Wie auf Twitter unter #dichterdran der Sexismus im Literaturbetrieb bloßgestellt wird
Von Martin Pieper
Nadja Brügger ist eine Schweizer Journalistin, die auf Twitter ihrem Ärger über einen Text der Schweizer Tageszeitung „Tagesanzeiger“ Luft gemacht hat. Eine Autorin wurde dort als „aufgeschrecktes Reh mit sinnlichen Lippen“ beschrieben.
Eine Zuschreibung, die männliche Autoren selten über sich lesen müssen. Autorinnen können ein Lied davon singen: So viele Literaturpreise können sie gar nicht bekommen, statt Textkritik wird über Äußerlichkeiten, Familie und die „Gefühle“ der Autorinnen spekuliert.
Unter #dichterdran haben zahlreiche Twitterant*innen jetzt nachgelegt. Sie haben den Spieß einfach umgedreht und berühmte lebende und tote männliche Dichterfürsten genau so beschrieben. Und siehe da: Durch diese kleine Verrückung wird der mehr oder weniger versteckte Sexismus des Literaturbetriebs sichtbar gemacht. Und lustig ist das auch noch. Hier einige der besten #dichterdran Postings der letzten Tage.
Herr Menasse hat hier ein perfektes Beispiel Midlifecrisematter Kettenraucher- Prosa abgliefert, in der sich jede Zeile vergeblich am literarischen Denkmal seiner überlebensgrossen Halb-Schwester reibt. #dichterdran
— sibylle berg (@SibylleBerg) 7. August 2019
«Spaziergänge durch die Kastanienwälder am Lago Maggiore, Gespräche mit Elfen und lauwarme Heilbäder – Hermann Hesse schrieb wie er lebte: feenhaft und versponnen, ein Homme fragile, sehnsüchtig eine Ritterin auf ihrem weissen Pferd erwartend.» #dichterdran
— Simone Meier (@SimoneMeier3) 6. August 2019
Sie sehen blendend aus für Ihr Alter, Chapeau! Verraten Sie uns Ihre drei Must-Have-Körperpflege-Produkte, Frank Schätzing? #dichterdran
— Güzin Kar (@Guzinkar) 4. August 2019
Daniel Kehlmanns phantasievolle Romane entführen in entlegenste Psychen. Kaum zu glauben, dass der süße Schmollmund seit einigen Jahren von einer Dozentur zur nächsten gereicht wird. In seiner Familie sei man schon seit vielen Generationen intellektuell. #dichterdran
— KathiPeter07 (@KathiPeter07) 8. August 2019
Auch wenn man dem Roman den für männliche Literatur so typischen Schwerpunkt auf Innenschau vorwerfen kann, so bietet er der Leserin doch einen einzigartigen Einblick in die Widersprüche und Eigenheiten der männlichen Lebenserfahrung und Seele. #dichterdran
— Elisabeth Klar (@Sam_O_Dor) 8. August 2019
Martin Heidegger ist ein viel rezipierter Philosoph. Der breiteren Öffentlichkeit wurde er bekannt als Lehrer von Hannah Arendt. #dichterdran
— FreihandDenker (@FreihandDenker) 7. August 2019
Dass der Literaturnobelpreis meistens an Männer geht, darf auch als wichtiger Schritt in die richtige Richtung aufgefasst werden. Denn wenn auch die wenigstens dieser Autoren Literaturgeschichte schreiben werden, braucht es Gesten der Ermunterung und Unterstützung. #dichterdran
— Güzin Kar (@Guzinkar) 4. August 2019
"Wie stets im eleganten Dress, sich seiner sinnlichen Ausstrahlung bewusst, sitzt er mir gegenüber: Durs Grünbein, der Robert Redford der deutschen Gegenwartsliteratur, seit Jahrzehnten Verlegerinnen und Kritikerinnen den Kopf verdrehend." #dichterdran pic.twitter.com/2Qn7j0asNN
— Alsergrundler (@Alsergrundler) 4. August 2019
Er war ein Mann, der gut geschnittene Anzüge liebte: Der aparte Ex-Liebhaber von Marlene Dietrich, der ihr in brünstigen Briefen inbrünstig seine Liebe schwor, wurde durch seinen gefühlvollen Anti-Kriegsroman "Im Westen nichts Neues" berühmt. #Remarque #dichterdran
— Julia Pühringer (@JuliaPuehringer) 5. August 2019
Houellebecq schreibt Romane über seine Datingerfahrungen. #dichterdran
— Präraffaelitische Girls erklären Feminismus (@PGexplaining) 6. August 2019
Der Brillenträger Jean-Paul Sartre versuchte im Umfeld der ihn unterstützenden Doyenne Simone de Beauvoir mit einigen durchaus lesenswerten Essays auf sich aufmerksam zu machen. Seine Art,Pfeife zu rauchen, schaffte es gar auf Cover der Modemagazine. #dichterdran #philosophendran
— Johannes Binotto (@SennahojOttonib) 5. August 2019

Radio FM4
Ein #dichterdran für den Musikbetrieb wäre auch nicht übel: vielleicht ja als #musikerdran
Dass die Queens of the Stone Age nur aus Männern bestehen, tut der Durchschlagskraft ihrer Musik keinen Abbruch. #musikerdran
— martin pieper (@brookesbedroom) 8. August 2019
Publiziert am 08.08.2019