FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

"Wolfenstein: Youngblood"

Machinegames, Arkane Studios, Bethesda Softworks

Ein Fall für Zwei

Im neuesten Teil der antifaschistischen Shooter-Serie „Wolfenstein“ kämpfen zwei Zwillingsschwestern Seite an Seite. Nur mit deftigem Geballer kommt man in diesem kooperativen Game aber nicht besonders weit.

Von Robert Glashüttner

Es gibt zwei entmenschlichte Gegnertypen in Computerspielen, bei denen man uneingeschränkt grausam sein kann: Zombies und Nazis. Beide Gegnertypen sind in Games gleichermaßen beliebt, obwohl Zombies etwas größere Verbreitung finden als virtuelle Nazis. Dafür gibt es letztere umso zahlreicher in der beliebten Blut-und-Beuschel-Reihe „Wolfenstein“, deren Teil „Wolfenstein 3D“ 1992 den Egoshooter begründet hat.

Die antifaschistische Power-Fantasy ist aus gutem Grund eine der größten Namen in der Gamesgeschichte überhaupt. „Wolfenstein“ bietet ein plumpes, aber befriedigendes Ventil für die Ohnmacht, die Wut und die Trauer, die sich aufstaut, wenn man die unfassbaren Geschichten aus der Nazizeit hört, liest oder sieht. In der wirklichen Welt sollten auch grausam-entmenschlichte Sadisten vor ein Gericht - doch im Game kann man sie unter großem Getöse niederschießen.

Sisterpower

Innerhalb der letzten paar Jahre ist die Serie besonders aufgeblüht. „Wolfenstein: Youngblood“ ist bereits das vierte Game, das seit 2014 erschienen ist. Nun treten wir aber zum ersten Mal ausschließlich zu zweit gegen die Nazihorden an. Der bisherige Protagonist BJ Blazkowicz ist nämlich verschollen und soll von seinen Zwillingstöchtern Jess und Soph gerettet werden, deren Rollen wir übernehmen.

„Youngblood“ spielt in einer alternativen Vergangenheit, in der die Nazis den Krieg gewonnen haben und ganz Europa besetzen. Die zwei jungen Frauen schließen sich im Jahr 1980 dem Pariser Widerstand an, der sich in Metro-Stationen verschanzt.

"Wolfenstein: Youngblood"

Machinegames, Arkane Studios, Bethesda Softworks

Inglourious Basterds

Von Minute 1 an wird jegliche Subtilität über Bord geworfen: Die zwei Frauenfiguren kichern beim brutalen Morden, machen in ihren futuristischen Kampf-Catsuits mehrere Meter hohe Luftsprünge und kommen gemeinsam auf rund 200 Schüsse pro Minute. Ihnen gegenüber steht eine dumme, aber gefährlich bewaffnete Armee, die alles vom Unterleiberl-tragenden Schlägertypen bis hin zur turmhohen Kampfmaschine bietet. Verfeinert wird die Mischung mit affigen One-Linern von beiden Seiten. Du hast’s voll drauf, Schwester!

„Wolfenstein: Youngblood“, entwickelt von Machinegames und Arkane Studios, ist im Vertrieb von Bethesda Games für Windows, Switch, PS4 und Xbox One erschienen.

Obwohl „Youngblood“ so wirkt, als sollte man sich - à la „Serious Sam“ - mit Karacho in die Schlacht werfen, ist taktisch kluges Anschleichen und Vorbereiten immer besser. Diese Fehleinschätzung repräsentiert einen Widerspruch innerhalb eines Spiels, bei dem zwei Köche nebeneinander gearbeitet haben - so wirkt es jedenfalls anfangs. Das leitende Entwicklerstudio Machinegames hat auch die letzten paar „Wolfenstein“-Teile verantwortet und ist für die Action zuständig. Unterstützung geholt hat man sich von der Firma Arkane Studios, die für ihre Schleichspielserie „Dishonored“ bekannt geworden ist. Das Problem ist, dass man Schleichtaktik in keinem Game so wenig vermuten würde, wie in einem „Wolfenstein“.

Lass mich leveln

Nicht nur ans Schleichen müssen sich die Haudrauf-Schwestern und wir als Spieler*innen erst gewöhnen - auch das Hochleveln wirkt etwas deplatziert und reißt einen immer wieder aus dem Spielfluss heraus. Wir sammeln zwischendurch Geld ein, mit dem wir unsere Charaktere und Waffen verbessern können. Weil das Game nicht linear ist, sondern man sich die Missionen frei aussuchen kann, warnen einen die eigenen Spielfiguren zwischendurch immer mal wieder vor Gegnern, die noch eindeutig stärker sind als man selbst. Dafür sind wir noch nicht bereit, Schwester!

"Wolfenstein: Youngblood"

Machinegames, Arkane Studios, Bethesda Softworks

Obwohl die deutsche Prüfstelle USK vor einem Jahr ihre Praxis diesbezüglich geändert hat, gehen der Verlag Bethesda und der Handel in Sachen verfassungsfeindliche Symbole (wie dem Hakenkreuz) trotzdem auf Nummer Sicher. Leider ist es auch in Österreich nicht einfach, die unzensierte, internationale Version des Spiels zu erwerben.

Sobald man die unkonventionelle Vermählung von Schießspektakel, Schleichtaktik und Waffenmanagement einmal durchschaut und verinnerlicht hat, gewinnt „Wolfenstein: Youngblood“ ungemein an Fahrt. Möchte man nicht gemeinsam mit einer zweiten Person spielen, kann man auch mit einer computergesteuerten Partnerin losziehen. Bis man den Menüpunkt findet, mit dem das möglich ist, könnten allerdings viele Minuten der Konfusion vergehen. Es ist unverständlich, wieso ein wichtiger Spielmodus - der noch dazu gut funktioniert - so versteckt ist.

Hinter den Hürden

Es ist allgemein erstaunlich, wie sehr sich das Game selbst im Weg ist, wenn es darum geht, einen guten Ersteindruck zu machen. Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil „Youngblood“ weder ein sperriges Strategiespiel, noch ein obskures Rollenspiel ist, das einen mit vielen Menüpunkten und Zahlenspielen erschlagen würde. Hier wird bewiesen, dass einem auch ansonsten herrlich knallende Actiongames verwirren können.

Wir haben „Wolfenstein: Youngblood“ auch in der FM4 Spielekammerl-Show gespielt.

Ist man geduldig und aufmerksam genug, wird man jedoch mit einem unterhaltsamen Shooter belohnt, dessen nicht-lineares Levelsystem erfrischend ungewöhnlich ist. Das mehrmalige Erkunden der selben Levels ist nicht nur notwendig, sondern auch befriedigend, da man - wie in einem Rollenspiel - irgendwann locker-mutig in Areale läuft, wo man sich eine Stunde vorher noch nicht hineingewagt hat. „Wolfenstein: Youngblood“ ist kein besonders großer Wurf, aber ein würdiger Teil der Serie, dessen Potential man allerdings erst freilegen muss.

mehr Game:

Aktuell: