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Fotos des Manga "Der Mann meines Bruders"

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Manga: Der Mann meines Bruders

Der japanische Manga-Künstler Gengoroh Tagame wurde mit Zeichnungen über schwulen BDSM berühmt. Nun ist es aber eine Erzählung über eine besondere Familien-Konstellation, die weltweit Leser*innen rührt.

Von Christian Pausch

Ein Dreiergespann, das einen nicht mehr loslässt, hat Gengoroh Tagame zu seinen Protagonist*innen in „Der Mann meines Bruders“ erwählt: da ist die kleine quirlige Kana, ihr alleinerziehender Vater Yaichi und dessen kanadischer Schwager Mike, der am Anfang des ersten Bandes plötzlich vor der Tür steht.

Mike war in Kanada mit Yaichis Zwillingsbruder verheiratet, bis dieser verstorben ist. Nun sucht der große, bärige Kanadier den Kontakt zur Familie seines Ehemanns, und zieht - dem Gebot der japanischen Gastfreundlichkeit folgend - auch gleich bei Yaichi und Kana ein.

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Von diesem Tag an, gibt es vieles zu entdecken für alle Drei. Mike entdeckt Japan und da vor allem die Küche. Kana entdeckt ihren neugewonnenen Onkel und Yaichi entdeckt, dass er einiges nicht aufgearbeitet hat.

Kana ist so sehr interessiert an dem neuen Familienmitglied, dass auch ihr Vater Yaichi nicht aus kann und sich endlich mit seinem verstorbenen Bruder und dessen Ehemann auseinandersetzen muss. Mike, der aufgeklärte „Ausländer“ (im japanischen ebenfalls mit negativem Beigeschmack „外人 - Gaijin“ genannt), steht dem wissbegierigen Mädchen Rede und Antwort und so werden alle drei immer mehr zu einer Familie, bis Mike nicht mehr „Gaijin“ sondern „Onkel Mike“ genannt wird.

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Doch es ist der verstorbene Bruder/Ehemann/Onkel, der die schönsten und lustigsten Momente in der Erzählung, mit seiner Abwesenheit auch zu einer Geschichte über Trauerbewältigung werden lässt. Wenn die drei zusammen in einem Tatami-Zimmer auf Futons übernachten und Kana sich zu Mike kuschelt, dann setzt der Autor den leergebliebenen Futon in den Fokus und sofort verstehen wir, wer da eigentlich liegen sollte, würde es den großen Feind, den Tod, nicht geben.

Die Freundschaft zwischen dem trauernden Mike und der vor Lebensfreude strotzenden Volksschülerin ist so berührend und wunderbar, dass auch Vater Yaichi immer mehr versteht, dass Familie ein dehnbarer Begriff ist. Ein Umstand, der im tief traditionellen Japan noch viel weniger verstanden und akzeptiert wird, als in Europa.

Der Autor

Gengoroh Tagame, geboren 1964, hat neben seinem Kunst-Studium bereits mehrere Romane illustriert und Manga in Schwulenmagazinen veröffentlicht. Seit 1994 veröffentlichte er als Autor hauptsächlich Yaoi-Manga, das sind Manga, die in ihren Geschichten auch explizite homosexuelle erotische Handlungen darstellen.

Zu seinen wichtigsten Werken gehören „Shirogane no hana“, „Kimi no shiru ya minami no goku“, „Gedou no ine“ und „Virtus“. Auch in „Der Mann meines Bruders“ lässt Tagame seine schwule Stammleserschaft nicht hängen und erlaubt seinen männlichen Protagonisten durch viele Onsen-, Bade- und Dusch-Szenen zumindest oft ohne Shirt aufzutreten.

Am Ende von Band 3 ist zu lesen, dass der Autor die Geschichte nun bald zu einem Ende bringen möchte, der vierte Band wird der letzte sein. Wenn auch schweren Herzens, denn auch er habe sich an dieses Dreiergespann gewöhnt: „So was nennt man dann wohl gemischte Gefühle...“

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„弟の夫“ von Gengoroh Tagame ist unter dem Titel „Der Mann meines Bruders“ in einer deutschen Übersetzung von Sakura Ilgert im Carlsen Verlag erschienen und wurde in Japan bereits als TV-Serie adoptiert und ausgestrahlt.

Genau aus diesem Grund erscheint der nun bereits dreiteilige Manga für europäische, in Sachen LGBTIQ-Akzeptanz bereits aufgeklärte Leser*innen vielleicht oft etwas gar simpel. Doch genau das ist auch die Stärke dieser Geschichte: sie ist so einfach und deutlich erzählt, dass man gar nicht anders kann, als am Ende jede Homophobie zu überwinden, denn die Fakten werden so präsentiert, dass sie sprichwörtlich jedes Kind verstehen muss.

„Der Mann meines Bruders“ ist eine wohltuende Geschichte über Trauer, Homosexualität und vor allem Familie in Manga-Form. Und selbst wenn der Manga mit dem nächsten Band enden wird, wissen wir auch jetzt schon: Akzeptanz, Selbst-Liebe und Gleichberechtigung sind ein lebenslanger Prozess und Kampf, den man besser zusammen kämpft, als alleine.

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