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Gerhard Weis

APA/HANS KLAUS TECHT

Der Herausgeber - zum Tod von Gerhard Weis

Am Wochenende ist Gerhard Weis gestorben. Er war ORF-Chef und Radio-Direktor. Für uns war er aber vor allem der Gründungs-Herausgeber von FM4.

Von Martin Blumenau

Man konnte die Menschen, die 1994 über die mögliche Installierung eines neuen Radio-Projekts FM4 entscheiden würden, in drei Gruppen teilen: Da waren jene, die es verhindern wollten; dann waren die, die ihm mit völligem Unverständnis gegenüberstanden. Und dann gab es Gerhard Weis, den damaligen Radio-Intendanten.

Nachdem im Sommer 94 eine Gruppe von Redakteurinnen und Redakteuren das Konzept für einen neuen, avancierten Musik-Kanal ausgearbeitet hatte (was notwendig geworden war, weil das bis dahin als Fleckerlteppich zunehmend zerfranste Ö3 ab Anfang 1995 als neuer geeinter Pop- und Service-Sender starten und seine musikalischen Randzonen verlieren sollte), war es Weis, der diese Idee interessant fand und das Go für eine abgespeckte Variante in der Abendzone von Blue Danube Radio gab.

Vielerorten wurde das als Beschäftigungs-Therapie für die Redakteure, für die man nach der Reform keine Beschäftigung mehr haben würde, angesehen.

Weis war das personifizierte Gegenteil eines potenziellen FM4-Hörers: ein sehr konservativer Mann mit Interesse für Politik und Hochkultur. Weis war aber auch Medienstratege und ein Verfechter der Stärkung des öffentlich-rechtlichen Aspekts.

Im Frühherbst gab es dann die entscheidende Sitzung mit Weis und den FM4-Aktivisten, in denen er unser für die Abendschiene (FM4 startete im Jänner 1995, bespielte die Zeit von 19:00 bis 1:00) erstelltes sehr konkretes Konzept mit uns durchging. Sendung für Sendung, Tag für Tag.

In den Wochen davor wurde das Projekt angefeindet, tot- oder schlechtgeredet, es verging kaum ein Tag, wo nicht Versuche von Verwässerung oder Beschädigung anstanden. Wir mussten das Schlimmste befürchten.

Ich habe nie vorher und selten nachher eine Konstellation erlebt, in der Leadership und Expertise so Hand in Hand gingen. Weis hatte unser Konzept gelesen, konnte trotz völligen Unkenntnis von Musik-Genres und Namen alle Sendungsinhalte und Absichten abstrahieren und ihre Relevanz richtig einschätzen. Er stellte zwei Verständnis-Fragen und war mit den erklärenden Antworten zufrieden. Er machte zwei durchaus nutzbringende Verbesserungs-Vorschläge. Er setzte uns nicht unter irgendeine Art von Druck und war keinen Moment lang paternalistisch.

Er hätte das nicht gemusst. Er hätte diese Unterredung auch an jemanden delegieren könne. Er wollte ganz offensichtlich im Dialog mit jenen sein, die dieses neue Ding umsetzen würden. Und tatsächlich bekommt man nur so den richtigen Eindruck von einem Projekt.

Er hätte sich auch, wie es im ORF, früher mehr als heute, durchaus vorkommt, als Chef aufblasen und so seine Autorität deponieren können. Hat ihn aber nicht interessiert. Er war präzise im Nachbohren, genau in der Interpretation und bestärkte den vorhandenen Pioniergeist. Und er gab das Okay für Piloten und Probebetrieb und machte klar, dass der Sendestart, sofern nichts Ungewöhnliches passiere, hiermit besiegelt war.

Weis war (gemeinsam mit seinem Büroleiter, dem heutigen Stadthallen-Chef) der einzige der Gesprächs-Partner, die die FM4-Gruppe damals hatte, der verstand, was wir da machen wollten und geneigt war, es zuzulassen. Weil er die Win-Win-Situation erkannte: Für die ORF-Radios war ein öffentlich-rechtlich orientiertes Experiment, die Etablierung eines europaweit einzigartigen Jugend/Musik-Senders ein Bringer, der das Ende von Ö3-Sendungen wie der Musicbox, Zick Zack oder Nachtexpress samt drohender negativer Medien-Berichte ausgleichen konnte.

Weis nahm mit dieser Entscheidung (die er gegenüber seinem Chef, der kurz davor avancierte TV-Jugendsendungen gecancelt hatte, auch erst argumentieren musste) nicht die gewohnte und bequeme Position ein, die viele Chefs in großen Medien-Betrieben immer noch pflegen: nur das umzusetzen, was bei niemandem anecken wird; eine brave Politik des Machbaren und Möglichen. Weis war ein Medien-Herausgeber im besten Sinn, einer, der in die Zukunft dachte und plante. Und auch bereit war ein Risiko einzugehen.

FM4 war ein Risiko.
Noch vor dem Start wurde uns von den Meisten ein baldiges Ende des Experiments prognostiziert. Weil aber sowohl die Hörerzahlen stiegen als auch die Musik- und Subkultur-Szene den Sender als den Ihren umarmten und das Echo ein mehr als Positives war, wurde FM4 zum Fixpunkt.

Weis war ab 1998 dann General-Intendant. Dass FM4 auch sein Baby war, hat uns in dieser Phase nicht geschadet. Und auch die Art, wie Weis sich als Prellbock vor alle seine Programme, vor allem im Radio, stellte, als bereits klar war, dass ihn die erste Wende-Regierung unsanft aus dem Amt entfernen würde (was sie 2001 dann auch tat), war an Klarheit und Würde nicht zu überbieten. Auch da war Weis nicht bloß ein Geschäftsführer, sondern ein Herausgeber, wie man ihn selten findet.

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