitgrößte Anzeigennetzwerk und 2,5 Milliarden Benutzer und sei deshalb nie wieder auf Datentransfers von und nach Drittfirmen angewiesen, so der ehemalige Sicherheitschef des Unternehmens.

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Gewisse Praktiken wie die Verwendung der Handynummern der Benutzer für Marketingzwecke wurden Facebook unter Berufung auf den Konsumentenschutz nun gerichtlich verboten. Die Nummern waren von den Benutzern nämlich nur zum Zweck, den Login-Vorgang zusätzlich abzusichern, eingegeben worden. Die EU-Datenschutzgrundverordnung verlangt für jede neue Art der Verarbeitung eines Datenfelds die explizite Zustimmung der Benutzer.

„Rekordstrafe“ durch Umsatzsteigerung aufgeschnupft

Facebook hat nicht nur massenhaft Benutzerdaten an Dritte weitergegeben, sondern jagt auch in fremden Netzen nach Nutzerdaten.

Stamos wie Soltani halten Auflagen zur Öffnung der Plattform gegenüber dem Mitbewerb für die einzige Möglichkeit, der weiter wachsenden Dominanz des Konzerns Grenzen zu setzen. Facebook hat nämlich erst einen Teil seines Potentials monetarisiert. Facebook hat mit der Vermarktung von Instagram (eine Milliarde Profile) erst 2016 begonnen, Whatsapp (1,5 Milliarden) ist derzeit überhaupt noch werbefrei, der Start der Vermarktung ist erst für das nächste Jahr geplant.

Die fünf Milliarden Strafzahlung hat Facebook während der beiden vergangenen Quartale bereits abgeschrieben. Am Mittwoch hat der Konzern die Zahlen für das zweite Quartal 2019 bekanntgegeben. Der Umsatz ist gegenüber dem Vergleichszeitraum 2018 um 28 Prozent auf 16,6 Milliarden angestiegen. Der Konzerngewinn zeigte sich durch die einmalige Abschreibung von zwei Milliarden etwas ramponiert, dennoch waren es 2,6 Milliarden. Das entspricht noch immer einer Umsatzrendite von etwa 15 Prozent, die nur in den allerwenigsten Branchen zu erzielen ist.

Kartellstrafe als möglicher SuperGAU

Ganz anders stellt sich die Lage freilich dar, wenn tatsächlich ein Verfahren gegen Facebook wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung vom Justizministerium oder die FTC eingeleitet wird. Wann immer neue Technologien neue Monopole oder marktbeherrschende Kartelle zur Folge hatten, traten die US-Wettbewerbshüter auf den Plan.

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Bereits 1911 wurde die marktbeherrschende Standard Oil per Urteil des Obersten Gerichtshofs in 37 Einzelfirmen aufgesplittet. 1913 wurde der Merger von Western Union (Telegramme) mit AT&T (Telefonie) untersagt und damit ein frühes Monopol bei Fernmeldenetzen verhindert. 1982 traf es erneut den damaligen Telekom-Monopolisten AT&T, der in Folge auf eine Reihe regionaler Gesellschaften aufgesplittet wurde. Nur eine solche Maßnahme kann Facebook wirklich gefährlich werden, weil das eigentlich Toxische an diesem Unternehmen neben der Skrupellosigkeit des Managements seine schiere Größe ist.

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