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Blumenaus Fußball-Journal

Rapids Präsidentenwahl als Politikum

Seit heute stehen die Kandidaten für das Präsidentenamt beim SK Rapid Wien fest. Und im Spannungsfeld von Sport, Ökonomie und Politik entsteht eine klassische Wiener Melange.

Von Martin Blumenau

Also, lieber SCR, wer soll nun dein Präsidenten-Herzblatt sein? Kandidat 1, der VP-nahe Banker, der die bisherige Linie, aber mit weniger Theater, fortsetzen will? Oder Kandidat 2, der von der Stadt/SPÖ Wien gesandt wurde und sich inhaltlich nicht äußert? Oder Kandidat 3, der parteilose Unternehmer mit dem Tausender überm Kinderbett und dem Hang zur Society?

Martin Bruckner, Robert Grüneis und Roland Schmid sind allesamt echte Grüne, aber eben nur in Rapid-Farben, sonst sind sie politisch und ökonomisch klar verortet und haben höchst divergierende Ansichten, was heikle Personalien betrifft.

Ein Sechser-Komitee (der bisherige Präsident Michael Krammer, zwei Kuratoriums-Mitglieder und drei von den Mitgliedern/Fans gewählte Vertreter) wird den Neuen im November küren.

Einer der Mitglieder-Vertreter, Helmut Mitter von der Rechtshilfe Rapid, ist im übrigen hier Hauptperson in einer umfassenden und großartigen Aufarbeitung des Kessel-Prozesses, den Rapid-Fans gegen die Polizei angestrengt und teilweise gewonnen haben.

Gegen die Fans kann also, wie es bei einem basisorientierten Mitglieder-Verein wie Rapid nur folgerichtig ist, niemand gewinnen.

Mitternacht war Nenn-Schluss, und die drei Kandidaten haben ihre Präsidiums-Listen präsentiert, alle mit je einer Alibi-Frau, Juristen, Unternehmern, Vorständen und vereinzelten Sportlerinnen (etwa Michi Dorfmeister und Gerry Willfurth). Einiges ist noch Verhandlungsmasse - und ab jetzt herrscht Wahlkampf.

Da kommt der Liste von Selfmade-Millionär Roland Schmid (Chef von u.a. ImmoUnited), der sich als Rapid-Sponsor schon einen Namen (und auch eine Loge) gemacht hat, der heute aufgepoppte Korruptions-Skandal rund um den Glückspiel-Konzern Novomatic ungelegen - ist doch sein nominierter Vize Oswald genau dort Aufsichtsrats-Chef. Auch Schmids Nähe zum gut vernetzten Heumarkt-Investor Michael Tojner, der sich nach Betrugsvorwürfen und einer offenen Fehde mit Burgenlands Landeshauptmann Doskozil, die just im Rapid-Beirat ausgetragen wurde, aus dem Präsidentenrennen zurückzog, gibt Stoff für Geraune, dass er, Schmid, der Strohmann für Tojner wäre.
Politische Ränkespiele der höchsten Güteklasse also.

Fußnote zu Schmids Team: dem gehört auch der COO einer Privat-Fernsehfirma an, eigentlich ein No-Go. Zudem soll der Mann auch noch RB Salzburg-Fan sein...

Dazu kommen ein durch Privat-Jet, Yacht-Einladungen oder Bar-in-der-Loge-einbauen nach außen getragener Lifestyle und ein Heuschrecken-Image, die nicht gerade sehr vereinbar mit den erdigen Werten von Rapid wären.

Für die Mitglieder-Vertreter wohl noch wichtiger: Schmids Personalpläne. Er will sowohl den eben erst installierten Sportdirektor Zoran Barisic als auch Geschäftsführer Christoph Peschek loswerden. Peschek, ehemaliger Gemeinderat und SP-Nachwuchs-Hoffnung, ist allerdings der zentrale Verbindungsmann zur allgegenwärtigen Stadt Wien und genießt als ehemaliger Block West-Ultra ein gewisses internes Standing. Schmids wichtigster sportlicher Berater ist der ehemalige Rapid-Tormann Michael Konsel, der mittlerweile aber ausschließlich als Society-Starlet (Stichwort: Dancings Stars) unterwegs ist. Schmid und Konsel kennen einander vom FC Klosterneuburg, wo Konsel sein Trainingszentrum hat. Sein einziger Berührungspunkt mit Profi-Fußball ist eine vor Allgemeinplätzen strotzende Krone-Kolumne.

Schmid hatte zudem einem der anderen Kandidaten sein Wort gegeben nicht gegen ihn anzutreten: Martin Bruckner, aktuell Finanz-Chef bei Rapid, der Kandidat des bisherigen Präsidenten Krammer.

Bruckner ist wie Krammer ÖVP-nah, aber (vor allem im Verbund mit Peschek) großkoalitionär ein/aufgestellt. Bruckner bietet Kontinuität, war eine treibende Kraft hinter der Barisic-Bestellung nach der unglücklichen Zeit mit dem allzu unösterreichischen Schweizer Fredy Bickel. Bruckner wäre - im Gegensatz zu seinen direkten Vorgängern (Ex-Minister Rudolf Edlinger und eben Krammer) - sicher weniger lautstark, was die Meinungskräftigkeit betrifft. Was dem Verein, der ein Faible dafür hat in alle ausgelegten Fettnäpfchen zu treten und sich so immer wieder auch selbstverschuldet in die Bredouille zu reiten, durchaus gut tun könnte. In allen anderen Belangen bedeutet Bruckner aber: more of the same.

Aber da wäre ja noch der dritte Kandidat: Robert Grüneis, einer, der die Grün-Weißen fast schon im Namen trägt, Geschäftsführer einer von der Stadt Wien eingesetzten Forschungsgesellschaft in der Seestadt Aspern. Warum die Gemeinde, also letztlich die Wiener SPÖ (und schon wieder mischt auch Doskozils Freundeskreis mit) diesmal einen eigenen Kandidaten ins Rennen schickt? Noch dazu einen, der mit Vize Christoph Marek den echten Chef von Gegenkandidat Bruckner bei der Allianz dabei hat? Und mit Thomas Waldner (auch SPÖ) ein aktuelles Präsidiums-Mitglied, also einen Krammer/Bruckner-Mann, eigentlich? Und mit Max Kindler den 2014 gegen Christoph Peschek unterlegenen Gegenspieler im Team hat? Treppenwitz: auch Kindler ist Block-Westler, auch als Manager, und hat im Gegensatz zu Peschek Fußball-Ökonomie studiert.

Wenn die Wahl von Grün-Weiß auf Grüneis fällt, wird sich also auch einiges ändern, personell und ausrichtungsmäßig.

Die entscheidende Frage wird also die nach dem Grad der Veränderung sein, die sich das Sechser-Komitee für ihren Herzensverein wünscht.

Die politischen Verwerfungen, die personellen Verstrickungen und die sportlich wenig ambitionierten Pläne der Kandidaten sorgen jedenfalls ab jetzt garantiert für monatelange Unruhe, egal ob die Konflikte auf offener Bühne und hinter den Kulissen ausgefochten wird. Rapid ist eben més que un club, zumindest für österreichische Verhältnisse. Und ein Spiegelbild heimischer Realpolitik.

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