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Derry Girls Filmstill

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Derry Girls: Slainte, Motherfuckers!

Der nordirische Bürgerkrieg wurde oft filmisch verarbeitet, meist in Form von düsteren Dramen wie „The Crying Game“ oder „Hunger“. Mittlerweile scheint diese schlimme Epoche aber weit genug zurückzuliegen, dass es sich durchaus ausgeht, sie als malerischen Hintergrund für eine schrille Teenieserie zu nutzen.

Von Jenny Blochberger

Während der nordirische Freiheitskampf der Bevölkerung von Derry (auch Londonderry genannt, je nach politischer Einstellung) das Leben durch Bombenalarme, Straßensperren und den gelegentlichen Anschlag schwer macht, kämpfen die 16-jährige Erin und ihre Clique mit Hormonen, Eltern und der Tatsache, dass sie schlicht zu arm für den Schulausflug nach Paris sind. Die katholische Mädchenschule, in die die Girls gehen – samt dem englischen Cousin James, der „zu seiner eigenen Sicherheit“ nicht in die Bubenschule geschickt wird – wird geleitet von der ständig am Rande ihrer Geduld stehenden Sister Michael, mit ihrem extratrockenen Humor ein aufgelegter Fan-Favourite.

Derry Girls Filmstill

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If anyone is feeling anxious, worried or maybe you just want a chat, please, please do not come crying to me.” – Sister Michael

Nachsitzen, Familienausflüge, Partys, ein von allen Seiten mit Argwohn betrachtetes Freundschaftstreffen zwischen katholischen und protestantischen Jugendlichen: Alltag für Erin und ihre Freund*innen. Auch wenn Erin in ihrem Tagebuch ihr Dasein als „Child of the Crossfire“ poetisch dramatisiert, spielen typische Teenager-Troubles für sie doch eine größere Rolle als die „Troubles“ des Bürgerkriegs.

Das zentrale Ensemble erfüllt alle Castingshow-Vorgaben auf äußerst befriedigende Weise: die Teenage Angst versprühende Hauptprotagonistin, die verpeilte Spinnerin, das Strebermädchen mit dem fragilen Nervenkostüm, das sexbesessene Lästermaul und der immer leicht neben sich stehende englische Cousin, der von niemandem für voll genommen wird.

Orla: “Why’s he making that funny noise?” Michelle: “He’s English Orla, that’s the way they talk.”

„Derry Girls“ hat nicht nur keine Angst vor Klischees, es ist in der Hinsicht geradezu leichtsinnig unerschrocken. Da werden die Tropes gemolken bis zum Gehtnichtmehr und oft wünscht man sich zumindest einen winzigen Twist der unglaublich vorhersehbaren Pointe - vergebens. Selbst die plattesten Plot-Ideen werden aber so flott inszeniert und mit soviel Verve gespielt, dass man trotzdem richtig gut unterhalten wird.

Die zweite Staffel von „Derry Girls“ ist soeben weltweit auf Netflix angelaufen. Übrigens: Egal wie gut euer Englisch ist, hier könntet ihr Untertitel brauchen.

Was „Derry Girls“ trotz aller Vorhersehbarkeit zum Strahlen bringt, sind die sehr witzigen One-Liner, die Chemie des Casts und der Eindruck, dass Showrunnerin Lisa McGee einen klar umrissenen Ausschnitt der Welt bis ins Detail verinnerlicht hat und die Zuseher*innen so mit hineinnimmt, dass man sich dort wie zuhause fühlt. Da macht es tatsächlich richtig Spaß, eine repressive Jugendzeit im bürgerkriegsgeschüttelten Nordirland (mit) zu erleben.

Aunt Sarah, über eine Bombendrohung: „Well, I don’t know about the rest of you, but I’m not enjoying this bomb.“

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