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Fuzzman in Klagenfurt

Florian Wörgötter

FM4 Im Viertel

FM4 Im Viertel: Wie der Fuzzman den Lindwurm in Klagenfurt bezwungen hat

In Episode 3 von FM4 Im Viertel geht es ab in den Süden: Wir spazieren mit dem Fuzzman durch Klagenfurt. Der Kärntner Sänger und Produzent zeigt, wie er unterm Lindwurm die Freiheitlichen aus der Stadt jagte, wo seine Naked Lunch-Alben entstanden und warum Schlager der neue Punk ist.

Von Florian Wörgötter

Der Lindwurm speit statt Feuerfontänen nur mehr hektoliterweise Wasser aus seinem Rachen. Schon vier Jahrhunderte steht das Klagenfurter Wappentier versteinert auf dem Neuen Platz, ehemals „Dollfußplatz" oder „Adolf-Hitler-Platz“, im Zentrum von Klagenfurt. Der Sage nach machte sich das Drachenwesen in der Gegend unbeliebt, weil es die Kärntner zum Fressen gern hatte. Weshalb der Lurch mit einem Ochsen geködert wurde, um von mutigen Mannen endlich erschlagen zu werden.

FM4 Im Viertel: Eine Reportagereihe

In der neuen Radioreihe FM4 Im Viertel spaziert Florian Wörgötter mit österreichischen Musiker*innen durch ihr Wohnviertel. Beim Flanieren durch spannende Gegenden erfahren wir, wie die Künstler leben, wie ihr Grätzl klingt und wie sich dieser Sound in ihrer Musik wiederfindet.

Episode 0: Mit Monobrother durch das Stuwerviertel in Wien Leopoldstadt
Episode 1: Mit 5/8erl in Ehr’n über den Wallensteinplatz in Wien Brigittenau
Episode 2: Mit EsRAP durch das Wiener Brunnenviertel aka Tschuschistan

Der Fuzzman grinst dem Lindwurm spitzbübisch ins offene Maul und vergleicht ihn mit jenen Menschen, die auch heute noch glauben, anderen schaden zu dürfen. „Doch dann kommt der Herkules und zeigt ihnen, wo es lang geht“, sagt der Fuzzman und hebt heroisch die Faust.

Der Kärntner Herwig Zamernik, wie Fuzzman eigentlich heißt, ist im Alter von 16 Jahren von Friesach in den Proberaum nach Klagenfurt gezogen. Im Disharmonic Orchestra spielte er zunächst Grindcore und Metal. Bekannt wurde er dann als Bassist und zweite Kreativzelle der Kärntner-Rock-Bastion Naked Lunch.

„Wäre Klagenfurt ein Lied, es würde bedächtig starten, sich melancholisch irrsinnig aufschaukeln und versöhnlich abklingen. Oder anfoch explodieren.“

Während sich deren Sound vorwiegend von Melancholie speist, kümmert sich Zamernik als singender Fuzzman auch um den Witz zwischen den Zeilen – etwa im mehrdeutigen Weiße-Hosen-Schlager oder mit pointiertem Morricone-Indie-Pop. Auch heute beweist der Fuzzman als Stadtführer die ironisierte Entertainer-Qualität eines Helge Schneider.

Wir halten Abstand

Im Jahr 2012 brauchte es in Klagenfurt wieder einen Herkules. Damals regierte den Landtag noch die FPK (die damalige Kärntner FPÖ). Um drohende Neuwahlen zu verhindern, verließen ihre Abgeordneten Scheuch & Co vor jeder Abstimmung geschlossen den Saal.

Daraufhin hat Fuzzman hunderte Leute per SMS zum Flashmob am Lindwurm berufen. Mit Megafon, Pauken und Trompeten brüllte er seinen zum Anschlag verzerrten Protestsong „Haltet Abstand“ gegen alle Braungebrannten und Braungesinnten des Landes. Stolz resümiert Herkules Herwig: „Wir haben die korrupten Sch..... aus der Stadt vertrieben.“

Der Fuzzman ist ein zutiefst politischer Künstler. Vor dem Landhaushof erinnert er sich an das Künstlerdasein im Lande Jörg Haiders. Die rechtspopulistische Kulturpolitik habe die kleinen Theaterbühnen und Kulturgruppen aufeinander gehetzt. Leider seien auch manche auf das Spiel hereingefallen, weshalb im Kulturbetrieb erst recht wenig weitergegangen sei.

Fuzzman in Klagenfurt

Florian Wörgötter

Dennoch: Wenn auch sein Klagenfurt-Lied „Haltet Abstand“ den ersten Eindruck erweckt, ein Spaziergang könnte im Rundumschlag enden, als führe Thomas Bernhard durch Salzburg – nein: „Ich habe meinen Frieden mit Klagenfurt gemacht", bilanziert der Fuzzman. „Nicht alles hier war lustig, aber wo ist es schon immer lustig.“

Metal in der Mensa

Wir flanieren weiter zur Carinthia Druckerei, wo die Kleine Zeitung ihre Nachrichten auf Papier bringt und Antenne Kärnten in den Äther dudelt. Hinter der charmelosen Plattenbau-Fassade haben Fuzzman und Konsorten „jahrzehntelang“ im eigenen Studio samt Atelier „gehaust“.

Fuzzman in Klagenfurt

Florian Wörgötter

Hier sind Alben wie „Atom Heart“ von Naked Lunch oder „Trust me Fuckers“ von Fuzzman aufgenommen worden. „Als die Verschönerer dieses abgefuckte Gebäude dann mit Platten verkleidet haben, war klar: Wir müssen hier weg“.

Sein allererstes Konzert spielte Herwig Zamernik im Jahr 1988 mit dem Disharmonic Orchestra in der Uni-Mensa. Damals hat sich die Szene des Grindcores mit sogenanntem „Tape-Trading" weltweit vernetzt. Demotapes wurden aus Klagenfurt an Bands in den USA geschickt. Diese veranstalteten dann dort ein Konzert für die Kärntner; im Gegenzug spielten die Amerikaner wiederum in Klagenfurt. „So haben wir damals unsere Welttournee organisiert", erinnert sich Herwig.

Fuzzman in Klagenfurt

Florian Wörgötter

„Wir haben die Briefmarken eingeseift und ihre Stempel abgewaschen, um sie wiederverwenden zu können. Klingt, als wäre ich 105 Jahre alt“, sagt der 46-jährige, der seinen juvenilen Esprit wohl auch noch in 60 Jahren beibehalten wird.

Fuzzman in Klagenfurt

Florian Wörgötter

Was hier passiert? Nichts!

Unsere Tour führt uns durch zahlreiche Innenhöfe der alten Häuser in der Innenstadt. Vorbei an (Ex-)Beisln wie der ehemaligen „Roten Lasche“ des Klagenfurter Künstlers Viktor Rogi, dem einstigen Jazzlokal „Bei Uns“ und dem damaligen Hotspot „Tip“, wo Naked Lunch nach Tourende direkt aus dem Nightliner ihr erstes Bier auf heimischem Boden schlürften. Was in all diesen Bars passiert ist? „Nichts!“, sagt der Rockstar und schweigt mehr als unglaubwürdig.

Fuzzman in Klagenfurt

Florian Wörgötter

Wir bleiben vorm Theatercafé Cho Cho San stehen, gegenüber des Stadttheaters Klagenfurt, für dieses der Fuzzman auch schon Musik geschrieben hat. „Die Menschen im Café lesen, schreiben oder denken. Daher flüstern wir besser ab jetzt.“ Als wir das Lokal betreten, weht uns Swingmusik entgegen. Eine Denkerpose am Thresen spiegelt sich in der alten Espresso-Maschine. Die Zeit scheint hier Pause machen zu wollen.

„Herwig, was für eine Überraschung!“, ruft eine Dame. „Was führt dich nach Klagenfurt?“. Herwig antwortet: „Wie immer, bin auf der Durchreise" – und bestellt ein alkoholfreies Bier. Wir setzen uns an den Ecktisch zu Hausherrin Vroni. Die Osttirolerin zeigt uns ihre Galerie „Eckdaten“. Die Bilder einer Kärntner Künstlerin hängen tatsächlich alle im kleinen, feinen Eck über der Eckbank.

Fuzzman in Klagenfurt

Florian Wörgötter

Wir philosophieren mit der Klassik-Kennerin, warum Opernsänger im Gegensatz zu Indierockern ihre Stimme tatsächlich trainieren müssen. Und ob Operettengesang bei so viel Theatralik überhaupt authentisch sein kann. Einer von Herwigs Bekannten meint, wie unvorstellbar es doch sei, dass ein Heavy Metaller wie der Fuzzman jetzt Schlagermusik machen würde. „Wenn’s um Musik geht, kann ihm keiner was vormachen. Der Herwig ist mit allen Wassern gewaschen.“

Ein Stern, der keinen Namen trägt

Doch warum eigentlich, werter Fuzzman, machst Du Schlager? „Warum nicht. Ich habe nie verstanden, warum jemand, der Grindcore macht, Schlager nicht gut finden darf“, meint er. „Mein Schlager scheißt sich nix, sondern ist so, weil er so sein muss.“ Außerdem werde so manche Indie-Musik mehr nach Schablone produziert als jeder Schlager.

Fuzzman in Klagenfurt

Florian Wörgötter

Dann liefert er noch einen besonders kreativen Beleg für dessen gegenkulturelles Potenzial: das deutsche Schlagerbardenduo Amigos. Wer zwischen ZIB und Sport die TV-Werbung durchhält, hat hinter den Schnulzenrobotern mit Vokuhila vielleicht auch schon eine Parodie auf die Szene vermutet. Doch ihr volkstümlicher Schlager ist so echt, wie Schlager nur sein kann.

„Die Amigos sind Punk. Ihre Haltung ist Punk. Weil sie sich einen Dreck um musikalische oder poetische Ergüsse scheren. So nebenbei wie die ihre Songs hinspitten, kann das kein Cloud-Rapper.“ Amore mio, steile These. Doch aus dem Munde eines Fuzzman, der in seinen Videos in weißer Hose hoch zu Ross galoppiert oder vor verlassener Discokugel das Lied von der Liebe singt, irgendwie nachvollziehbar.

Fuzzman in Klagenfurt

Florian Wörgötter

Zum Abschluss die resümierende Frage: Wäre Klagenfurt ein Musikstück, wie würde es klingen? „Das Lied würde bedächtig starten, sich melancholisch irrsinnig aufschaukeln und versöhnlich abklingen. Oder anfoch explodieren, des geht a.“

Wer den Fuzzman und Freunde live erleben möchte, kommt zum von ihm kuratierten Bergfestival Fuzzstock – von 6. bis 7. September am Klippitztörl, Wolfsberg, Kärnten.

Episode 4 von FM4 Im Viertel erscheint in 14 Tagen.

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