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Jan Brandt

Anika Büssemeier

Stadt - Land - Frust: Jan Brandt sucht eine Heimat

Der Autor Jan Brandt beschreibt seine Wohnungssuche im Berliner Immobilienwahnsinn und zugleich das Ende eines Familienhauses in Ostfriesland in „Ein Haus auf dem Land. Eine Wohnung in der Stadt.“

Von Zita Bereuter

Jan Brandt zieht Ende der 90er Jahre aus einem kleinen ostfriesischen Dorf nach Berlin. Und zwar „voller jugendlichem Hass auf das Thujaheckeneigenheimkleinbürgerspießertum“.

Über seine Jugend in Ostfriesland schrieb Jan Brandt 2011 in seinem Debüt „Gegen die Welt“, mit dem er es umgehend auf die Shortlist für den Deutschen Buchpreis schaffte.

Die Hauptstadt ist ebenso kaputt und heruntergekommen wie offen und frei und bietet großzügig Platz für Ideen und Lebenswelten. Mit Raum wird geradezu verschwenderisch umgegangen und nichts scheint leichter, als eine Wohnung zu finden. So weit, so gut für Jan Brandt.

Stadt

2015 ist alles anders. Er muss plötzlich aus seiner Mietwohnung raus, weil der Besitzer Eigenbedarf anmeldet. Jan Brandt wird in den mittlerweile irren Berliner Immobilienmarkt geworfen und scheint darin unterzugehen. Jahrelange schlechte Wohnpolitik, die Privatisierung von Tausenden Wohnungen, der enorme Zuzug nach Berlin und das Vermieten privater Wohnungen an Tourist*innen haben die Nachfrage riesig, das Angebot aber klein gemacht. Die Mietpreise sind in unleistbare Höhen explodiert.

Wohnungsbesichtigungen mit bis zu 300 Leuten sind keine Seltenheit, wer eine Wohnung sucht, muss eine Bewerbungsmappe mitbringen. Individuelle Wünsche gibt es längst nicht mehr – das Ziel ist eine Wohnung, egal welche.

Die aktuelle Debatte um eine Enteignung großer Immobilienkonzerne kommt zwar im Buch nicht vor, die Vorzeichen sind nachvollziehbar. Jan Brandt reagiert auf die Situation wie viele Wohnungssuchende in Berlin – er schaut über die Stadtgrenzen hinaus – bis in seine Heimat.

Buchcover mit zwei kopfüberstehenden Motiven: Blitz und Riss

Dumont

Von zwei Seiten lesbar: „Ein Haus auf dem Land / Eine Wohnung in der Stadt. Von einem, der zurückkam, um seine alte Heimat zu finden / Von einem, der auszog, um in seiner neuen Heimat anzukommen“ von Jan Brandt ist bei DuMont erschienen.

Land

Jan Brandt erweitert seine Suche:
„Auch in Ostfriesland schaute ich nach Häusern und Wohnungen – hauptsächlich, um die Preise zu vergleichen und mir die Möglichkeiten vor Augen zu führen, die eine Rückkehr in die alte Heimat bedeuten würde: unendlich viel Platz für meine Sachen, frische Luft, unendliche Weite, einen klaren Blick, alte Freunde und Verwandte und eine Sicherheit und Selbstgewissheit, die ich vor meinem Wegzug abgelehnt hatte, aber jetzt, da ich alles verloren zu haben glaubte, herbeisehnte.“

So findet er zufällig eine Anzeige in seinem Heimatdorf - das Haus seines Urgroßvaters, das schon lange nicht mehr im Familienbesitz war, wird verkauft. Ein altes traditionelles ostfriesische Haus, mit dem einstigen Dorfladen, das nun abgerissen und einem ertragreicheren Neubau weichen soll.

Buchcover mit zwei kopfüberstehenden Motiven: Blitz und Riss

Dumont / Nils Kozeluha

Frust

Jan Brandt beschreibt die Suche nach einer leistbaren und lebenswerten Heimat. Die Suche nach Sicherheit und Struktur zwischen Nostalgie und Erinnerungen und dem harten Geschäft mit Wohn- und Lebensraum. „Ein Haus auf dem Land“ oder „Eine Wohnung in der Stadt“ – die Wohnbedingungen haben sich in den letzten Jahren massiv geändert. Jan Brandt zeigt das in seinem persönlichen und absolut lesenswerten Werk auf.

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